Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die Bundeswehr der Zukunft:

Mit aggressiven Konzepten und hochmodernen Waffen in weltweite Einsätze

Von Lühr Henken*

Als sich am 1. Juli 1991 der Warschauer Pakt auflöste, dachte die NATO nicht im Entferntesten daran dem nachzueifern. Im Gegenteil: Auf ihrem Gipfel in Rom am 8. 11. 91 verabschiedete sie ein wegweisendes neues strategisches Konzept. Seine wesentlichen Inhalte: Erweiterung des NATO-Einsatzgebiets auf außerhalb des Bündnisgebiets („out of area“) und die Empfehlung an die Mitgliedsstaaten, „Sofort- und Schnellreaktionskräfte“ zur militärischen Bekämpfung von „Risiken und Instabilitäten“ aufzubauen.

Für Deutschland tauchte im „Stoltenbergpapier“ im Januar 1992 in Umsetzung dieses neuen Konzepts erstmals der Aufbau von „Krisenreaktionskräften“ (KRK) der Bundeswehr auf. Verbindlich wurde dies durch die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR), die Stoltenbergs Nachfolger im Amt, Volker Rühe, im November 1992 erließ.

Die Richtlinien legen als „deutsche vitale Sicherheitsinteressen” u.a. „die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt [...]” fest. (Pkt. 8.8) Mit anderen Worten: Deutsches Militär wird umstrukturiert, um es für deutsche wirtschaftliche Interessen einsetzen zu können.

Die VPR formulieren klar einen machtpolitischen Anspruch: „Wenn die internationale Rechtsordnung gebrochen wird oder der Frieden gefährdet ist, muß Deutschland auf Anforderung der Völkergemeinschaft auch militärische Solidarbeiträge leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht, mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden können.” (Pkt. 27) Mit anderen Worten: Je mehr deutsche Soldaten und deutsches Kriegsgerät bei Militärinterventionen eingesetzt werden, desto größer ist der deutsche Einfluss in der Welt. Deutschlands Machtanspruch wird also militärisch definiert! Eine Maxime, die bis heute gilt.

Die Aufstellung und Ausrüstung der KRK der Bundeswehr wurde parallel zu ständig zunehmenden Auslandseinsätzen mit höchster Priorität vorangetrieben. Bis Mitte 1999 hatten die KRK eine Stärke von rund 50 000 Mann erreicht. Dies sollte erst der Anfang sein, denn, so Verteidigungsminister Scharping, „die tiefgreifenden Reformen, vor denen die Bundeswehr steht – die Neuausrichtung der Streitkräfte – das ist durchaus vergleichbar mit der Entscheidung über die Aufstellung der Bundeswehr und die Einführung der Wehrpflicht.“ (37. Kommandeurtagung, 29.11.99)

Das Bundeskabinett beschloss denn auch am 14. 6. 00 einen wahren Quantensprung der Aufrüstung. Künftig sollten die KRK „Einsatzkräfte“ genannt und auf 150 000 Soldaten verdreifacht werden. Die Umrüstung solle im April 2001 beginnen und in der Hauptsache im Jahr 2006 abgeschlossen sein. Dieser Prozess steht kurz vor dem Abschluss. Wie es danach weitergehen soll, dazu später mehr. Zunächst zu parallel verlaufenden Prozessen: der Militarisierung der EU und die Bildung von Schnellen Eingreiftruppen der EU und der NATO.

Schnelle Eingreiftruppen für EU ...

Noch während des völkerrechtswidrigen NATO-Krieges gegen Jugoslawien beschloss der EU-Gipfel in Köln am 3. 6. 99 die Verschmelzung des Militärpaktes WEU mit der EU bis Ende 2000 zu vollziehen, um auf diese Weise die sogenannten Petersberg-Aufgaben von der WEU auf die EU zu übertragen. Das ist auch geschehen. Um diese – von der Evakuierung, über „Peace-Keeping“ bis zum veritablen Krieg reichenden – Aufgaben auch materiell umsetzen zu können, beschloss der EU-Gipfel von Helsinki am 11. 12. 99, dass die EU bis Ende 2003 eine schnelle Einsatztruppe von 50 000 bis 60 000 Mann aufstelle, die binnen 60 Tagen verlegefähig und bis zu einem Jahr auf sich allein gestellt im Kampf durchhalten könne. Im September 2000 bereits beschlossen die EU-Verteidigungsminister ihre Aufstockung um Luftwaffen- und Marineeinheiten auf 80 000 Mann. Die Bundesregierung bietet hierfür ein Kontingent von 18 000 Soldaten an. Die 80 000 Soldaten werden aus einem Pool von 100 000 Soldaten zusammengestellt. Für diesen Pool bietet Deutschland sogar 33 000 Soldaten an. Das ist jeweils das größte nationale Kontingent aller EU-Mitglieder.

