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EU-Battlegroup – Europäischer Eingreifverband ein Papiertiger?

Ein Beitrag aus der NDR-Sendung "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderator):
Beginnen wollen wir mit der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Genauer mit einem europäischen Eingreifverband, der in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Die Rede ist von der sogenannten EU-Battlegroup. Hierbei handelt es sich um einen multinationalen Gefechtsverband mit einer Stärke von rund 1.500 Soldaten. Diese Eingreiftruppe gibt es bereits seit mehreren Jahren. Der Kampfverband wird für jeweils sechs Monate von verschiedenen EU-Staaten gestellt. In diesem Halbjahr besteht die EU-Battlegroup aus französischen, deutschen und polnischen Soldaten. Der Verband soll innerhalb von 14 Tagen in einem Radius von 6.000 Kilometern einsatzbereit sein. Eigentlich das ideale europäische Instrument, um den Franzosen in Mali militärisch zur Seite zu stehen. Doch der Einsatz dieser Truppe wurde zu keinem Zeitpunkt erwogen. Ein Fehler, findet der sicherheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments, der CDU-Politiker Michael Gahler:

O-Ton Gahler:
„Ich denke man hat politisch eine Chance verpasst, denn wir haben eine Situation, wo es keine französische Sonderbedrohung gab, sondern wenn es eine Bedrohung gibt, dann ist das eine für die Region, aber auch darüber hinaus für die Europäer insgesamt. Und deswegen hätte man nach einem Mechanismus suchen sollen, wo man politisch und militärisch demonstriert hätte, dass man gemeinsam politisch Verantwortung wahrnimmt.“

Und was sagt Verteidigungsminister de Maizière? Er bleibt einsilbig:

O-Ton de Maizière
„Wir haben die EU-Battlegroup und wir haben andere gemeinsame Formationen. Mali ist keine Anwendungsfall für die EU-Battlegroup.“

Punkt. Warum nicht, dass lässt der Verteidigungsminister offen. Ein Erklärungsversuch dagegen vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz:

O-Ton Polenz
„Das wird aus Sicht derjenigen, die bisher mit der Planung beauftragt sind, nicht als der richtige Weg angesehen, weil in dem Moment, wenn sich ausländische Kampftruppen etwa aus Europa in Bodenkämpfe einmischen würden, sehr schnell der Vorwurf des Neokolonialismus erhoben werden könnte.“

Das gilt aber auch für die französischen Truppen - sogar noch eher als für andere europäische Soldaten. Diese Begründung ist für den Europa-Parlamentarier Michael Gahler daher nicht nachvollziehbar:

O-Ton Gahler
„Diesen Vorwurf halte ich für deplatziert in diesem Zusammenhang. Wir haben hier eine übereinstimmende Einschätzung der Bedrohungslage, die von den Vereinten Nationen über die Afrikaner bis hin zur EU geht.“

In der vergangenen Woche plädierte Verteidigungsminister de Maizière auf der Münchner Sicherheitskonferenz dafür, die militärischen Fähigkeiten der Europäer zu stärken. Pragmatismus statt Visionen, so das Credo des CDU-Politikers. Es solle erst einmal das umgesetzt werden, was bereits beschlossen worden sei. Die Battlegroup meinte er damit offenbar nicht. Anders sein Parteikollege im Europa-Parlament, Elmar Brok. Er will dafür sorgen, dass der Eingreifverband nicht nur auf dem Papier besteht, sondern ein wirkliches Instrument der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird:

O-Ton Brok
„Deswegen haben wir jetzt auch erheblichen Druck ausgeübt, insbesondere auch auf Frau Ashton, dass jetzt endlich Guidelines gesetzt werden, um deutlich zu machen, in welchem Entscheidungsprozess, in welchem Rahmen wir in diesen Fragen schneller vorankommen müssen, damit es nicht weitere Blamagen gibt.“

Der europäische Eingreifverband ist noch nie eingesetzt worden. Es fehlte bisher immer der politische Wille. Und es sieht nicht danach aus, dass sich das ändern wird. Angesichts dieser Perspektive könnte man gleich auf diesen Verband verzichten – schon aus Kostengründen.

* Aus: NDR-Forum "Streitkräfte und Strategien", 9. Februar 2013; www.ndr.de/info


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