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"Ganz schlechter Auftritt von de Maizière"

Untersuchungsausschuß zur Drohnen-Affäre beendet. SPD und Grüne nutzten ihn zu Wahlkampfklamauk. Gespräch mit Jan van Aken *


Jan van Aken ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei.


Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Mittwoch seinen großen Auftritt in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Affäre um die Beschaffung der Drohne »Euro Hawk«. Hat er sich aus der Affäre ziehen können, nachdem seine Staatssekretäre alle Verantwortung auf sich genommen haben?

Nein, es hat ihm nicht wirklich geholfen, daß sich sein alter Kumpel, Staatssekretär Stéphane Beemelmans, am Tag zuvor in Nibelungentreue geübt hat. De Maizière wußte seit langem, daß die Drohne keine Flugzulassung bekommen würde und hat den Bundestag nachweislich belogen.

Aber immerhin hat er eingeräumt, sich nicht klar genug ausgedrückt zu haben ...

Da räumt er ein bißchen wenig ein. Eigentlich hat er vor allem rumgeeiert, um seine alte, widerlegte Aussage doch noch zu retten, er habe nie ein Papier über die »Euro Hawk«-Probleme bekommen. Ganz schlechter Auftritt von ihm.

Es gibt noch andere Beschaffungsprobleme, für die de Maizière verantwortlich zeichnet – Stichwort: Transportflugzeug A400 ...

Das ist im Ausschuß überhaupt nicht zur Sprache gekommen, der Untersuchungsauftrag erstreckte sich ausschließlich auf das Drohnenprojekt.

Der Minister hat sich von der gesamten Opposition vorwerfen lassen müssen, daß er ein Lügenbold ist – was ja auch nachgewiesen wurde. Was muß noch alles geschehen, damit ein solcher Politiker seinen Hut nimmt?

Eigentlich muß gar nichts geschehen, es reicht schon. Das Problem ist allerdings, daß er nicht gehen muß, wenn seine Kanzlerin und die gesamte Koalition zu ihm hält. Jedenfalls eines ist klar: Der Lack ist ab.

Kann man schon überblicken, wie hoch der Gesamtschaden ist, den das Ministerium mit dieser Drohnenbeschaffung angerichtet hat?

Das kann man nur schätzen. Wahrscheinlich wird es ein Schaden von 500 bis 600 Millionen Euro sein. Und wir müssen befürchten, daß bald eine Übergangslösung vom Verteidigungsministerium beschafft wird. Die kostet dann noch einmal richtig Geld. Aber dagegen wird sich Die Linke mit aller Kraft wehren. Wir wollen, daß das Geld für Bildung und Soziales genutzt wird und nicht für eine Spionagedrohne!

Im Untersuchungsausschuß hatte man das ungute Gefühl, daß er letztlich auf ein Wahlkampftheater für SPD und Grüne hinauslief. Wie gingen beide Parteien damit um, daß die Beschaffung beschlossen wurde, als sie selbst an der Regierung und sie also die eigentlichen Urheber dieses Desasters waren?

Da scheint es eine totale Amnesie zu geben (lacht). Das kennen wir doch schon von Rot-Grün! Wer hat den Afghanistan-Einsatz beschlossen? Wer lieferte denn auch Waffen an Saudi-Arabien? SPD und Grüne. Würden sie es wieder an die Macht schaffen, würden sie es genauso weitertreiben wie früher. Nur eine starke Linke im Bundestag kann das verhindern!

Was haben Sie denn im Untersuchungsausschuß dazu gesagt?

Wir haben diesen Wahlkampfklamauk nicht mitgemacht, wir haben die Verantwortung von allen Seiten thematisiert – von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb. Und vor allem: Wir haben auch die Frage gestellt, was die Spionagedrohne überhaupt können und wozu sie eingesetzt werden soll.

Dazu hatten wir eine technische Analyse erstellt, aus der hervorgeht, daß der »Euro Hawk« ein gigantischer Datenstaubsauger ist. Er soll auch außerhalb der Bundeswehr von Polizei oder BND eingesetzt werden.

Beim Thema »Datenstaubsauger« fällt einem gleich der US-Geheimdienst NSA ein ...

Genau da sind wir. Wir haben in den Dokumenten Hinweise gefunden, daß die Verschlüsselungstechnik des »Euro Hawk« direkt bei der NSA gekauft wurde.

Der Untersuchungsauschuß hat seine Arbeit beendet – was geschieht mit dem Abschlußbericht?

Am 3. September kommt das Thema noch einmal in den Bundestag – das war’s dann. Wir werden mit Sicherheit einen eigenen Bericht oder ein Sondervotum zusätzlich zur offiziellen Stellungnahme des Ausschusses einbringen.

Wird der Ausschuß im neuen Bundestag wiederbelebt?

Wohl nicht.

Interview: Peter Wolter

* Aus: junge Welt, Freitag, 2. August 2013


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