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"Der Erfolg des EUFOR-Einsatzes in der Demokratischen Republik Kongo ist für unsere Länder von besonderer Wichtigkeit"

Deutschland und Frankreich erklären auf dem Gipfel in Paris die Schwerpunkte ihrer militärischen Zusammenarbeit - "Erklärung von Paris" im Wortlaut

Die halbjährlichen Treffen des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats (siehe Kasten) dienen in der Regel dazu, gemeinsame sicherheitspolitische, also militärische Vorhaben zu benennen und künftige Entwicklungen bzw. Absichten zu erklären. Für die Europäische Union sind diese Gipfeltreffen in der Regel von Bedeutung, weil die beiden EU-"Kernländer" manches Vorhaben auch im europäischen Kontext realisieren möchte. So ist die am 12. Oktober verabschiedete "Erklärung von Paris" ein Dokument, in dem die wichtigsten deutsch-französischen Militäreinsätze, die in der Regel ja auch EU- oder NATO-Einsätze sind, aufgelistet sind: Libanon (Ziffer 1), Kongo (Ziff. 2), Afghanistan (3), Sudan (4), Kosovo (5). In Ziffer 6 wird die Weiterentwicklung der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)", in Ziffer 7 die NATO angesprochen. Der letzte Punkt (Ziff. 8) befasst sich schließlich mit der Hardware des Militärs. Hier geht es insbesondere um die Schaffung eines Europäischen Lufttransportkommandos, das von Frankreich und Deutschland vorangetrieben wird und dem sich Belgien mittlerweile angeschlossen hat. Diese Initiative, so heißt es, "steht den europäischen Staaten offen".



D o k u m e n t a t i o n

Deutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat

Erklärung von Paris

(12. Oktober 2006)

Der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat ist im Élysée-Palast zusammengetreten. Deutschland und Frankreich haben sich über die internationale Lage und über zentrale Themen der europäischen Verteidigung und der NATO verständigt. Ebenfalls angesprochen wurden die Fortschritte bei der bilateralen militärischen Zusammenarbeit.

1.

Deutschland und Frankreich begrüßen die Verabschiedung der Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und fordern alle Seiten auf, an der Konsolidierung des Friedens und am Wiederaufbau im Libanon mitzuwirken. Unsere beiden Länder begrüßen die Bemühungen der europäischen Länder um eine Stärkung der UNIFIL in Umsetzung der Resolution 1701 und bekräftigen ihre Entschlossenheit, aktiv zur Konsolidierung der Waffenruhe und zum Wiederaufbau im Libanon beizutragen. So hat Frankreich, das einen bedeutenden Beitrag zur UNIFIL leistet, deren Kommando übernommen; Deutschland, das besondere Verantwortung für die seeseitige Umsetzung trägt, wird die Führung des Marineverbandes (Maritime Task Force) UNIFIL übernehmen.

2.

Frankreich und Deutschland bekräftigen erneut ihr Interesse an einer Konsolidierung des Friedens und der Demokratie in der Demokratischen Republik Kongo. Unsere beiden Länder rufen Präsident Kabila und Vizepräsident Bemba auf, im Hinblick auf den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen an der Wiederherstellung des Vertrauens in faire und demokratische Wahlen weiterzuarbeiten. Deutschland und Frankreich rufen insbesondere zur strikten Einhaltung des in den Resolutionen 1493, 1596 und 1698 festgeschriebenen Waffenembargos und zur Umsetzung der Verpflichtungen auf, die dem unkontrollierten Zugang zu und Umgang mit Waffen in Kinshasa ein Ende bereiten sollen.

In diesem Zusammenhang ist der Erfolg des EUFOR-Einsatzes in der Demokratischen Republik Kongo, der von der Europäischen Union am 12. Juni 2006 zur Unterstützung der Mission der Vereinten Nationen (MONUC) gestartet wurde, für unsere beiden Länder von großer Wichtigkeit. Unsere beiden Länder unterstreichen die Bedeutung dieses Einsatzes der Europäischen Union, dessen Führung von Deutschland übernommen wurde und zu dem wir gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen wichtigen Beitrag leisten.

Deutschland und Frankreich begrüßen ebenso die Anstrengungen der Europäischen Union im Rahmen der Polizeimission (EUPOL) in Kinshasa sowie der Mission zur Reform des Sicherheitssektors (EUSEC). Sie betonen die Notwendigkeit, dieses Engagement der Europäischen Union für den Demokratisierungsprozess in der Demokratischen Republik Kongo fortzusetzen.

3.