Die vorgesehene Bewaffnung der Schnellen Eingreiftruppe der EU ist kein Pappenstiel. Die Ausrüstung der 60 000 Mann des Heeres ist öffentlich nicht bekannt; den 20 000 Soldaten von Marine und Luftwaffe sollen rund 100 Schiffe bzw. 400 Kampfflugzeuge zur Verfügung stehen. Zu den 100 Schiffen gehören 4 Flugzeugträger, 7 U-Boote, 17 Fregatten und 2 Korvetten. (The Military Balance 2002/2003) Mit 13 Schiffen will die deutsche Marine einen eher bescheidenen Anteil stellen. Der deutsche Schwerpunkt liegt auf der Luftwaffe: Sie bietet sechs Staffeln, entsprechend 108 TORNADOS bzw. EUROFIGHTER an. Die faktische Einsatzfähigkeit wird für 2010 angestrebt.

... und NATO

Im November 2002 beschloss der NATO-Gipfel auf Vorschlag von US-Verteidigungsminister Rumsfeld die Aufstellung einer „NATO Response Force“ (NRF) genannten ebenfalls weltweit einsetzbaren schnellen Eingreiftruppe. Bis zum 1. 10. 2006 soll die Truppe voll einsatzfähig und ab dann bis zu 21 000 Mann stark sein. Sie soll binnen fünf bis dreißig Tagen verlegbar sein und aus „Heerestruppen in der Stärke einer Brigade, Luftstreitkräften, die bis zu 200 Einsätze pro Tag fliegen und führen können, sowie einem Marineverband mit einem Dutzend Schiffen“)FAZ 5.11.02) bestehen. Deutschland beteiligte sich daran von Oktober 2003 bis Mitte 2004 mit 1200 Soldaten sowie sechs TORNADOS und je zwei Fregatten und Minenjagdbooten. Die Bereitstellung von Truppen wechselt im halbjährlichen Rhythmus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind es 4000 deutsche Soldaten des Deutsch-Niederländischen Korps, im zweiten Halbjahr sind es 1800 Soldaten. Im ersten Halbjahr 2006 sind es 2600 Mann und im zweiten Halbjahr ca. 5000. Die Bundesregierung engagiert sich also überdurchschnittlich stark auch in der NRF. Oder wie Minister Struck sich auszudrücken pflegt: „Der Beitrag der Bundeswehr zur NATO Response Force kann sich sehen lassen.“ (Stichworte zur Sicherheitspolitik 5/6 2005)

Über die kriegerische Bedeutung dieser NATO-Truppe ist sich der Minister durchaus im Klaren: Gegenüber dem Bonner Generalanzeiger (6.6.05) sagte er: „... es wird in der NATO keine Arbeitsteilung geben können nach dem Motto: Wir überlassen anderen Nationen friedenserzwingende Einsätze und deutsche Soldaten rücken nachher ein, um die Lage zu stabilisieren. So geht es nicht. Deutschland wird seinen Beitrag in der schnellen Eingreiftruppe (Response Force) leisten, die innerhalb einer Woche 21 000 Kampfsoldaten an jeden Ort der Welt schicken kann.“

Dabei ist Deutschland schon heute das Land, das die meisten Soldaten in NATO- und EU-geführten Militäreinsätzen stellt. Jüngste Äußerungen Strucks belegen das. Mitte Juni sagte er: „Darüber hinaus ist Deutschland mit mehr als 5000 Soldatinnen und Soldaten an Einsätzen der NATO beteiligt. Das ist der mit Abstand größte Beitrag unter allen NATO-Mitgliedern.“ (Stichworte zur Sicherheitspolitik 5/6 2005) Von Anfang Mai stammt sein Satz: „Die Bundeswehr stellt das größte Kontingent des EU-geführten Einsatzes in Bosnien.“ (Stichworte zur Sicherheitspolitik 5/6 2005)

Deutschen Soldaten im Auslandseinsatz

Mitte Juli 2005 hat die Bundeswehr ca. 6 600 Soldaten in Auslandseinsätzen. (Stand 11.7.2005).

