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Luftfahrzeuge mit "angepassten Wirkmitteln"

Bundeswehr bekommt Killerdrohnen – nach den Wahlen

Von René Heilig *

Das Bundeskabinett beriet gestern (29. Mai) über Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will trotz des Debakels mit der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk 16« andere Roboter, die bewaffnet sein können, anschaffen.

Das Thema kommt für de Maizière zur Unzeit. Dabei hat er selbst die Debatte ausgelöst. Im August 2012 bezeichnete der Minister die fliegenden Killerroboter als »ethisch neutrale Waffe«. Doch die Einführung solcher Drohnen sei noch nicht »entscheidungsrelevant«.

Was nicht stimmte, denn man hatte sehr klare Vorstellungen über den Drohneneinsatz. Geplant waren 22 sogenannte MALE Drohnen, von denen blieben nach Reformstreichungen 16 im Plan. Die stehen in der Liste sogenannter »Strukturrelevanter Hauptwaffensysteme der Streitkräfte«, die de Maizière dem Kabinett am 8. Mai vorgelegt hat.

Diese Angaben hat der Minister nun in seinen Antworten auf 39 Fragen der SPD-Bundestagsfraktion bestätigt. Fünf der 16 »unbemannten Luftfahrzeuge der MALE-Klasse« (man meidet den Begriff Drohnen neuerdings wie der Teufel das Weihwasser) sollen ab 2016 verfügbar sein. Man muss sehr aufpassen, um den folgenden, wesentlichen Satz nicht zu überlesen: »Die Möglichkeit einer optionellen Fähigkeit zur Wirkung aus der Luft soll einbezogen werden.« Es geht um Raketen und Bomben, die bodengebundene Bundeswehrpiloten demnächst nach US-Vorbild auf Menschen abfeuern oder abwerfen. Man spricht, wie dieser Tage auf einer Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, davon, die deutschen Flugroboter mit »kleinen, agilen und angepassten Wirkmitteln« auszustatten.

Offiziell heißt es jedoch aus dem Verteidigungsministerium: »Eine abschließende Entscheidung zur Beschaffung bewaffneter UAS ist von der Bundesregierung noch nicht getroffen worden.« Dieses Zögern ist nicht etwa der Tatsache geschuldet, dass sie, wie de Maizière richtig anmerkt, »einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte« bedarf. Man scheut klare Aussagen vor der Bundestagswahl. Und offensichtlich hat das Auswärtige Amt, dem die Kontrolle über die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts obliegt, noch keine Sprachregelung gefunden, die verschleiernd genug wäre. Zudem ist noch unklar, welcher Typ beschafft wird. In Rede stehen das erprobte US-Modell »Predator« oder ein Nachfolgetyp der als Afghanistan-Aufklärer geleasten israelischen Heron-Drohne. Am Rande geht es auch um Phantomgeräte des Rüstungskonzerns EADS.

Nötig ist die Abstimmung mit Verbündeten. Man hat mit Frankreich eine Zusammenarbeit vereinbart. In dieser Woche unterzeichnete de Maizière mit seiner niederländischen Kollegin Jeanine Hennis-Plasschaert ein Kooperationsabkommen, in dem man sich verpflichtet, denselben Typ zu kaufen und bei der Einsatzvorbereitung zusammen zu wirken.

SPD und Grüne laufen verhalten Sturm gegen de Maizières Pläne. Linksparteichef Bernd Riexinger fordert sogar dessen Rücktritt und will, dass »alle Rüstungsprojekte ergebnisoffen auf den Prüfstand« müssten. Vorstandskollegin Halina Wawzyniak setzt einen drauf und will »das Verbot jeglicher Rüstungsex- und -importe sowie den Produktionsstopp aller Sensenmannprodukte«.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 30. Mai 2013


Beschaffungskriminelle

De Maizière und Drohnen

Von Gesine Lötzsch **


Bei Beschaffungskriminalität denkt man üblicherweise an Zuhälter und Drogendealer, aber nicht an die Bundeswehr und schon gar nicht an den Verteidigungsminister. Doch was wir jetzt mit der Drohne »Euro Hawk« erleben, ist Beschaffungskriminalität im ganz großen Maßstab. Über 500 Millionen Euro hat der Minister schon in den Sand gesetzt. Konsequenzen gibt es bisher nicht. Die Kanzlerin hat ihm ihr Vertrauen ausgesprochen. Das aber ist ein schlechtes Zeichen. Wir erinnern uns an seinen Vorgänger, der auch lange das Vertrauen der Kanzlerin genoß.

Die anderen Parteien spielen jetzt im Bundestag mit Thomas de Maizière das beliebte Spiel: Wann hat der Minister was gewußt? Das führt in die Irre. Alle haben Bescheid gewußt. SPD und Grüne haben sogar den Auftrag für den Bau der Drohne gegeben. »Unmanned Combat Aerial Vehicles« (UCAV) sind fliegende Mordmaschinen. Sie wurden im sogenannten Antiterrorkampf von den USA eingesetzt, um Menschen gezielt zu töten. Das hat mit Recht und Gesetz nicht viel zu tun. Wir lehnen Drohnen nicht nur ab, weil sie viel Geld kosten, wir lehnen sie ab, weil sie unseren Vorstellungen von einem Rechtsstaat widersprechen. Warum stellt sich die Bundesregierung nicht die Frage, ob wir überhaupt Waffen im Antiterrorkampf brauchen.Dieser Kampf ist doch offensichtlich gescheitert und hat Tausenden Zivilisten das Leben gekostet.

Aber zurück zum Geld der Steuerzahler. Die Beschaffung von Waffensystemen ist nicht gerade eine Stärke der Bundeswehr. Es gibt kaum ein Rüstungsprojekt, das nicht finanziell aus dem Ruder gelaufen ist. Ich erinnere an den Eurofighter. Die Preisabweichung im Vergleich zur erstmaligen Veranschlagung lag 2009 bei 2,8 Milliarden Euro. Ich erinnere an den A400M. Bei Vertragsabschluß 2003 war die angenommene Gesamtsumme für das Transportflugzeug 8,1 Milliarden Euro. 2009 betrug die Differenz im Vergleich zu vorher 1,1 Milliarden Euro. Nun kann man sich fragen, ob die Generäle der Bundeswehr einfach nicht in der Lage sind, Rüstungsprojekte ordentlich zu planen und umzusetzen oder ob es andere Gründe gibt. Es muß andere Gründe geben. Soviel Dummheit traue ich der Bundeswehr nicht zu. Es geht offensichtlich nicht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, es geht um die Beschaffung von Aufträgen für die Rüstungsindustrie. Um dieses Kartell aus Politik, Bundeswehr und Rüstungsindustrie nicht zu stören, werden den Abgeordneten und dem Bundesrechungshof ständig Informationen vorenthalten. Die Linke will dieses Steuergelder verschlingende Kartell lieber heute als morgen auflösen. Diese staatlich geförderte Beschaffungskriminalität muß endlich aufgeklärt und beseitigt werden. Klar ist, de Maizière wird als einer der eifrigsten Lobbyisten der Rüstungsindustrie in die Geschichte eingehen.

** Die Autorin ist haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag

Aus: junge Welt, Freitag, 31. Mai 2013 (Gastkommentar)



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