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Schatten über der Konferenz in Doha

UNO überprüft Entwicklungsfinanzierung

Von Martin Ling *

Heute (29. November) beginnt in Doha die zweite Weltkonferenz der UNO über Entwicklungsfinanzierung. Auf ihr sollen die Beschlüsse der Vorgängerkonferenz von Monterrey 2002 überprüft und die Weichen dafür gestellt werden, dass die für 2015 anvisierten Millenniumsentwicklungsziele nicht an mangelnder Finanzierung scheitern.

»Krieg oder Frieden, Armut oder Entwicklung.« So prägnant beschreibt Trevor Manuel, Südafrikas Finanzminister, die Alternativen, vor denen die Weltgemeinschaft in Doha wieder einmal steht. Manuel ist zusammen mit der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Sondergesandter der UNO für die Konferenz über Entwicklungsfinanzierung, die vom 29. November bis 2. Dezember in Doha, der Hauptstadt des arabischen Emirats Katar, stattfindet. Manuel spitzt die Situation nicht von ungefähr zu. Der im März 2002 in Monterrey beschlossene Konsens kam noch unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA zustande. Im Verein mit der Ende 2001 begonnenen so genannten Doha-Entwicklungsrunde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) sollte der Monterrey-Konsens die Armut als Nährboden des Terrors austrocknen. Es blieb beim Vorsatz: Die Doha-Entwicklungsrunde steckt seit Ende 2005 fest, und der Monterrey-Konsens wurde nur zu geringen Teilen beherzigt.

Dass der Kurswandel nicht vollzogen wurde, belegt Manuel eindrucksvoll mit Zahlen des Stockholm-Instituts: 1,3 Billionen Dollar flossen 2007 in die Rüstung, 104 Milliarden in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA). Während die ODA 2006 und 2007 schrumpfte, stiegen die Rüstungsausgaben an. »Diese kalten Fakten legen nahe, dass wir seit Monterrey das Gegenteil von dem getan haben, was wir vorgaben, tun zu wollen. Wir haben Krieg statt Frieden gewählt«, zieht Manuel ein ernüchterndes Fazit.

So drastisch fällt die Bilanz bei Wieczorek-Zeul nicht aus. Sie sieht Fortschritte durch die Schuldenerlassprogramme, steigende Einschulungsraten in Ländern wie Ghana, Mosambik, Tansania und Uganda und bei der Medikamentenversorgung von HIV-Infizierten. Dennoch erkennt auch sie vor allem in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter und Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit großen Nachholbedarf. 500 000 Frauen sterben jedes Jahr bei Schwangerschaft oder Geburt aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung, und alle drei Sekunden stirbt ein Kind – Zahlen, die zum Handeln zwingen müssten.

Solche Statistiken lagen auch der Monterrey-Konferenz zugrunde. Auf sechs Säulen fußt der Konsens von Monterrey. Erstens sollten die heimischen Ressourcen mobilisiert werden. In Subsahara-Afrika gelang das sogar. Innerhalb von nur fünf Jahren erhöhten sich dort die öffentlichen Einnahmen von 70 auf 186 Milliarden Dollar. Zum Teil eine Folge des Rohstoffbooms, zum anderen wie in Ghana und Ruanda aber auch Folge von Verbesserungen im Steuersystem.

Schlechter steht die zweite Säule, die Mobilisierung internationaler Ressourcen. Zeitweilig war die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zwar dank der zweifelhaften Anrechnung von Schuldenerlassen beträchtlich angestiegen, doch seit 2006 geht sie wieder zurück. Aus dem G8-Versprechen des Jahres 2005, bis 2010 die ODA für Afrika von 25 auf 50 Milliarden Dollar zu verdoppeln, ist nichts geworden. Bei der Technischen Zusammenarbeit und den Schuldenerlassen gab es wenigstens Fortschritte zu verzeichnen, auch wenn die Wirkung teils bereits wieder verpufft ist. 2008 mussten allein die 50 ärmsten Länder der Welt (LDC) 50 Milliarden Dollar zusätzlich für Erdöl ausgeben. 2006 erhielten diese LDC gerade mal 28 Milliarden Dollar an ODA.

