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Straffer und schlagkräftiger

De Maizière stellt Bundeswehrreform vor: Berufsarmee mit effizienten Befehlsstrukturen *

Der Fahrplan für einen Radikalumbau der Bundeswehr steht. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stellte am Mittwoch in Berlin die Eckpunkte für die Reform öffentlich vor, nachdem das Kabinett das Vorhaben gebilligt hatte. Die Truppenstärke soll von derzeit gut 220000 auf etwa 175000 reduziert werden. Auch die Zahl der Zivilbeschäftigten soll deutlich schrumpfen.

Ziel ist es, die Streitkräfte durch straffere Strukturen und weniger Bürokratie international schlagkräftiger zu machen.

Die Reform soll in sechs bis acht Jahren umgesetzt werden, der Großteil aber schon in den kommenden zwei Jahren. Nachdem die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli feststeht, wird die Bundeswehr künftig zur Freiwilligenarmee mit 170000 Berufs- und Zeitsoldaten und mindestens 5000 freiwillig Wehrdienstleistenden. Die Zahl der Soldaten im Wehrdienst kann den Eckpunkten zufolge auf bis zu 15000 gesteigert werden, was allerdings unwahrscheinlich ist, da die Rekrutierung Freiwilliger als schwierig gilt.

Künftig sollen rund 10000 Soldaten zudem »zeitgleich durchhaltefähig für Einsätze verfügbar sein«, heißt es weiter. Derzeit sind knapp 7000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Der Generalinspekteur – ranghöchster Soldat der Bundeswehr und ihr höchster militärischer Repräsentant – wird zudem künftig der Vorgesetzte aller Soldaten sein. Er bleibt aber einem Staatssekretär unterstellt. Generalinspekteur ist derzeit Volker Wieker. Im Ministerium soll die Zahl der Mitarbeiter von 3500 auf künftig rund 2000 sinken. Der Personalabbau bei Zivilisten und Militärs soll sich laut Eckpunktepapier auf »alle Hierarchieebenen« erstrecken. Über die Standorte wird den Angaben nach im Herbst entschieden. Es gilt jedoch als sicher, daß zahlreiche Kasernen geschlossen werden. Auch künftig sollen jährlich 5,1 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben werden. (dapd/jW)

* Aus: junge Welt, 19. Mai 2011


Minister erklärt Krieg

Von Christine Buchholz **

Zwei Kriege wie den in Afghanistan soll die Bundeswehr gleichzeitig führen können. Und sich an bis zu sechs kleineren Einsätzen beteiligen. Bei dieser vom Verteidigungsminister am Mittwoch vorgestellten Zielsetzung ist es kein Wunder, daß Einsparungen bei der Bundeswehr nicht zu erwarten sind, sondern statt dessen mehr nationales Pathos und mehr Werbung für die Bundeswehr.

» Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen«, sagte Thomas de Maizière. »Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.« Zu den »Bedrohungen«, die eine »Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand« darstellen, gehöre auch die »Rohstoffknappheit« und die Unsicherheit der Handelswege. Wegen solcher Aussagen mußte letztes Jahr noch ein Bundespräsident zurücktreten.

Der Inhalt mag nicht überraschen, sind sie doch weitgehend identisch mit Richtlinien und Weißbüchern seit 1992. Aber die Offenheit im Ton, der fast drohende Charakter und das nationalistische Pathos, mit dem die Punkte vorgetragen wurden, stellen eine neue Qualität dar. »Heute müssen unsere Soldaten kämpfen können, um erfolgreich zu sein, um nicht sterben zu müssen«, machte der Minister den Unterschied zur Zeit des Kalten Krieges klar.

Ohne Pathos kommt de Maizière nicht aus, weil die Bundeswehr ein Problem hat: Ihr fehlt es an Freiwilligen, die bereit sind, für »deutsche Interessen« in aller Welt Krieg zu führen. Die Aussetzung der Wehrpflicht hat dieses Problem verschärft. Rund ein Drittel der Zeit- und Berufssoldaten und alle freiwillig länger Dienenden rekrutierten sich in der Vergangenheit aus den Reihen der Wehrpflichtigen. Gerade diese Freiwilligen füllen die Reihen der Mannschaftsdienstgrade im Auslandseinsatz, zu dem sie verpflichtet sind. Sie bilden das Kanonenfutter der neuen Kriege. Und sie kommen hauptsächlich aus dem Reservoir der arbeits- und perspektivlosen jungen Menschen. Über die Hälfte der Mannschaftsdienstgrade in Auslandseinsätzen kommen aus dem strukturschwachen Osten.

»Finanzielle Anreize sind wichtig, ebenso attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen«, weiß der Minister. » Aber selbst das alles reicht nicht aus: Einer guten Sache zu dienen, Verantwortung zu übernehmen, im Team Erfolg zu haben, vielleicht auch den Reiz des Besonderen zu erfahren, selbst einen Dienst zu tun, sich selbst einen Dienst zu erweisen und unserem Land zu dienen – das muß als Motivation hinzukommen, um ein guter Soldat werden zu wollen und ein guter Soldat zu sein.«

In diesem Sinne werden wir uns wohl auf eine nationalistische Propagandawelle einstellen müssen. Auf die Unterstützung von SPD und Grünen kann de Maizère dabei bauen.

** Christine Buchholz sitzt für Die Linke im Verteidigungsausschuß des Bundestages

Aus: junge Welt, 19. Mai 2011 (Gastkommentar)



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