EU-Verfassungsentwurf "hält militärische Interventionen für wichtiger als friedenserhaltende Aktivitäten"
Stellungnahme der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (EJDM)
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beschluss der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (EJDM) zum Entwurf der EU-Verfassung.
Stellungnahme:
Zum Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union
Der Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für die Europäische Union genügt nicht den Bedürfnissen der Menschen
innerhalb und außerhalb Europas. In der gegenwärtigen Situation muss eine Verfassung Antworten geben auf die wesentlichen
Probleme unserer Zeit, wie z.B. militärische Interventionen, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und zunehmende Armut, Abbau
der Rechte der ArbeitnehmerInnen und ihrer Gewerkschaften, Diskriminierung von Frauen und Diskriminierung aus anderen
Gründen. Eine Verfassung für die Europäische Union muss auch die schlechten Erfahrungen mit der bestehenden
ungeschriebenen „Verfassung“ von Europa, die sich auf verschiedene Verträge sowie unzählige Verordnungen und Richtlinien
gründet. Ein besonderes Problem ist der Mangel an Demokratie bezogen auf das Europaparlament, der sich daraus ergibt, dass
es keine gesetzgebende Gewalt ausübt. Eine Verfassung für die Europäische Union darf auch nicht nur das Wohlergehen der
Bürger der Mitgliedsstaaten berücksichtigen sondern auch das Wohlergehen der Millionen Menschen außerhalb der
Europäischen Union, die davon betroffen sind. Gleiches gilt für das Wohlergehen der MigrantInnen, die in die Europäische
Union einreisen.
Ungeachtet dieser dringenden Bedürfnisse, lässt sich feststellen, dass die "Europäische Verfassung"
-
die Europäische Union nicht verpflichtet, den Frieden zu erhalten
- militärische Interventionen für wichtiger hält als friedenserhaltende Aktivitäten
- militärische Interventionen nicht auf den Fall der Selbstverteidigung beschränkt
- militärische Interventionen ohne vorrangegangene Beschlussfassung des Europaparlaments erlaubt
- soziale Rechte, soziale Entwicklung und nachhaltige Umweltentwicklung nicht als Ziele erwähnt, die der ökonomischen
Entwicklung gleichrangig sind
- die Europäische Union nicht verpflichtet, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen um die Menschen in Europa und
außerhalb von Europa von den sozial schädlichen Folgen der neoliberalen Politik zu schützen
- die neoliberale Wirtschaftsordnung in Verfassungsrang erhebt
- die Gewerkschaften nicht als Organisationen erwähnt, die wesentlich sind, um ein demokratisches und soziales Europa zu
schützen
- die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet, die Menschenrechte ihrer BürgerInnen, der ImmigrantInnen und der MigrantInnen
innerhalb der Europäischen Union zu respektieren
- nicht den notwendigen Zugang zur Justiz für Menschen gewährleistet, die ihre Grundrechte verteidigen wollen
- nicht die Rechte der MigrantInnen stärkt, welche Zuflucht innerhalb der Europäischen Union suchen
- die Europäische Union nicht zu einer Politik verpflichtet, welche die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Ländern
außerhalb der Europäischen Union fördert
- sich auf die kulturelle, religiöse und humanistische Tradition Europas beruft, ohne Kriege, Kolonialisierung, Faschismus,
und die schrecklichen Menschenrechtsverletzungen zu erwähnen, welche im Verlauf der europäischen Geschichte im
Namen der unterschiedlichen nationalen Kulturen und im Namen der Religion begangen wurden
- dem Parlament keine demokratische Gewalt einräumt
Unter diesen Umständen fordert die EJDM einen neuen Entwurf für eine „Europäische Verfassung“ welcher die oben
aufgeführten Kritikpunkte berücksichtigt. Die EJDM fordert die Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf,
dem vorliegenden Entwurf nicht zuzustimmen. Die EJDM wird 2004 eine Konferenz durchführen, auf der die notwendigen
Veränderungen des vorliegenden Verfassungsentwurfs diskutiert und Änderungsvorschläge erarbeitet werden sollen.
EJDM Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V.
EALDH European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights
AEJDH Asociacion Europea de los Juristas por la Democracia y los Derechos Humanos en el Mundo
AEJDH Association Européenne des Juristes pour la Démocratie et les Droits de l’Homme dans le Monde
AEGDU Associazione Europea delle Giuriste e dei Giuristi per la Democrazia e i Diritti dell’Uomo nel Mondo
Prof. Monique CHEMILLIER- GENDREAU (Paris), Présidente d’honneur
Rudolf SCHALLER, avocat (Genčve), Président
Thomas SCHMIDT, Rechtsanwalt (Duesseldorf), Secrétaire Général
Vgl. zu diesem Thema auch:
"Daher lehnen wir den vorliegenden Verfassungsentwurf aus friedenspolitischen Erwägungen ab"
Eine Stellungnahme des Gesprächskreises Frieden und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Entwurf der EU-Verfassung
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