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Global einsatzbereit?

Nach Meinung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière gibt es grundsätzlich keine Regionen, in denen deutsche Soldaten nichts zu suchen haben

Von Claudia Wangerin *

Nach Meinung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière gibt es grundsätzlich keine Regionen, in denen deutsche Soldaten nichts zu suchen haben. Dies bekannte der CDU-Politiker am Wochenende gegenüber dem Radiosender MDR Info. Die Frage nach den nationalen Interessen eines Militäreinsatzes sei legitim, sagte de Maizière »Aber die Wahrnehmung internationaler Verantwortung ist etwas, was mit unseren wohlverstandenen Interessen als wichtiges Land in der Welt zu tun hat, nicht mit unmittelbar eigensüchtigen nationalen Interessen.« Die unfreiwillige Relativierung folgte auf dem Fuß: »Ein wesentlicher Teil unseres Wohlstands beruht auf dem Umgang mit der Welt«, so der Minister. Er sei Bundespräsident Joachim Gauck sehr dankbar, daß dieser eine stärkere gesellschaftliche Debatte über die Ausweitung der Militäreinsätze angestoßen habe. Gemeint war Gaucks Lobrede auf die »Mut-Bürger in Uniform« vom 12. Juni und seine Aufforderung, für Deutschland auch sein Leben zu geben.

De Maizière hatte seine Anwesenheit beim öffentlichen Beförderungsappell für 573 Bundeswehrsoldaten am Freitag nachmittag in München wegen anderer Verpflichtungen absagen müssen, ebenso Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Anstelle de Maiziéres erhob dessen Staatssekretär Stéphane Beemelmans die Offiziersanwärter in den Rang von Leutnants. Vorher mußten sie auf dem Weg vom ökumenischen Gottesdienst in der Theatinerkirche zur eigentlichen Zeremonie im Hofgarten an rund 200 Kriegsgegnern vorbei, die sich unter dem Motto »Kein Werben fürs Sterben« auf dem Odeonsplatz versammelt hatten. »Denkt nicht nur an die Beförderung, denkt auch an die Rückbeförderung – im Zinksarg«, mahnte ein Kundgebungsredner. Vor den Feldherrenhalle hatten die Aktivisten ein Transparent mit dem Tucholsky-Zitat »Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg« aufgespannt.

Daß die Nachwuchsoffiziere nicht wie geplant am berüchtigten Kriegerdenkmal mit dem Schriftzug »Sie werden auferstehen« zur Beförderung angetreten waren, sondern in einigen Metern Entfernung, verbuchten die Friedensfreunde als Teilerfolg. Grünen-Stadtrat Siegfried Benker hatte die Bundeswehruniversität München in einem offenen Brief aufgefordert, die Zeremonie nicht im Zentrum der Stadt, sondern auf ihrem eigenen Gelände in Neubiberg durchzuführen. Auf dem Odeonsplatz erinnerte Benker an das Bundeswehrgelöbnis im Sommer 2009 auf dem Münchner Marienplatz und an das von Deutschen verantwortete Massaker im afghanischen Kundus im darauf folgenden Herbst. Danach seien öffentliche Militärspektakel in München zunächst »nicht mehr angesagt« gewesen. Linke-Stadträtin Brigitte Wolf sprach sich gegen die Militariserung des öffentlichen Raums sowie Produktion und Export von Rüstungsgütern aus. Ver.di-Sekretärin Hedwig Krimmer begründete die Teilnahme von Gewerkschaftern an der Protestaktion mit den schwersten Beeinträchtigungen, die die arbeitende Bevölkerung im letzten Jahrhundert erlebt habe – den beiden Weltkriegen. Krimmer war zuvor in der Maske von Bundeskanzlerin Angela Merkel erschienen – an der Seite eines Doubles von Bundespräsident Gauck. Neben einem als Pfarrer verkleideten Aktivisten war der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner im Tarnanzug aufmarschiert. Die zu befördernden echten Soldaten – davon rund 80 Soldatinnen – trugen ihre Ausgehuniformen. Der Hofgarten war mit Absperrgittern gesichert, Polizisten kontrollierten die Taschen von Passanten. Während des Appells hielten nicht alle Nachwuchsoffiziere der prallen Sommersonne stand – mehrere erlitten Schwächeanfälle. »Besser sie fallen hier um als in Afghanistan«, kommentierte ein Kriegsgegner.

* Aus: junge Welt, Montag, 2. Juli 2012

Originalton de Maizière

Wir reden gerne über Menschenrechte in aller Welt und deswegen ist es auch Teil unserer Rolle in der Welt als eine Führungsmacht in Europa, internationale Verantwortung wahrnehmen zu können. Zu können, nicht zu müssen! Wir müssen das und wollen das souverän entscheiden, aber wir können nicht einfach sagen: "Wir haben da nichts zu suchen, sollen doch mal die Polen und Australier die Kohlen aus dem Feuer holen. Diese Zeiten sind lange nach 1990 längst vorbei.

Richtet ein militärischer Einsatz mehr Schaden als Nutzen an. Was sind die indirekten Folgen? Wie hoch sind die Kosten - an Geld und Blut? Wer macht mit aus der region? Haben wir die richtige Ausrüstung? Sind wir durch andere Einsätze zu belastet? Haben wir Kapazitäten frei?

Syrien stellt sich diese Frage zur Zeit nicht. Wir sind weit weg von irgendeiner Form von UNO-resolution und ich warne vor Spekulationen über militärische Einsätze. Dafür ist das Thema zu ernst, dass wir dort voreilige Debatten führen.

Quelle: MDR Info, Exklusiv-Interview mit Verteidigungsminister de Maizière (podcast)




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