Deutschland und Frankreich bringen angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan ihre Besorgnis zum Ausdruck und erinnern daran, dass allein eine umfassende Antwort der internationalen Staatengemeinschaft auf die Probleme dieses Landes helfen wird, die Spirale der Gewalt zu überwinden. Auf der Londoner Konferenz wurden die Grundlagen für diese umfassende Antwort zur Unterstützung der afghanischen Regierung und unter der Ägide der Vereinten Nationen geschaffen. Nun müssen diese Entscheidungen effizient umgesetzt werden. Unsere beiden Länder erfüllen ihre Verpflichtungen in der von der NATO geführten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF): Frankreich mit Schwerpunkt in der Region Kabul und Deutschland mit Schwerpunkt in der Nordregion.

4.

Deutschland und Frankreich unterstützen die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, die von der Bevölkerung in Darfur durchlebte Tragödie zu beenden. Sie fordern die sudanesische Regierung und die Rebellenbewegungen auf, ihre militärischen Aktivitäten unverzüglich einzustellen. Unsere beiden Länder begrüßen das Darfur Friedensabkommen vom 5. Mai 2006 und fordern die Nicht-Unterzeichner auf, das Abkommen als Grundlage für eine politische Lösung des Konflikts anzuerkennen. Deutschland und Frankreich begrüßen die Entscheidung des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union, das Mandat für ihre Mission im Sudan (AMIS) um drei Monate zu verlängern. Unsere beiden Länder ersuchen die sudanesische Regierung, ihr Einverständnis zur Implementierung der Mission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) in der Region Darfur zu geben, um gemäß der Resolution 1706 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die Umsetzung des Darfur-Friedensvertrags zu unterstützen.

5.

Deutschland und Frankreich unterstützen als Mitglieder der Kontaktgruppe und Truppensteller der NATO-Streitkräfte im Kosovo (KFOR) die unter der Ägide von Herrn Ahtisaari unternommenen Anstrengungen für eine zügige Lösung der Statusfrage. Sie rufen Belgrad und Pristina dazu auf, sich flexibler und realistischer zu zeigen. Unsere beiden Länder unterstützen voll und ganz den Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und den deutschen Kommandeur der KFOR. Unabhängig vom künftigen Status des Kosovo muss die internationale Staatengemeinschaft dort im zivilen und militärischen Bereich vertreten bleiben. Im Hinblick darauf unterstützen unsere beiden Länder die Arbeit zur Planung einer künftigen ESVP-Mission für Polizei und Justiz, deren Erfolg eine gemeinsame Priorität ist. Unsere beiden Länder betonen, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen vor Ort beteiligten Akteuren (Vereinte Nationen, OSZE, EU und NATO) für den Erfolg der Mission entscheidend ist.

6.

Im Hinblick auf die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2007 bekräftigen Deutschland und Frankreich ihre Entschlossenheit, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) weiterzuentwickeln. Die Lösung der Statusfrage vorausgesetzt, wird der erfolgreiche Aufbau der ESVP-Rechtsstaatsmission im Kosovo die zentrale Aufgabe der deutschen Präsidentschaft sein. Unsere beiden Länder werden sich bei der praktischen Umsetzung der neuen zivilen und militärischen Instrumente der Union zur Krisenbewältigung eng abstimmen. Besonderes Augenmerk wird auf das Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft des Operationszentrums der Europäischen Union Anfang 2007 liegen. Mit diesem Zentrum wird es möglich sein, vom nächsten Jahr an Operationen bis vom Umfang der Operation "Artemis" zu planen und zu führen. Darüber hinaus werden 2007 die Gefechtsverbände zur schnellen Krisenreaktion der Europäischen Union (Battle Groups) in vollem Umfang einsatzfähig sein. Deutschland und Frankreich werden den Kern von zwei der vier 2007 in Bereitschaft stehenden Gefechtsverbände stellen. Ein wichtiges Thema ist die Finanzierung der militärischen Operationen und zivilen Missionen. DEU und FRA setzen sich im Rahmen des Athena-Mechanismus dafür ein, die Mittel zur Unterstützung der Mitgliedstaaten zu finden, die sich in militärischen Operationen der Union engagieren.

7.

Deutschland und Frankreich beabsichtigen, ihre enge Abstimmung im Hinblick auf den NATO-Gipfel in Riga weiterzuverfolgen. Unsere beiden Länder wünschen sich, dass der Gipfel erfolgreich sein und die Einigkeit der Verbündeten hinsichtlich der Rolle, der Aufgaben und der laufenden Einsätze des Bündnisses verdeutlichen möge. Ein wichtiger Schritt wird die Anerkennung des Erfolgs der schnellen Eingreiftruppe der NATO (NRF) sein. Die Staats- und Regierungschefs werden neue Initiativen starten können, um die Interoperabilität unserer Streitkräfte zu

8.

