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Plaudern mit der Bundeswehr

Ob im Chat oder per Post – Rekrutenwerbung ist ein harter Job

Von René Heilig *

Offiziell ist das Verteidigungsministerium zufrieden mit dem Interesse junger Menschen am freiwilligen Wehrdienst. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte nach dem Aussetzen der Wehrpflicht im Juli 2011 als jährliches Ziel 5000 bis 12 500 Freiwillige ausgegeben.

Früher war alles einfacher. Brauchte man Kanonenfutter für den Krieg, so schickten Majestät einfach seine Webel aus. Die fuhren über Land, luden junge Kerle in die Schenken ein, um sie dann sturzbetrunken auf den Karren zu werfen. Am nächsten Morgen trug dann ihre Beute bereits des Kaisers bunten Rock.

Vorbei. Heute muss man mehr investieren als ein paar Becher Wein. Und ohne Chat geht gar nichts mehr. Ist der anonym, so muss ein jeder, der sich darin tummelt, mit der Lüge leben können. Die fängt bereits bei der Aufmachung von Bundeswehr-Karriere an. Gezeigt wird eine junge nette Feldwebelin – Chatpartner ist ein Beamter des Karrierecenter München.

Doch nicht alles, was er tippt, ist fern der Realität. So versucht er gar nicht erst, die Grundausbildung schön zu reden, schließlich müsse man auf die »spätere Tätigkeit als Soldat und die Auslandseinsätze vorbereiten«. Auslandseinsätze? Das Stichwort gibt Anlass zum weiteren Dialog. Muss man ins Ausland, als Soldat? Man müsse »auf jeden Fall damit rechnen«. Den Einwand, Afghanistan sei doch gefährlich, lässt der Beamte gelten, wie viele deutsche Soldaten da schon umgekommen sind, kann er jedoch »nicht genau sagen«. Doch er beeilt sich zu versichern, dass man Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung habe und es ein Einsatzweiterverwendungsgesetz gebe, wenn man nicht mehr dienstfähig ist. Nicht dienstfähig kann auch heißen ... Tot? Die Antwort kommt sofort: Man sei »auch dann finanziell versorgt«. Gut zu wissen, vielen Dank!

In einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestags-Linksfraktion hat nun die Bundeswehr ein wenig über ihre Werbestrategie verraten.

2012 hatte die Bundeswehr eine durchschnittliche Personalstärke von 55 462 Berufssoldatinnen und -soldaten, 126 894 Soldaten auf Zeit und 15 551 Freiwilligen Wehrdienst Leistenden. Nachschub ist erforderlich – und so, als wäre die Wehrpflicht nie ausgesetzt worden, schicken die Meldebehörden daher die Namen und Adressen sämtlicher möglichen Rekruten an das Bundesamt für Wehrverwaltung. 2012 beispielsweise waren das die Datensätze von 720 000 jungen Männern und Frauen. Und genau so viele Personen wurden von der Bundeswehr mit Post bedacht. »Planen Sie zur Zeit Ihren weiteren beruflichen Lebensweg?«, fragt da einer »der größten Arbeitgeber Deutschlands«.

Wie viele der Adressaten da noch minderjährig waren, kann man nicht so genau sagen. Dafür kann man die Kosten dieser Werbeaktion beziffern: Der Druck der Anschreiben und Flyer lag 2012 bei »ca. 45 000 Euro«. Für das Porto gab die Truppe 250 000 Euro aus. Das Controlling scheint nicht gar so ausgeprägt zu sein, denn wie erfolgreich diese Briefaktion ist, lasse sich nicht beschreiben. Wohl aber weiß man, wie viele junge Leute den freiwilligen Wehrdienst trotz unterzeichneter Verpflichtungserklärung nicht angetreten haben. Zwischen Januar 2012 und April 2013 waren es exakt 406. Der April 2013 brachte den Spitzenwert von 150 »Drückebergern«.

Den Dienst tatsächlich angetreten haben zu diesem Zeitpunkt 572 Männer und 43 Frauen. 29 von ihnen waren erst 17 Jahre alt. Das Mindestalter von 17 Jahren, so wird an anderer Stelle erklärt, sei durch das UN-Kinderschutzabkommen vorgegeben, das von Deutschland ratifiziert worden ist.

Auch die Kosten für einen freiwilligen Wehrdienstleistenden werden aufgeschlüsselt. Die liegen in diesem Jahr bei 21 760 Euro. Soldatinnen und Soldaten auf Zeit sind etwas teurer im Unterhalt. Sie nötigen dem Bundeswehretat pro Kopf und Jahr 26 295 Euro ab. Auslandszulagen und ähnliche Wohltaten sind natürlich extra. Aber Dank Chat wissen wir ja: Versorgt ist man in jedem Fall.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. Juli 2013

Hier geht es zur Antwort auf die Kleine Anfrage:

Umsetzung des Freiwilligen Wehrdienstes in den Jahren 2012 und 2013
25. 06. 2013 (BT-Drucksache 17/14082) [externer Link]




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