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Abschottung hat Priorität

EU-Afrika-Gipfel gibt spärliche Zusagen für Entwicklungsprojekte

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Mit der Einigung auf einen »Aktionsplan« ist eine zweitägige Migrationskonferenz in der marokkanischen Hauptstadt Rabat zu Ende gegangen.

Die dramatischen Flüchtlingsbilder aus den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla im letzten Herbst gaben den Anstoß: Auf Initiative Spaniens trafen sich am Montag und Dienstag Regierungsvertreter aus 30 europäischen und 27 afrikanische Staaten im marokkanischen Rabat zum ersten europäischafrikanischen Gipfel über »Migration und Entwicklung«. Die Zielsetzung: eine bessere Koordination des Vorgehens europäischer und afrikanischer Staaten gegen die so genannte illegale Einwanderung.

Zwecks Eindämmung der Flüchtlingsströme müssten Afrika und die EU stärker zusammenarbeiten. Deshalb müsse der Kampf gegen Schleuserbanden, die Überwachung der Grenzen und die Rückführung illegaler Zuwanderer besser koordiniert und intensiviert werden, hatte die EUAußenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bei der Eröffnung gefordert. »Praktisch beschlossen« worden sei auf der Konferenz ein »Aktionsplan zur Eindämmung der illegalen Einwanderung«, sagte Ferrero-Waldner zum Abschluss. In dem 62 Punkte umfassenden Katalog stehen vor allem Sicherheits- und Entwicklungsfragen im Vordergrund. In dem Papier fehlen allerdings konkrete Angaben zur Finanzierung der Vorschläge und zu möglichen Finanzhilfen für die Herkunftsländer der Flüchtlinge.

Nach dem Plan soll die EU-Grenzschutzagentur »Frontex« vor der Küste Westafrikas mit Marokko, Mauretanien, Senegal und den Kapverdischen Inseln gemeinsame Patrouillen fahren. Doch das ist nicht neu. Spanien praktiziert dies schon seit Wochen. Weiter sollen rasch zivile Interventionstruppen für »Krisen« zur Verfügung stehen, sagte die Kommissarin, ohne auszuführen, was das sein soll.

Durch bilaterale Abkommen soll die Rücknahme illegaler Einwanderer vereinfacht werden. Derlei Verträge hat Spanien längst mit Marokko, Mauretanien und Senegal geschlossen. Das führt dazu, dass die Menschen immer weitere und gefährlichere Wege einschlagen. Tausende sind auf dem nun mehr als 1000 Kilometer langen Seeweg derweil schon ertrunken. Verbessert werden soll auch die Zusammenarbeit, um die Identifikation für die Rückführung zu beschleunigen. Europa habe sich dagegen verpflichtet, die Tore für eine legale Einwanderung zu öffnen. Nach den Worten von Ferrero-Waldner will die Europäische Union künftig spezifisch geschulte Fachkräfte aus afrikanischen Ländern einreisen lassen. Dazu sollen mit Hilfe der EU auch spezielle Ausbildungsprogramme für Migranten angeboten werden. »Man ist da noch nicht sehr konkret«, räumte die Kommissarin ein. Konkret sollen die Afrikaner leichter und billiger Geld in ihre Heimatländer schicken können. Denn die Banken halten sich durch hohe Gebühren an den Menschen schadlos, die oft für Hungerlöhne auf dem europäischen Schwarzmarkt arbeiten Auch Entwicklungsprojekte sollen angeschoben werden. Spanien hat insgesamt 30 Millionen Euro Hilfe zugesagt, davon sollen 10 Millionen in einen Fonds für Kleinkredite fließen. Damit soll die Lebensgrundlage der armen Bevölkerung in Westafrika verbessert werden, um junge Afrikaner in ihrer Heimat zu halten.

Auch wenn auf dem Gipfel versucht wurde, die Entwicklung medial in den Vordergrund zu stellen, ging es vielmehr darum, die Regierungen der afrikanischen Staaten in die Abschottungspolitik der EU einzubinden. Spanien setzt nicht nur die Marine und die Luftwaffe ein, sondern will die Küste vor Westafrika sogar mit Satelliten überwachen, um die Boote aufzuspüren, die die Kanarischen Inseln anlaufen. Eine neue Studie hat gestern aufgezeigt, dass trotz der Abschottung im Laufe dieses Jahrs 11 000 Menschen die Urlaubsinseln lebend erreicht haben.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juli 2006


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