ISAF Afghanistan, Usbekistan 2.270
KFOR Kosovo 2.600
EUFOR Bosnien-Herzegowina 1.070
Enduring Freedom* Horn von Afrika 340
Active Endevour Mittelmeer 300
UNMEE Äthiopien, Eritrea 2
UNOMIG Georgien 12

* In dieser Aufstellung, die von der Bundeswehr-Homepage stammt, fehlt der geheime KSK-Einsatz in Afghanistan im Rahmen von Enduring Freedom. Seine Soldatenzahl ist unbekannt.

Übrigens: Am 13. Oktober 2005 läuft das Bundestagsmandat für den deutschen ISAF-Einsatz in Afghanistan aus. Jüngste Umfragen unterstützen den deutschen Afghanistaneinsatz nicht. 56 Prozent der befragten Deutschen waren einer Emnid-Umfrage zufolge der Ansicht, der Bundeswehreinsatz „solle beendet werden“. (FAZ 18.7.05)

Wir werden im nächsten Fall wieder sehen, dass die deutsche Regierung bei Militäreinsätzen die größte Rolle spielen will: den

„Battlegroups“

Auf eine britisch-französische Initiative aus dem Februar 2003 hin einigten sich die EU-Verteidigungsminister im November 2004 darauf, insgesamt 13 jeweils rund 1500 Mann starke „Battlegroups“ (dt. wörtlich Schlachtgruppen, neuerdings als Gefechtsverbände übersetzt) aufzustellen, die ab 2007 voll einsatzfähig sein sollen. Spätestens nach 15 Tagen sollen die „Battlegroups“ im Umkreis von bis zu 6000 km um Brüssel eigenständig (d.h. ohne NATO-Unterstützung) einsetzbar sein und zwischen einem und vier Monate durchhalten können. Sie sind „bestimmt für, aber nicht begrenzt auf den Gebrauch für zusammenbrechende oder zusammengebrochene Staaten (von denen sich die meisten in Afrika befinden).“ (Blätter 5/05) Ihr Einsatz soll „vorrangig (aber nicht exklusiv)“ auf Grundlage eines Mandats nach Kapitel VII der UN-Charta erfolgen. Mit anderen Worten: Der offene Völkerrechtsbruch ist beabsichtigt und wird vorbereitet. Das führte in Finnland, das zusammen mit Schweden und Norwegen eine „Battlegroup“ bilden will, zu einem Gesetzesvorhaben von Ministerpräsident und Parlament: Finnland soll eine Beteiligung an „EU-Eingreiftruppen auch ohne UN-Mandat erlaubt“ (FAZ 7.3.05) werden. Bisher haben EU-Mitgliedstaaten Kontingente für 12 „Battlegroups“ angemeldet, die alle bis 2012 einsatzfähig gemacht werden sollen. Das „Battlegroup-Konzept“ versetzt die EU in die Lage, bis zu 18 000 Soldaten sehr kurzfristig als Speerspitze der Schnellen Eingreiftruppe der EU einzusetzen, oder „zeitgleich mehrere kleinere und mittlere Operationen durchzuführen.“ (Stichworte April/Mai 2005) Deutschland hat seine Beteiligung gleich an sieben „Battlegroups“ angemeldet, wobei es in vieren die Führung übernehmen will. Das ist die häufigste Beteiligung und die häufigste Führungsübernahme aller EU-Staaten.

