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In den Drohnenkrieg verwickelt

Ohne die US-Basen in Stuttgart und Ramstein keine Angriffe in Afrika

Von Uwe Kalbe *

Drohnen der US-Armee können in Somalia nur dank einer Datenübermittlung über den deutschen US-Stützpunkt Ramstein ihr tödliches Werk tun. Die Bundesregierung stellt sich unwissend.

Am Donnerstag kam es zum jüngsten bekannt gewordenen Angriff. Die USA töteten bei einem Drohnenangriff im Grenzgebiet zu Afghanistan den Vizechef der pakistanischen Taliban. Beinahe sind solche Meldungen zur Gewohnheiten geworden. Dank dieser Gewöhnung kann Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) unverdrossen den Drohnen-Beschaffungsdisput am Leben erhalten – trotz aller Kritik an der in den Sand gesetzten Finanzierung der für die deutschen Streitkräfte geplanten Euro-Hawks. Einen Rücktritt des Verteidigungsministers hat außer der LINKEN bisher jedenfalls keine Bundestagspartei gefordert.

Wie tief Deutschland längst in den Drohnenkrieg verstrickt ist, zeigen jüngste Meldungen über die Kommandostrukturen für den Einsatz amerikanischer Drohnen in Afrika. Die Hinrichtungen werden demnach vom Afrika-Kommando der US-Streitkräfte in Stuttgart und vom rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein aus geplant und unterstützt, berichteten die »Süddeutsche Zeitung« und das ARD-Magazin »Panorama«. Nach der Entscheidung im Weißen Haus in Washington steuern die Piloten von ihren Stützpunkten in den USA die Drohnen in ihre Ziele, meist vermeintliche Al-Qaida-Ableger in Somalia. Dort sollen seit 2007 auf diese Weise bis zu 27 Menschen getötet worden sein, darunter bis zu 15 Zivilisten. Für Planung und Koordination der Einsätze ist den Berichten zufolge das US-Kommando »Africom« in Stuttgart zuständig. Den Kontakt zu den Drohnen können die Piloten in ihren sicheren Stützpunkten nur über eine Satellitenanlage in Ramstein halten, wie es in den Medienberichten heißt. Ohne die Relaisstation könnten die Angriffe nicht stattfinden. Die Drohnen selbst sind in der Nähe der Zielgebiete stationiert.

Die völkerrechtlichen Bedenken, die die Einsätze begleiten, beeindrucken weder die USA noch die Bundesregierung. Letztere sieht in den tödlichen Angriffen keine Anhaltspunkte für ein völkerrechtswidriges Verhalten. Und über die Bedeutung der USA-Stützpunkte in Deutschland stellt sie sich unwissend. Man habe keine Erkenntnisse darüber, wird in den Berichten Regierungssprecher Steffen Seibert zitiert.

Dies ist wenig glaubhaft, wie ein Bericht der US-Streitkräfte nahelegt, der auf eine enge Zusammenarbeit amerikanischer, marokkanischer und deutscher Streitkräfte schließen lässt. Darin ist von der gemeinsamen Ausbildung und Unterweisung an der Drohne »RQ-11B Raven« im April dieses Jahres in Agadir die Rede, gespickt mit den beeindruckten Kommentaren der deutschen Militärs.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 1. Juni 2013


Bundesregierung will von nichts wissen

US-Drohnenangriffe in Afrika sollen Medienberichten zufolge in Deutschland gesteuert werden **

Die Bundesregierung weiß nach eigenen Angaben nichts über von Deutschland aus gesteuerte US-Drohnenangriffe. Es lägen keine Erkenntnisse zu solchen von den US-Streitkräften geplanten oder durchgeführten Einsätzen vor, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. »Im Ergebnis gilt, daß wir keine Anhaltspunkte für ein völkerrechtswidriges Verhalten haben«, sagte Seibert. Die SPD forderte Aufklärung über Berichte, nach denen das US-Programm zu gezielten Tötungen mit Drohnen auch von Deutschland aus gesteuert werde. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, will hierzu das für Geheimdienste zuständige Kontrollgremium des Bundestages einschalten. Die Linkspartei verlangt eine Schließung der deutschen US-Stützpunkte.

Die Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin »Panorama« hatten berichtet, daß US-Standorte in Deutschland maßgeblich in gezielte Tötungen in Afrika durch Drohnen eingebunden seien. Vom Afrika-Kommando der US-Streitkräfte (»Africom«) in Stuttgart und vom rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein aus würden Einsätze in Afrika geplant und unterstützt, so die Berichte.

Der Drohnenkrieg der USA ist völkerrechtlich höchst umstritten. Entscheidungen über Angriffe werden im Weißen Haus in Washington getroffen, die Piloten sitzen in der Regel auch in den USA; die Drohnen sind in der Nähe der Krisengebiete stationiert. An den Einsätzen in Afrika sind laut »Panorama« und SZ aber auch US-Militärs in Deutschland beteiligt. Über eine Satellitenanlage in Ramstein sollen die Piloten den Kontakt zu den Kampfdrohnen halten. Ohne diese Relaisstation könnten die Angriffe nicht durchgeführt werden, zitieren die Medien aus einem Papier der US-Luftwaffe. Die SZ zitierte den Gießener Völkerrechtler Thilo Marauhn, der die Tötung mittels einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts als mögliche »Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt« wertete, wenn die Bundesregierung hiervon Kenntnis habe.