Ganz schlecht stehen nach wie vor die beiden letzten Säulen da: eine Entwicklungsrunde im Rahmen der WTO, die diesen Namen verdient, und Systemfragen wie die einer neuen Finanzarchitektur, die die Interessen des Südens gleichberechtigt berücksichtigt. Ein gemeinsamer Kampf gegen die Steuerhinterziehung, wie ihn sich Wieczorek-Zeul für Doha auf die Fahnen geschrieben hat, wäre ein kleiner Anfang. An die Grundfesten der unfairen Weltwirtschaftsordnung ginge er freilich nicht – von Frieden ganz zu schweigen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. November 2008


Das Gipfeldokument der Konferenz von Montereey (2002) ist hier herunterzuladen:
Bericht der Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung
Monterrey (Mexiko), 18.-22. März 2002 (Dokument A/CONF.198/11, Vereinte Nationen, deutsche Übersetzung)



Wege aus der Schuldenfalle

Organisationen fordern globale Finanzreform und mehr Hilfe für Entwicklungsländer

Von Roland Etzel **

In Doha, der Hauptstadt des arabischen Emirats Katar, beginnt heute eine Konferenz der Vereinten Nationen, in der es um die künftige Finanzierung von Entwicklungshilfe geht. Deutschland wird dabei von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul vertreten. Nichtregierungsorganisationen stellten im Vorfeld der Tagung bereits ihre Forderungen an die Konferenz.

Wenn die Vertreter von Staaten und UN-Organisationen heute in Doha ihre Beratungen beginnen, sind deren Ergebnisse völlig ungewiss. Der weltweite Hunger, Energieverknappung, die Turbulenzen der Finanzmärkte und das Schuldenproblem sollten zwar ein ausreichender Handlungsdruck auf die Politik sein. Das muss aber nicht heißen, dass es mehr als wohlfeile Absichtserklärungen geben wird, um endlich die im Millenniumsjahr gegebenen Versprechen für gleichberechtigte Entwicklung einzulösen. Im Gegenteil. Die Skeptiker dürften sich bereits bestätigt fühlen, denn sowohl der Direktor des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, als auch Weltbankpräsident Robert Zoellick sagten unbeeindruckt von massiver Kritik ihre Teilnahme in Doha ab.

Ungeachtet dessen oder gerade deshalb haben rund 400 Vertreter nichtstaatlicher Organisationen (NRO), die sich in dieser Woche ebenfalls in Doha trafen, Forderungen formuliert, die in die Konferenz einfließen sollen. Im Namen Hunderter zivilgesellschaftlicher Organisationen aus aller Welt verlangen sie vor allem eine umfassende Reform des globalen Finanz- und Handelssystems. Hierzu, so ihre Vorstellung, soll im nächsten Jahr von der UNO eine Konferenz vor allem der Entwicklungsländer einberufen werden.

Diese, so die stellvertretende VENRO-Vorsitzende Christa Randzio-Plath in Doha, dürften nicht länger ignoriert werden. Denn sie sind es, die massiv an den Folgen der Finanzkrise leiden, obwohl sie sie nicht zu verantworten haben. VENRO ist der Verband Entwicklungspolitik deutscher NRO. Ihm gehören 117 Gruppen an.

Erlassjahr.de – ein Bündnis aus Kirchen, Eine-Welt-Gruppen und anderen Entwicklungsorganisationen – erwartet von Doha ein klares Zeichen gegen die Verschuldungsfalle, in der viele Dritte-Welt-Länder stecken. Sein Vorschlag: internationale Insolvenzverfahren. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit eines Landes gäbe es dann eine Verhandlung zwischen Gläubiger und Schuldner vor einem unabhängigen Schiedsgericht. Dieses soll darüber entscheiden, in welchem Umfang das verschuldete Land Kredite zurückzahlen muss, stellt dabei aber sicher, dass die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Zudem soll dem zahlungsunfähigen Land eine klare Perspektive aus der Schuldenfalle geboten werden.

** Aus: Neues Deutschland, 29. November 2008


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