Das legt insgesamt den Schluss nahe, dass sich die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung vom Grundsatz der VPR des CDU-Ministers Rühe leiten lässt: Je mehr deutsche Soldaten und deutsches Kriegsgerät bei Militärinterventionen eingesetzt werden, desto größer ist der deutsche Anteil an Macht, Einfluss und den Ressourcen der Welt.

Bundeswehr weltweit

Peter Struck kündigte am 5. 12. 02 die Erarbeitung neuer VPR mit dem Ausspruch an: „Die Sicherheit der Bundesrepublik wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Wie ernst es ihm mit der globalen Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ist, spiegelt sich in den VPR vom 21. 5. 03 wider: Künftig ließen sich die Einsätze der Bundeswehr „weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen“ (Pkt. 57). Diese völlige Entgrenzung stellt eine definitorische Weiterentwicklung gegenüber Rühes VPR dar. Sie öffnet der Bundeswehr sämtliche militärischen Eingriffsoptionen von der Evakuierungsmaßnahme bis zum veritablen Krieg an jedem Ort der Erde.

Die VPR definieren als künftige Hauptaufgabe der Bundeswehr „internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – einschließlich des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus“. (Pkt.78) Genaueres Studieren der VPR fördert jedoch wieder – wie schon unter Kohl – hervor, dass zu den definierten Aufgaben der Bundeswehr die Umsetzung von nationalen Machtansprüchen gehört: „Um seine Interessen und seinen internationalen Einfluss zu wahren [...], stellt Deutschland [...] Streitkräfte bereit, die schnell und wirksam [...] eingesetzt werden können.“ (Pkt. 72)

Danach konnte folgende Aussage des „Verteidigungs“ministers kaum überraschen: „Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt,“ (FAZ 14.1.04) sagte er, als er im Januar 2004 das radikalste Umbauprogramm der Bundeswehr seit ihrem Bestehen bekannt gab. Als kleine Beigabe kündigte er an, von 2006 bis 2010 ihren Umfang von 285 000 auf 250 000 Soldaten zu verkleinern und die Zahl der Standorte von 621 auf 400 zu verringern.

Radikaler Umbau

Bedeutsamer als die Kürzungen sind jedoch die Eingriffe in die bisherige Bundeswehrstruktur. Künftig wird die Bundeswehr auf das Primat der Auslandseinsätze ausgerichtet. Landes- und Bündnisverteidigung als die weniger wahrscheinlichen Einsatzfälle werden konzeptionell und materiell nachgeordnet behandelt. Die Bundeswehr soll ab dem nächsten Jahr in drei völlig neue Kategorien unterteilt werden, die ihr neue Offensivkraft verleihen soll: in sogenannte Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte:
  • 35 000 Mann „Eingreifkräfte“. Das sind Hightech-Soldaten aller drei Teilstreitkräfte mit entsprechender Ausrüstung für die schnellen Eingreiftruppen von EU und NATO. 15 000 davon werden für die NRF bereitgehalten. Das schließt Soldaten für die Vor- und Nachbereitschaft ein. 18 000 stehen für die EU und je 1000 Soldaten für die UN und für Evakuierungsmaßnahmen bereit. Wer noch Zweifel an der Aggressivität des Bundeswehrkonzepts hat, dem sei folgende Beschreibung der Fähigkeiten der „Eingreifkräfte“ von Generalinspekteur Schneiderhan empfohlen: „Sie müssen zu uneingeschränkten vernetzten Operationen und zum Gefecht der verbundenen Waffen, zur verbundenen Luft- und Seekriegführung sowie zum präzisen Waffeneinsatz im gesamten Reichweitenspektrum befähigt sein. Vielleicht müssen sie noch auf lange Zeit den Sieg durch physische Präsenz mit traditioneller Symbolik dokumentieren: die Hauptstadt fällt, Denkmäler werden gekippt, Flaggen werden eingeholt.“ (Soldat und Technik, Januar 2004)
  • 70 000 Mann „Stabilisierungskräfte“ sind für längerfristige Einsätze vorgesehen, also KFOR, SFOR, ISAF etc. Sie sind eskalationsfähig und zwischen ihnen und den „’Eingreifkräften’ besteht ein operatives Wechselspiel“ (P. Struck 13.1.04)
  • 135 000 Soldaten und 75 000 ziviles Personal, also insgesamt 210 000 sind „Unterstützungskräfte“
Neue Waffen und Ausrüstungen

