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"Sauberer" morden

Von der Leyen will europäische Kampfdrohnen bauen lassen. Frankreich und Italien mit im Boot

Von Susan Bonath *

Töten auf Knopfdruck: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schmiedet Pläne für Entwicklung und Bau eigener europäischer Hightechkampfdrohnen. Wie Spiegel online am Dienstag berichtete, will sie das Rüstungsprojekt gemeinsam mit den Regierungen Frankreichs und Italiens in Kürze auf den Weg bringen.

Die Ministerin ließ danach die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker im Bundestag am Montag abend überraschend zusammentrommeln. Rüstungsstaatsekretärin Katrin Suder (parteilos) informierte die Abgeordneten darüber, dass die Beteiligten noch in diesem Jahr eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen sollen. Außerdem lasse die Bundesregierung eine Studie zur Realisierung des Baus der mittelgroßen, waffenfähigen Kriegsgeräte erstellen. Der Haushaltsausschuss im Parlament soll bis Jahresende finanzielle Entscheidungen treffen.

Frühestens 2020, spätestens 2025 soll, so schreibt Spiegel online weiter, das deutsche Heer die unbemannten Flieger nutzen können. Es werde sich um »eine neue Generation europäischer Drohnen« handeln, »deren Fähigkeiten über die heutiger Systeme hinausgehen«, zitierte das Blatt »Experten«, welche an der Unterrichtung im Parlament beteiligt waren. Noch am gestrigen Dienstag soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Vorhaben mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande beim deutsch-französischen Ministerrat in Berlin besprochen haben.

Für die Zeit, bis die europäischen Kriegsflieger einsatzbereit sind, habe von der Leyen bereits eine Übergangslösung parat, wie es weiter heißt. Sie will die Truppe mit Drohnen aus Israel vom Typ »Heron TP« oder »Predator« aus den USA ausstatten. Das Kampfgerät solle angemietet werden. Das Ansinnen ist nicht neu: Schon im Juli vergangenen Jahres hatte die Kriegsministerin vorgeschlagen, entsprechende Verträge mit Israel, die im April 2015 ausliefen, zu verlängern. Beifall dafür bekam sie damals aus den eigenen Reihen sowie von Teilen der SPD. So habe die Bundeswehr mit Heron-Drohnen beim Afghanistan-Einsatz »gute Erfahrungen gemacht«, jubelte der CDU-Abgeordnete Henning Otte. Der sozialdemokratische Abgeordnete Rainer Arnold sprach sich seinerzeit ebenfalls »sehr für die Fortführung der Vertragsbeziehung mit Israeli Aerospace Industries aus.

Damit setzt Ministerin von der Leyen de facto einen schon 2013 von ihrem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) avisierten Plan in die Tat um. Dieser hatte damals in einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion verkündet, 16 bewaffnete Drohnen anschaffen zu wollen und dabei »die optionalen Fähigkeiten zur Wirkung aus der Luft« einzuplanen, also die unbemannten Flugobjekte mit zielsicheren Raketensystemen auszustatten. Derzeit verfügt die Bundeswehr nur über eigene Aufklärungsdrohnen.

Verhaltene Kritik übten die Grünen. Deren Haushaltspolitiker Tobias Lindner, der sich erst kürzlich für eine gemeinsame »europäische Verteidigungsarmee« ausgesprochen hatte, stellte den Vorstoß der Ministerin gegenüber der Nachrichtenagentur dpa in Frage. Ihre Behörde müsse klären, »ob ein europäisches Drohnenprojekt nicht in Wirklichkeit nur Industriepolitik ist und warum auf dem Markt verfügbare Lösungen nicht genügen«, so Lindner. Und seine Parteikollegin Agnieszka Brugger befand, von der Leyen versuche »wieder einmal, das brisante und unpopuläre Thema vor der Öffentlichkeit und gegenüber dem Bundestag zu verschleiern«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. April 2015


Kampfdrohnen: Täuschen, Tricksen, Tarnen

Von Andrej Hunko **

Lange war es ruhig um die deutschen Kampfdrohnen. Nachdem der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Januar 2013 in der Antwort auf eine kleine Anfrage die Anschaffung von Kampfdrohnen ankündigte, gab es kurzzeitig eine heftige Debatte über Sinn und Unsinn dieser neuen Kriegsführung, die auf eine räumliche und zeitliche Entgrenzung hinausläuft. 65 Prozent der Menschen in Deutschland lehnten laut infratest dimap die Anschaffung ab, nur 32 Prozent sprachen sich dafür aus. Grund genug für die Union, das Thema aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.

Im Koalitionsvertrag wurde schließlich vereinbart, die prinzipielle Zustimmung für die Anschaffung dieser Killerwaffen würde »nach eingehender völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Prüfung« erfolgen. Die neue Verteidigungsministerin von der Leyen machte zunächst einen Bogen um das Thema, um dann kurz vor der Sommerpause während der Fußball-WM 2014 eine kleine Alibi-Anhörung anzusetzen, nach der sie die Prüfung für beendet ansah. Wieder ließ infratest dimap fragen, diesmal sprachen sich 64 Prozent dagegen und 30 Prozent dafür aus.

In den wenigen Debatten zu dieser Thematik argumentierten dafür geschulte Bundeswehroffiziere mit der »Fürsorgepflicht« für Soldaten im Einsatz, deren Risiko es durch Kampfdrohnen zu minimieren gelte. Diese gute Nutzung von Kampfdrohnen müsse strikt abgegrenzt werden vom bösen völkerrechtswidrigen US-Drohnenkrieg. Wie unglaubwürdig diese Argumentation ist, zeigt nicht zuletzt die deutsche Beteiligung an genau diesem Drohnenkrieg, etwa über den US-Stützpunkt Ramstein, ohne den er nicht führbar wäre. Wenn von Fürsorgepflicht die Rede ist, dann wohl eher von der für die europäische Drohnenindustrie, die seit Monaten Druck macht und mit dem Abzug der Entwicklungskapazitäten droht.

Bemerkenswert beim jetzigen Reden von der Notwendigkeit eigener europäischer Kampfdrohnen ist die in Hintergrundgesprächen geäußerte Befürchtung, eine etwa von den USA geleaste Drohne ließe keine objektiven Lagebilder zu – diese könnten im Interesse des Leasingstaates gefiltert sein. Am Beispiel des Konflikts in der Ostukraine würden dann nur die »russischen Bewegungen« dargestellt, nicht aber die der ukrainischen Armee. Ein beachtlicher Hinweis auf die Informationspolitik zwischen den NATO-Verbündeten.

Kampfdrohnen sind und bleiben Killerwaffen. Sie dienen nicht der Verteidigung, sondern sind tödliche Angriffswaffen. Die Linke lehnt ihre Anschaffung entschieden ab. Wir fordern eine internationale Konvention zur streng zivilen Nutzung der Drohnentechnologie, etwa im Umwelt- oder Katastrophenschutz. Vor dem Hintergrund der breiten Ablehnung der Anschaffung von Kampfdrohnen in Deutschland ist von der Leyen auf angewiesen, um diese Milliardeninvestitionen politisch durchzusetzen.

Andrej Hunko ist Abgeordneter der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. April 2015 (Kommentar)


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