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Kriegsverbrecher in Mittenwald?

Traditionsverein der Gebirgsjäger will von der Vergangenheit seiner Mitglieder nichts wissen und klagt gegen einen Journalisten

Von Fabian Lambeck *

Ein soldatischer Traditionsverein will einen Journalisten vor Gericht zerren, der in einer Pressemitteilung behauptete, Mitglieder des Vereins seien in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen.

Der Kameradenkreis Gebirgstruppe »bekennt sich zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat«, so steht es in seiner Satzung nachzulesen. Manchmal bedient man sich des Rechtsstaates, um unliebsame Kritiker mundtot zu machen -- so wie Ulrich Sander. Dem Journalisten ist es gerichtlich untersagt, öffentlich zu behaupten, dass es sich bei der alljährlichen Pfingstfeier des Kameradenkreises um ein Treffen von Kriegsverbrechern handele. Dabei wurde die Feier der Kameraden am Hohen Brendten bei Mittenwald tatsächlich von verurteilten oder mutmaßlichen Kriegsverbrechern besucht. Denn das oberbayerische Mittenwald ist ein Traditionsstandort. Bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Ort zum Ausbildungszentrum der Wehrmachts-Gebirgstruppe. Nach dem Krieg gründete sich der Kameradenkreis, um »die Tradition der Gebirgstruppe zu wahren«.

Wohl deshalb ernannte man den ehemaligen General Hubert Lanz zum Ehrenvorsitzenden. Erst kurz vor seiner Ernennung hatte man den General aus dem Gefängnis entlassen. Dort saß Lanz als verurteilter Kriegsverbrecher. Da er 1943 als Befehlshaber der Gebirgsjäger ein Massaker an italienischen Soldaten zu verantworten hatte. Bei diesem Blutbad auf der griechischen Insel Kefalonia kamen schätzungsweise 5200 Italiener ums Leben. Viele der ehemaligen Verbündeten wurden nach ihrer Gefangennahme von deutschen Soldaten hingerichtet. Trotz der Tatsache, dass viele Gebirgsjäger in dieses und andere Massaker des Zweiten Weltkriegs verwickelt waren, hält man in Mittenwald an »Traditionen« fest.

Dabei spielt das alljährliche Pfingsttreffen des Kameradenkreises am Hohen Brendten eine große Rolle. Auf dem Berg steht das »Ehrenmal für die Gefallenen Soldaten der Gebirgstruppe«. Seit 2002 werden diese Totengedenken regelmäßig durch antifaschistische Gegendemonstranten gestört. Das schmeckte dem Mittenwalder Tourismus-Direktor Klaus Ronge gar nicht. Wie der »Münchener Merkur« bereits im Januar 2006 meldete, fürchtete er »negative Schlagzeilen« durch »die Störaktionen der sogenannten Brendtengegner«. Aufgrund des öffentlichen Drucks verlegte man das Treffen in diesem Jahr erstmals auf einen früheren Zeitpunkt. Die Kameraden nahmen dies zähneknirschend hin, sannen aber offensichtlich auf Vergeltung für diese Schmach. Die Gelegenheit bot sich nur kurze Zeit später. Im Juni veröffentlichte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) eine Mitteilung. Verantwortlich war der Journalist Ulrich Sander, der auch als Landessprecher des VVN/BdA Nordrhein-Westfalen tätig ist. In dieser Erklärung war von einem »Kriegsverbrechertreffen« in Mittenwald die Rede. Das war zu viel -- die Kameraden bemühten daraufhin die Justiz. »Mittlerweile liegt dem Gericht Nürnberg-Fürth auch eine Widerrufs-Klage vor. Ich soll also gezwungen werden, meine Äußerungen über die Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger zurückzunehmen.« Doch Sander will es auf einen Prozess ankommen lassen.

»Im letzten Jahr kam auch der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Josef Scheungraber nach Mittenwald«, erinnert sich Sander. Er dürfte nicht der Einzige gewesen sein. »Allein in Italien wurden 196 ehemalige Gebirgsjäger angeklagt, von denen man 25 tatsächlich verurteilte«. erklärt Sander. Doch bevor man in Deutschland einen der alten Kameraden zur Rechenschaft zieht, wird wohl eher Ulrich Sander verurteilt werden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. August 2008


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