Zur Umsetzung des Konzepts, weltweit interventionsfähig und damit angriffsfähig zu werden, wurden seit den 1990er Jahren für die Bundeswehr zunehmend neue Waffensysteme und Ausrüstungen in Auftrag gegeben. Sie stellen unter qualitativem Gesichtspunkten in der Regel internationale Spitzentechnologien dar. Die im Folgenden ausgewählte Ausrüstungstechnik gibt nur einen – wenn auch wesentlichen –Ausschnitt eines insgesamt 213 Vorhaben umfassenden Material- und Ausrüstungskonzepts aus dem März 2001 wieder. Das „Matkonz“ stellt „ein wesentliches Instrument für die jährliche Bundeswehrplanung dar.“

Weltraum

Die Bremer Firma OHB-Systems AG stellt für die Bundeswehr ein System von fünf Radarsatelliten, „SAR-Lupe“ genannt, samt Bodenstation (in Gelsdorf bei Bonn) her. Ab 2006 ermöglicht dies der Bundeswehr erstmalig eine weltweite wetterunabhängige Tag- und Nachtaufklärung. „Die Auflösung würde nach inoffiziellen Angaben bei etwa fünfzig Zentimetern liegen.“ (FAZ 3.7.00) Für Mitte 2006 wird ein Systemverbund mit dem französischen optischen Satellitensystem HELIOS II angestrebt. Eine Weiterung auf ein EU-System ist ausdrücklich beabsichtigt.

Luftwaffe

Die rot-grüne Bundesregierung hat erstmals für die Bundeswehr Marschflugkörper bestellt. Bis 2009 sollen für TORNADOS und EUROFIGHTER 600 TAURUS (lat. Stier) angeschafft werden. Aus einer Entfernung von bis zu 350 km vom einprogrammierten Ziel abgesetzt, kann TAURUS mittels der 500 kg schweren Gefechtsladung noch vier Meter dicken Beton durchschlagen. Die Marschflugkörper machen die luftbetankbaren Kampfbomber zu regionalstrategischen Waffen, die in sehr hohem Maße zur Angriffsfähigkeit der Bundeswehr beitragen.

Die deutsche Luftwaffe erhält 60 strategische Transportflugzeuge AIRBUS A 400 M. Die viermotorigen Propellermaschinen sollen 84 Transall C-160 ablösen. Die Airbusse verfügen allerdings gegenüber dem Vorgängermodell über „eine mehr als verdoppelte Nutzlast und eine deutlich gesteigerte Reichweite bei wesentlich höherer Fluggeschwindigkeit.“ (Soldat und Technik 5/98) Sie sind ein Schlüsselprojekt und dienen offiziell der „Strategischen Verlegefähigkeit in der Luft“. Der Military-Airbus kann Kampfhubschrauber TIGER, Transporthubschrauber NH-90, Schützenpanzer PUMA oder das Gepanzerte Transportkraftfahrzeug (GTK) BOXER oder alternativ 116 Soldaten mit Ausrüstung transportieren. Die A 400 M werden so konzipiert, dass fünf PUMA inkl. Schutzmaterial in sechs A 400 M transportierbar sind. Da 10 dieser 60 Kampfzonentransporter für die Luftbetankbarkeit ausgelegt sind, wäre damit sogar nonstop der weltweite Lufttransport gewährleistet. Die ersten 12 Maschinen sollen 2012 an die Bundeswehr ausgeliefert werden.

Ende Juni 2003 gingen die EUROFIGHTER in Serienproduktion. Bis zu 180 Maschinen sollen für die deutsche Luftwaffe in drei Tranchen bis 2015 beschafft werden. Der Bundesrechnungshof ermittelte für die 180 EUROFIGHTER einen Systempreis (inkl. Bewaffnung) von 24,5 Mrd. EUR. Ein Exemplar des „Eurofressers“ kostet somit 136,1 Mio. EUR. Der Haushaltsauschuss des Bundestages bewilligte die zweite Tranche über 68 Maschinen Anfang Dezember 2004. Er band seine Zusage jedoch an Auflagen, wonach „in den Verträgen Regelungen zu vermeiden (seien), die eine Vorentscheidung zur Tranche 3 bedeuten könnten.“ (Strategie und Technik Januar 2005) Es besteht also durchaus die Möglichkeit, wenigstens die dritte Tranche über 75 EUROFIGHTER noch zu verhindern. Die Vertragsunterzeichnung dürfte etwa im Jahr 2008 anstehen.

