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"Wir haben einen langen, steinigen Weg vor uns"

Die Euro-Hawk-Drohne ist vorerst gescheitert – Aktionen gegen derartige Waffensysteme gehen aber weiter. Ein Gespräch mit Brunhild Müller-Reiß


Brunhild Müller-Reiß ist in der »Drohnen Kampagne« und beim »Friedensbüro Hannover« aktiv.

Die Aufklärungsdrohne vom Typ Euro-Hawk wird für das Verteidigungsministerium soeben zum Desaster – das Gerät bekommt keine Zulassung für den deutschen Luftraum, und der Verteidigungsminister Thomas de Maizière gerät arg ins Schleudern. Sie hatten gemeinsam mit anderen im Frühjahr eine Kampagne gegen den Drohnen-Kauf gestartet – jetzt ist das Ziel doch erreicht, oder?

Nein, ganz sicher nicht. Momentan herrscht öffentliche Empörung darüber, daß für die Drohne Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern verschwendet wurden. Uns geht es aber darum, wofür die Bundeswehr überhaupt Drohnen anschaffen will und was sie damit machen will. Drohnen erleichtern es, andere Menschen zu töten, weil sie das Risiko eigener Verluste beim Einsatz auf null senken. Bei Drohnen handelt sich um eine neue Etappe der Kriegsführung. Man sieht ja schon heute an ihrem Einsatz in Pakistan, wie die Hemmschwelle für militärische Interventionen gesenkt wird. Bei den Einsätzen in Pakistan kamen schon Tausende Zivilisten ums Leben.

Drohnen würden auch die deutsche Armee und die Bundesregierung dazu veranlassen, Einsätze schneller zu genehmigen. Und die Regierung wird trotz des aktuellen Rückschlags nicht lockerlassen. Drohnen wie der EuroHawk sind ein wichtiger Baustein in der Neuausrichtung der Bundeswehr. Das Thema wird uns daher noch lange beschäftigen, es wird künftig auch um bewaffnete Drohnen gehen.

Sie sagen, die Regierung werde weiter daran arbeiten, Drohnen zu beschaffen – was wollen Sie dagegen tun?

Die deutsche Bevölkerung ist gerade für das Drohnenthema empfänglich und interessiert. Das versuchen wir zu nutzen, um aufzuklären: Wir wollen zeigen, wie grausam Drohneneinsätze sind, wie sie die moralische Hemmschwelle für Interventionen schon jetzt herabsetzten und welche Gefahr von autonomen Drohnensystemen ausgeht. Diese Geräte können selbstständig Menschen töten – Computer entscheiden über Leben und Tod.

Wie ist denn die Resonanz auf Ihre Aktionen?

Wir stehen zwar erst am Anfang unserer Kampagne, bekommen aber überraschend viel Zuspruch. Mittlerweile haben wir schon über 6000 Unterschriften gegen die Beschaffung von Drohnen für die Bundeswehr gesammelt. Zur Zeit überlegen wir, welche Aktionen im Bundestagswahlkampf angebracht sein könnten,um das Drohnen-Thema weiter im Gespräch zu halten. Außerdem arbeiten wir an einer internationalen Vernetzung, denn militärische Drohnen sind ja nicht nur in Deutschland ein Problem.

Ob beim Afghanistan-Krieg oder bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter: Die ablehnende Haltung in der Bevölkerung scheint die Regierung wenig zu interessieren. Warum sollte das in diesem Fall anders sein?

Wenn der öffentliche Druck groß genug ist, werden sie gar nicht anders können als die Drohnenbeschaffung aufzugeben. Die ablehnende Haltung der deutschen Bevölkerung zu Drohnen, die in Umfragen ja auch immer wieder festgestellt wird, läßt sich aufgrund der Komplexität nur schwer darstellen – aber genau das wollen wir versuchen: mit unserer Unterschriftenliste, mit Aktionen an Ort und Stelle und natürlich auch mit Lobbying auf politischer Ebene. Wissen Sie, ich habe schon viele politische Kämpfe in meinem Leben geführt und sowohl einige gewonnen als auch einige verloren – ob wir die Drohnenbeschaffung der Bundeswehr verhindern können, weiß ich auch nicht. Aber wir werden es in jedem Fall versuchen. Sehr wichtig wäre es, eine internationale Ächtung von Drohnen zu erwirken, so wie es schon jetzt bei Streubomben, Landminen und anderen Waffen der Fall ist. So etwas wäre das endgültige Aus für den Drohnenkauf. Daher werden wir auch versuchen, in Zukunft verstärkt mit »Amnesty International« und »Human Rights Watch« zusammenzuarbeiten. Wir haben aber noch einen langen, steinigen Weg vor uns.

Weitere Informationen: www.drohnen-kampagne.de

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, Montag, 10. Juni 2013


Minister der Selbstverteidigung

De Maizière heute erneut vor dem Untersuchungsausschuß **

Die Linke will wegen der Drohnenaffäre einen Mißbilligungsantrag im Parlament gegen Verteidigungsminister Thomas de Maizière stellen. »Jetzt führt kein Weg mehr an einem Mißbilligungsantrag gegen de Maizière im Bundestag vorbei«, teilte Linken-Chef Bernd Riexinger am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa mit. »Wir werden darüber mit den anderen Oppositionsfraktionen reden müssen.« Ein Mißbilligungsantrag ist das stärkste Instrument der Opposition, um Kritik an einem Regierungsmitglied zu äußern. Es bleibt aber in der Regel folgenlos.

De Maizière selbst wehrte sich weiter gegen den Vorwurf, er habe früher Kenntnis von den Problemen mit der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« gehabt als bisher angegeben. Dem Focus sagte er, von Problemen mit der Flugzulassung der Drohne habe er durchaus gewußt. Gespräche auf dem Flur könnten aber keine offizielle Information ersetzen. Der Minister muß an diesem Montag erneut im Verteidigungsausschuß dazu aussagen, wann er was erfahren hat. Die Grünen wollen dann entscheiden, ob sie einen Untersuchungsausschuß beantragen.

Hochrangige Politiker von SPD und Grünen hatten am Wochenende den Rücktritt des Ministers gefordert. Das sei »nur noch eine Frage der Zeit«, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Bild am Sonntag. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Während de Maizière aus der Union Rückendeckung erhielt, rückte deren Koalitionspartner FDP von ihm ab. Generalsekretär Patrick Döring erklärte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: »Man muß von einem Bundesminister erwarten, daß er die politische Brisanz solcher Flurgerüchte richtig einschätzt und schnellstmöglich Klarheit von seinen Beamten verlangt.«

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, räumte unterdessen eine Mitverantwortung für das gescheiterte Projekt ein, das den Steuerzahler weit über eine halbe Milliarde Euro kostet. Bei der Beschaffung des »Euro Hawk« seien Fehler gemacht worden. »Und natürlich hätte ich, zusammen mit anderen, früher auf Fehlentwicklungen hinweisen müssen«, sagte er im Spiegel-Interview. Wenn de Maizière von personellen Konsequenzen rede, »dann gehöre ich natürlich zu dem Kreis derer, die damit gemeint sein könnten«.

** Aus: junge Welt, Montag, 10. Juni 2013


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