Die bilaterale Zusammenarbeit im militärischen Bereich bleibt für unsere beiden Länder eine vorrangige Aufgabe. Sie soll zum einen die Verbundenheit unserer beiden Länder stärken und zum anderen als Grundlage für eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten dienen. Deutschland und Frankreich haben in diesem Zusammenhang beschlossen, ihr Programm zum Offizieraustausch zu erweitern, indem es auf wesentliche Abschnitte der Ausbildung zum Offizier des Heeres ausgedehnt wird. Von 2007 an werden fünf deutsche Offizieranwärter des Heeres in Frankreich ausgebildet (davon 3 Jahre an der Militärschule St.-Cyr-Coëtquidan) und fünf französische Offizieranwärter in Deutschland. Die so ausgebildeten Offiziere sollen insbesondere in binationalen oder multinationalen Einheiten und Stäben wie der Deutsch-Französischen Brigade oder dem Eurokorps dienen. Die wechselseitige Teilnahme von Offizieranwärtern unserer Luftstreitkräfte an der Offizierausbildung in Fürstenfeldbruck bzw. Salon-de-Provence ist eine neue Dimension der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verstehens zwischen unseren Luftstreitkräften, die es nun zu entwickeln gilt. Wir möchten die Ausbildung unserer Offizieranwärter der Marine fördern, indem wir gemeinsame Ausbildungsabschnitte der Schulschiffe und Ausbildungsverbände auf See anbieten, an denen auch andere europäische Marinen teilnehmen können.

Mit der Schaffung eines Europäischen Lufttransportkommandos werden wir bald über eine gemeinsame Struktur verfügen, die die funktionelle und operative Interoperabilität unserer Lufttransportfähigkeiten weiterentwickeln wird. Die Ausbildung des Personals und das Training der Besatzungen sollen im Verbund stattfinden. Synergien bei der technisch-logistischen Unterstützung lassen Ersparnisse von beträchtlichem Umfang erwarten. Zudem wird die operative Zusammenarbeit im Europäischen Lufttransportkommando eine optimale Nutzung der nationalen Kapazitäten ermöglichen. Im April wurde eine Absichtserklärung unterzeichnet; eine erste Fähigkeit soll ab 2009 zur Verfügung stehen. Diese Initiative, der Belgien sich bereits angeschlossen hat, steht den europäischen Staaten offen.

Quelle: Website der Bundesregierung; www.bundesregierung.de

Was ist der "Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat"?

Der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat (DFVSR, französisch Conseil franco-allemand de défense et de sécurité, CFADS) ist eine ständige bilaterale Einrichtung, die die deutsch-französische Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik koordiniert. Im seinem Rahmen finden halbjährlich Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der beiden Länder sowie einiger Kabinettsmitglieder und Militärs statt.

Schon der Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 hatte eine deutsch-französische Zusammenarbeit in den Bereichen Außen-, Sicherheits- und Bildungspolitik vorgesehen. Doch erst in den 80er Jahren wurden die Beziehungen wirklich ausgebaut, so gab es etwa 1986/87 gemeinsame Großmanöver im Heeresbereich. Ab 1982 nahmen die Verteidigungsminister beider Länder an den regelmäßigen Gipfeltreffen teil, außerdem wurde ein Deutsch-Französischer Ausschuss für Verteidigung und Sicherheit geschaffen. Anlässlich der 50. deutsch-französischen Konsultationen in Karlsruhe (1987) wurde schlöießlich die Gründung des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates bekannt gegeben. Am 22. Januar 1988 unterzeichneten Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand in Paris das Ergänzungsprotokoll zum Elysée-Vertrag über den DFVSR, um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung und der Sicherheit weiterzuentwickeln. Neben den Staats- und Regierungschefs gehören zum Rat die Außenminister, Verteidigungsminister, der Generalinspekteur der Bundeswehr und der französische Generalstabschef.

Vorsitzende des Rates sind qua Amt die jeweiligen Staats- und Regierungschefs, d.h. der deutsche Bundeskanzler, der französische Präsident und der französische Premierminister. Im Ratskomitee sind die Außenminister, die Verteidigungsminister sowie der Generalstabschef der französischen Streitkräfte (chef d'Etat-major des Armées) und der Generalinspekteur der Bundeswehr vertreten. Dem Rat ist der Deutsch-Französische Ausschuss für Verteidigung und Sicherheit (s.o.) untergeordnet, dem Beamte der Außenministerien sowie der französische Generalstabschef und der deutsche Generalinspekteur vorstehen. Innerhalb des Ausschusses bestehen verschiedene Arbeitsgruppen. - Das Sekretariat des DFVSR befindet sich in Paris.

Informationen aus: http://lexikon.freenet.de




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