Fünfzehn Jahre Verbot von Chemiewaffen
Bis alle C-Waffen vernichtet sind, wird noch viel Zeit vergehen
Von Wolfgang Kötter *
Im World Forum Convention Center von Den Haag geht es dieser Tage um Massenvernichtungswaffen, die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Spätestens nach 15 Jahren, so bestimmt es die am 29. April 1997 in Kraft getretene C-Waffen- Konvention, müssen alle Bestände an chemischen Waffen vernichtet sein. Der knapp 220-seitige Vertrag ist das bisher umfassendste und auch erfolgreichste Abrüstungsabkommen.
Chemiewaffenvernichtung mit Verzögerungen
Der Konvention, gehören gegenwärtig 188 Staaten an, nicht beigetreten sind Syrien, Ägypten, Somalia, Nordkorea und Angola. Das Abkommen verbietet nicht nur, Giftgase anzuwenden, sondern auch sie herzustellen oder zu besitzen, vorhandene Bestände müssen vernichtet werden. Ursprünglich sollte dies innerhalb von 10 Jahren geschehen, aber selbst mit der jetzt auslaufenden Fristenverlängerung konnte dieses Ziel bisher nicht erreicht werden und es verbleiben über 25 Prozent der ursprünglich über 71.000 Tonnen chemischer Waffen.
Sieben Staaten haben offiziell ihren Chemiewaffenbesitz erklärt. Zu den Anfangs gemeldeten Russland, USA, Indien und Südkorea kamen später noch Albanien, Irak und Libyen hinzu. Während Albanien, Indien und Südkorea ihre Bestände bereits vollständig beseitigt haben, sind Russland und die USA deutlich im Zeitverzug. Die meisten Chemiewaffenbestände Iraks wurden nach dem 2. Golfkrieg unter UN-Aufsicht zerstört, verblieben sind noch zwei Depots mit Altbeständen aus den 1980er Jahren. Laut OPCW sind die Bestände zwar "versiegelt und gut bewacht", ihr Abtransport und die Zerstörung seien aber unter den gegebenen Umständen zu unsicher. In Libyen war die Vernichtung der über 25 Tonnen gemeldeten Giftstoffe durch die Kämpfe des vergangenen Jahres ins Stocken geraten. Nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi waren sogar noch zwei weitere illegale Chemiewaffenlager entdeckt worden. Inzwischen haben aber die internationalen Inspektoren ihre Arbeit vor Ort wieder aufgenommen. Bei weiteren Ländern werden geheime Giftgasvorräte bzw. Waffenprogramme vermutet. Das renommierte Washingtoner Henry L. Stimson Center zählt dazu Ägypten, Äthiopien, China, Iran, Israel, Nordkorea, Myanmar, Pakistan, Serbien, Sudan, Syrien, Taiwan und Vietnam.
Ende vergangenen Jahres erklärten neben Libyen die Besitzer der größten C-Waffen-Arsenale – Russland und die USA – das sie auch die verlängerte Frist nicht einhalten werden. Russland besaß insgesamt 40.000 Tonnen, die Vereinigten Staaten etwa 31.500 Tonnen. Nachdem die Verbrennungsfabriken in Pine Bluff im Bundesstaat Arkansas und Tooele in Utah die Vernichtung der dort gelagerten Kampfstoffe beendet haben, nutzen die USA gegenwärtig Anlagen in Anniston/Alabama und Umatilla/Oregon. Hinzu kommen sollen weitere Entsorgungsanlagen in Blue Grass/Kentucky und Pueblo/Colorado. Rund 90 Prozent der CW-Vorräte sind zwar vernichtet, aber nach offiziellen Angaben wird die Beseitigung erst im Jahre 2023 vollendet sein. Russland hat nach eigenen Angaben etwas 65 Prozent seiner Waffenvorräte entsorgt, doch immer wieder verzögern fehlendes Geld und technische Probleme die Entsorgung. Offiziell wird als Endtermin das Jahr 2015 angegeben, Experten halten das jedoch für unrealistisch, zumal wegen der Finanzkrise die laufenden Ausgaben sogar gekürzt wurden. Finanzielle Unterstützung erhält Moskau von den USA, Deutschland, Kanada, Großbritannien und der Europäischen Union. Aktive und zielgerichtete Hilfe leisten auch die Schweiz, die Niederlande und Frankreich. Nachdem die Anlagen in Gorny in der Region Saratow und im udmurtischen Kambarka ihre Arbeit beendet haben, sind gegenwärtig Vernichtungseinrichtungen in Maradikowsky bei Kirow, in Schuchije im Kurgan-Gebiet und in Leonidowka im Pensa-Gebiet in Betrieb. Eine Beseitigungsfabrik in Potschep bei Brjansk hat ihre Arbeit aufgenommen und eine weitere entsteht im östlich des Urals gelegenen Kisner.