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Psychologische Amtshilfe

Zahl der Inlandseinsätze der Bundeswehr 2009 erneut gestiegen

Von Frank Brendle *

Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr so häufig »Amtshilfe« geleistet wie nie zuvor. Mit 44 derartigen Inlandstätigkeiten ist, zumindest soweit die Statistik angibt, der absolute Rekordwert erreicht. In den Jahren 1996 bis 1999 hatte noch jeweils eine Amtshilfemaßnahme ausgereicht. 2007 waren es bereits 16, ein Jahr darauf 31 solcher Einsätze. Die Zahlen teilte am Montag (22. Feb.) die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, mit, die sich regelmäßig in Kleinen Anfragen danach erkundigt.

Jelpke stellt nicht nur einen zahlenmäßigen Zuwachs fest, sondern auch eine qualitative Veränderung: Zunehmend werde das Militär als Hilfspolizei eingesetzt. Kein Großereignis - seien es große Sportveranstaltungen, Staatsbesuche oder Gipfel inklusive Gegendemonstrationen - gehe heute noch ohne Bundeswehr über die Bühne. Im letzten Quartal des Vorjahres hat die Bundeswehr beispielsweise im Auftrag der Polizei die »Überwachung des Luftraums« sowohl beim Münchner Oktoberfest als auch bei einer Veranstaltung aus Anlaß des 1000jährigen Domjubiliäums in Mainz durchgeführt. Daten verdächtiger Luftfahrzeuge hätten dabei an die Polizei übermittelt werden sollen.

Das Grundgesetz erlaubt prinzipiell Amtshilfe zwischen Behörden des Bundes und der Länder bzw. Kommunen. Allerdings darf die Bundeswehr dabei, außer bei Naturkatastrophen, keine polizeilichen Maßnahmen ergreifen, die die Grundrechte von Bürgern tangieren. Dennoch hat das Innenministerium Schleswig-Holstein schon im Juli vorigen Jahres darum gebeten, die Bundeswehr möge prüfen, ob sie Sondereinsatzkräfte der Landespolizei »bei zeitkritischen Einsatzlagen« durch Militärhubschrauber auf vorgelagerte Inseln transportieren kann, damit die Polizisten dort »polizeiliche Lagen« bewältigen können. Der Antrag wird gegenwärtig im Verteidigungsministerium geprüft. Zuletzt hatte die Bundeswehr anläßlich der Neonazidemonstration in Dresden sowie der antifaschistischen Gegendemo Unterkünfte für die Bundespolizei zur Verfügung gestellt.

Der rasante Zuwachs der »Amtshilfemaßnahmen« dürfte auch eine Folge der sogenannten Zivil-Militärischen Zusammenarbeit sein. Seit 2006 sind bundesweit in Rathäusern und Regierungspräsidien Beauftragte der Bundeswehr vertreten, die den Kommunen - eigentlich nur in Krisensituationen - »Hilfsangebote« der Bundeswehr vermitteln sollen. Davon wird offenbar immer großzügiger Gebrauch gemacht. Zweimal im letzten Quartal sind die Militärs zudem zum Feuerlöschen ausgerückt, was darauf hinweist, daß bei Feuerwehren gespart wird. Jelpke sieht dabei keine Sachzwänge am Werk, sondern eine politische Strategie: Soldaten sollten als vermeintlicher Freund und Helfer im Inland etabliert werden. »Letztlich läuft das darauf hinaus, Inlandseinsätze psychologisch vorzubereiten«, so die Abgeordnete.

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2010


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