* Aus: junge Welt, Samstag, 1. Juni 2013


"Das verletzt die Souveränität Deutschlands"

Die Bundesregierung muß unverzüglich die Drohneneinsätze der USA von Ramstein aus stoppen. Ein Gespräch mit Norman Paech ***

Norman Paech ist emeritierter Professor für Internationales Recht an der Universität Hamburg, er war von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter der Linkspartei.

Das US-Militär hat zugegeben, daß über seine »Africom« genannte Leitstelle auf dem Stützpunkt in Ramstein Drohneneinsätze in Afrika geplant werden, bei denen Menschen starben. Was sagen Sie als Völkerrechtler dazu?

Nach unserer gegenwärtigen Kenntnis sind Einsätze wie die in Afrika völkerrechtswidrig, weil dort Menschen exekutier werden, die lediglich unter dem Verdacht einer kriminellen Handlung wie etwa eines Terroraktes stehen. Verdacht ist aber kein Beweis. Zulässig wäre lediglich, sie eventuell gefangenzunehmen und dann vor Gericht zu stellen. Das müßte darüber befinden, wie der Tatvorwurf zu bewerten ist.

Derartige Einsätze, bei denen Menschen getötet werden, werden aber nun mal von deutschem Boden aus geplant. Laut Grundgesetz, Artikel 26, sind Angriffskriege oder auch deren Vorbereitung untersagt. Müßte die Bundesregierung das nicht sofort unterbinden?

Wenn sie es nicht tut, ist es Beihilfe zu völkerrechtswidrigen Handlungen. Aber sie wird versuchen, sich aus der Schlinge zu ziehen, wie Anfang der 90er bei den »rendition flights«. Dabei ging es darum, daß auf deutschem Boden US-Flugzeuge zwischenlandeten, die Terrorverdächtige in Folterzentren anderer Staaten brachten. Die Bundesregierung hat damals angeblich von nichts gewußt. Und wenn sie am Freitag durch ihren Sprecher verkünden läßt, auch in diesem Fall nichts zu wissen, so ließ das zumindest auf grobe Kontroll- und Regierungsfehler schließen – offensichtlich nicht die einzigen, wie das andere Drohnenkapitel zeigt.

Formal kann die Bundesregierung sagen, daß sie bei der Einrichtung von »Africom« nicht damit rechnen konnte, daß völkerrechtswidrige Handlungen begangen werden. Aber da es jetzt öffentlich ist, was diese Leitstelle wirklich macht, muß die Bundesregierung handeln – sie macht sich sonst strafbar. Derartige Aktivitäten verletzen die Souveränität Deutschlands.

Strafbar haben sich nach deutschem Recht auch die US-Soldaten gemacht, die in Ramstein von ihrem Computer aus derartige Einsätze steuern. Müßte da nicht die Polizei zugreifen?

Der Stützpunkt ist exterritorial, das haben sich die USA garantieren lassen. Es wird also schwer sein, jemanden auf diesem Gelände zu verhaften. Das sollte die Bundesanwaltschaft aber nicht daran hindern, Ermittlungen aufzunehmen. Denn die sind auch dafür wichtig, das Verhalten der Bundesregierung zu bewerten.

Wenn diese Täter schon nicht auf dem Stützpunkt verhaftet werden dürfen – wäre das außerhalb möglich? Etwa wenn sie zum Supermarkt fahren oder eine Disco besuchen.

Das dürfte juristisch möglich sein.

Müßten nicht auch Ermittlungen gegen hohe Beamte und Regierungspolitiker aufgenommen werden, die seit langem gewußt haben, daß von Ramstein aus Morde in Afrika begangen werden?

Wenn sich das nachweisen läßt, kann man ihnen Beihilfe zur Tötung oder gar zum Mord vorwerfen. Auch die Unterstützung völkerrechtswidriger Angriffshandlungen gegen einen fremden Staat, das kann nämlich strafrechtlich geahndet werden. Zumindest jetzt, wo die »Unschuld« der Regierung dahin ist, macht sie sich der Beihilfe schuldig, wenn sie nicht sofort alles unternimmt, diesem kriminellen Treiben ein Ende zu setzen.

Welche juristischen Möglichkeiten bieten sich jetzt an?

Zunächst müßte vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein Verfahren gegen die USA mit dem Ziel des Verzichts auf Drohneneinsätze von deutschem Boden aus beantragt werden. Vor diesem Gericht – nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof – können Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten ausgetragen werden. In diesem Fall müßte Deutschland gegen die USA klagen. Sie hat das ja schon einmal gemacht im Fall der Brüder LaGrand. 2001 entschied der Gerichtshof, daß die USA mit der Hinrichtung von Walter LaGrand gegen das Internationale Recht verstoßen habe.

Das ist die völkerrechtliche Ebene – welche Hebel bietet das nationale deutsche Recht, die Bundesregierung dazu zu zwingen, diesen Einsätzen ein Ende zu bereiten?

Sie erwähnten den Artikel 26, Grundgesetz. Auch wenn man ihn nur oberflächlich liest, wird einem klar, daß die Bundesregierung in diesem Fall Beihilfe zu einem internationalen Völkerrechtsverbrechen leistet, was auch nach deutschem Strafrecht strafbar ist.

Interview: Peter Wolter

*** Aus: junge Welt, Samstag, 1. Juni 2013


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