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Bundeswehr steckt im Mandatsstau

Am heutigen Mittwoch befasst sich das Bundeskabinett mit der Verlängerung von Militäreinsätzen. Zweifellos wird die Parlamentsmehrheit sie abnicken. Dennoch: Es eilt.

Von René Heilig *

Auf der Themenliste der 2. Sitzung der Bundesregierung steht zunächst die Einsetzung eines Ausschusses, der sich mit den besonders von der CSU herbeigeredeten Problemen bei der »Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten« befasst. Kurzum, Staatssekretäre sollen prüfen, ob und wie man Rumänen und Bulgaren – und in der Folge auch anderen EU-Bürgern – bestehende Rechte und Sozialleistungen absprechen kann.

Deutschland hat nichts zu verschenken, hört man. Doch das gilt offenbar nicht bei den in der gleichen Sitzung zu behandelnden Mandatsverlängerungen für Einsätze der Bundeswehr. Insgesamt beteiligen sich deutsche Soldaten derzeit an elf Auslandseinsätzen. Durch die langwierige Regierungsbildung und die Feiertage hat sich ein Stau von Mandaten gebildet, die abgenickt werden wollen. Beispiel: Active Fence Turkey.

Bis zum 31. Januar ist der Einsatz der Patriot-Flugabwehrstaffeln im Süden der Türkei befristet. Wenn der Bundestag also der Verlängerung zustimmen soll – und davon gehen alle drei Koalitionsparteien aus – ist Eile geboten. Zwar wird vor allem die Linksfraktion dagegen wettern, doch da durch die Einigung über die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ein Angriff der USA unwahrscheinlich geworden ist, schwindet auch die Gefahr, dass die deutschen Raketenbatterien und damit Deutschland in einen Krieg hineingezogen werden könnten. Warum die Soldaten allerdings überhaupt in der Türkei bleiben müssen, wird weder von der Union noch von der SPD öffentlich hinterfragt.

So hält man es auch mit der Operation Active Endeavour (OAE). Der Einsatz basiert auf dem nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington ausgerufenen NATO-Bündnisfall. Absurd – aber er gilt noch immer. Das Mandat für die Bundeswehr bei der Überwachungsmission im Mittelmeer ist Ende vergangenen Jahres ausgelaufen. Das war kaum bemerkt worden, denn schon seit längerem beteiligen sich die Deutsche Marine sowie mit Deutschen bemannte AWACS-Flugzeuge nur noch sporadisch an ihr. Man nutzt temporär deutsche Kriegsschiffe, die auf dem Weg zum EU-Antipiraterie-Einsatz am Horn von Afrika oder zur UNIFIL-Operation vor Libanon sind. Es steht zu vermuten, dass die Begründung zur Verlängerung des OAE-Mandats neu geschrieben werden muss.

Auch das ISAF-Mandat in Afghanistan läuft nur noch bis Ende Februar. Es müsste zumindest um ein Jahr verlängert werden. Dann soll ISAF von der neue Operation Resolute Support ersetzt werden. Doch wie die gestaltet werden kann, ist derzeit so unbekannt wie der Medaillenspiegel von Sotschi.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 8. Januar 2014


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