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Der Bund, der ist kein Ponyhof

Bundeswehr in Aktion: KSK sammelte Talibanführer ein, Führung beriet in Strausberg

Von René Heilig *

So wünscht sich die Regierung ihre reformierte Bundeswehr: modern, jederzeit einsatzbereit, zupackend und loyal. Die Wirklichkeit ist anders.

Die Meldung kam wie bestellt, während die Herren (samt weniger Damen), die an der zweitägigen Bundeswehrtagung in Strausberg teilnahmen, beim Frühstück saßen. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr hat – assistiert von einheimischen Getreuen – einen der meistgesuchten Taliban-Führer in Nordafghanistan festgenommen. Es handelt sich um den »Schattengouverneur « der Provinz Kundus, Mullah Abdul Rahman.

Bereits am vergangenen Freitag war nächtens ein CH-53-Hubschrauber nahe der Ortschaft Ghunday Kalay gelandet. Die Elitekämpfer überraschten Rahman und einen weiteren Talibankommandeur. Widerstand gab es nicht. Die beiden wurden in die afghanische Hauptstadt Kabul geflogen und den Behörden übergeben. Die Taliban allerdings dementieren: »Kein Individuum namens Mullah Abdul Rahman ist in Kundus festgenommen worden«, so ihr Sprecher Sabihullah Mudschahid.

Auf der Liste

Die NATO und insbesondere die Bundeswehr hatten Rahman schon lange auf dem Zettel, der in Afghanistan die Abkürzung JPEL trägt. Auf dieser »Joint Prioritized Effects List« hat man die Top- Typen der Gegenseite vermerkt, die gefasst oder getötet werden sollen. Rahman hat sich den Listenplatz unter anderem »erkauft« durch die logistische Vorbereitung des Überfalls auf zwei Tanklaster, der in seiner Folge den Namen Georg Klein weltbekannt machte. Der deutsche Bundeswehroberst, der ab dem kommenden Jahr einen Generalsstern tragen wird, hatte die beiden im Kundusstrom festgefahrenen Fahrzeuge – wider alle Regeln – bombardieren lassen. Bis zu 140 Menschen, zumeist Zivilisten, kamen in dem Feuerball um. Daher ist es nicht sicher, ob das deutsche Militär viel »Freude« an den Aussagen des gefangenen Gegners haben wird.

Beratungen wie die gestern in Strausberg beendeten, hießen früher »Kommandeurtagung«, doch mangels Verbänden – und damit von Kommandeuren – hat man die strategischen Befehlsausgaben zur Bundeswehrtagung umbenannt. Dass es nicht mehr so viele Befehlsgeber gibt, ist eine positive Wirkung der Bundeswehrreform. Die, so hat es die Kanzlerin am Montag vor den Uniformträgern gesagt, sei eine Aufgabe für die gesamte Bundesregierung und das ganze Parlament. Das klingt banal, aber vielleicht wollte Angela Merkel damit ja auch nur sagen, dass sie den Verteidigungsminister (noch) nicht allein im Regen stehen lässt, weil es mit dem Reformieren nicht so läuft wie versprochen. Beispielsweise gibt es nicht nur weniger »Häuptlinge«, sondern entschieden zu wenige »Indianer«. Der Umstieg zur Freiwilligenarmee bereitet zunehmend Probleme. Offensichtlich zieht die Werbung mit den strahlenden Jetpiloten und lachenden Oberstabsärztinnen nicht genügend künftige Panzergrenadiere an.

Unter Druck

»Wir sollten bei der Nachwuchsgewinnung und im Auftreten nach außen über den Soldatenberuf Illusionen vermeiden, wir sollten nicht so tun, als könne die Bundeswehr ein Leben wie auf einem Ponyhof bieten. Der Dienst in der Bundeswehr ist hart, unbequem, zuweilen gefährlich«, sagte Minister Thomas de Maizière (CDU) daher am Montag auf der Strausberger Tagung.

Im Jahr 2011 haben sich rund 31 000 junge Männer und Frauen beim Bund beworben. Bis zum August 2012 waren es nur 8500. Das würde noch halbwegs ausreichen, wenn die Abbrecherquote nicht bei 27 Prozent liegen würde. Doch die Probleme liegen nicht nur im Personalbereich.

Insgesamt wird es also nicht ganz so einfach, die sieben Forderungen zu erfüllen, die de Maizière der Truppe stellte. 1. Sie soll der Politik ein breites Spektrum an Fähigkeiten und damit Handlungsoptionen bieten. 2. Sie soll personell und materiell einsatzorientiert, einsatzfähig und einsatzbereit sein. 3. Die Bundeswehr soll in Strukturen und Verfahren so effektiv wie effizient sein. 4. Der Minister betonte, dass die Truppe demografiefest mit ausgewogener Struktur sein müsse. 5. Er sprach die nachhaltige Finanzierung an, um dann 6. eine feste Verankerung in der Gesellschaft und 7. Kameradschaft allerorten zu fordern. Eine Heimat solle die Truppe ihren Angehörgen sein. Und dazu könnte ein Teil der Soldaten sich schon bald wieder fern der Heimat beweisen – in Mali. Die Kanzlerin war da ziemlich unmissverständlich.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 24. Oktober 2012


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