Der Haushaltsausschuss stimmte mit den Stimmen der Regierungskoalition und der CDU/CSU-Fraktion am 20. 4. 05 für die Entwicklung des taktischen Luftverteidigungssystems MEADS (Medium Extended Air Defense Systems). Das trilaterale Raketensystem (USA, Deutschland, Italien) soll in der Lage sein, Marschflugkörper und ballistische Raketen mit Reichweiten unterhalb von 1000 km abzuschießen. Um zusätzlich Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen abschießen zu können, besteht die feste Absicht, 504 Exemplare der Rakete IRIS-T SL als Zweitflugkörper zu entwickeln. Für MEADS sind Kosten von 3,81 Mrd. EUR veranschlagt.

MEADS hat gegenüber dem Vorgängermodell PATRIOT den Vorteil, dass es sich mit wenig Aufwand in die neuen Airbusse A 400 M verladen lässt. Es ist also weniger für die Landesverteidigung vorgesehen, sondern zum Schutz von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz. Ein offizielles Dokument vom Oktober 2004 belegt dies. Demnach sind „die als Erstbedarf geplanten 12 MEADS-Feuereinheiten als deutscher Beitrag zur ‚NATO Response Force’ und zur ‚Battle Group’ der Europäischen Union geplant.“ (Kubbig, S. 8) Für das Einsatzgebiet Schwarzafrika ist MEADS übertechnisiert, denn auf absehbare Zeit wird keines dieser Länder über ballistische Raketen oder Marschflugkörper verfügen. Welche Regionen bleiben dann? Nahost und Ostasien? Eines ist sicher: Steht MEADS erst einmal zur Verfügung, werden sich Radius, Frequenz und Intensität der Bundeswehreinsätze noch erhöhen.

Heer

Das Heer gibt sich als Beitrag zur „Transformation“ der Bundeswehr bis 2010 eine neue Struktur. Die Struktur „Das Heer der Zukunft“ wird ab 2006 abgelöst durch die Struktur „Das Neue Heer“. Das Heer, das heute die meisten Soldaten in Auslandseinsätzen stellt, soll künftig auch die meisten Soldaten für die „Eingreifkräfte“ und die „Stabilisierungskräfte“ stellen: 20.700 von 35.000 Mann der „Eingreifkräfte“ und 36.300 der 70.000 Mann „Stabilisierungskräfte“ sollen vom Heer kommen.

Im „Neuen Heer“ werden fünf Divisionskommandos insgesamt 12 Brigaden unterstellt. Eine der fünf Divisionen ist die ‚Division Eingreifkräfte’. Sie stellt „die neue Speerspitze der gepanzerten Kräfte des Heeres“ (Soldat und Technik Juni 2004) dar. Diese Panzergrenadierdivision mit je einer Panzer- und Panzergrenadierbrigade und gegebenenfalls der unterstellten deutsch-französischen Brigade wird „aus dem Stand heraus einsetzbar.“ (Strategie und Technik März 2005) Für die „Eingreifkräfte“ des Heeres sollen 88 luftverladbare neue Schützenpanzer PUMA zur Verfügung stehen, von denen insgesamt 410 Exemplare bis 2012 für 3,52 Mrd. EUR gekauft werden sollen.

Zwei weitere Divisionen sind die „Division Spezielle Operationen“ DSO (ca. 7.300 Mann) und die „Division Luftbewegliche Operationen“ DLO (ca. 10.500 Mann). Die DSO setzt sich aus dem – geheim operierenden – „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) in Calw und den beiden Luftlandebrigaden in Oldenburg und Saarlouis zusammen. Je eine Luftlandebrigade ist für die „Eingreifkräfte“ und für die „Stabilisierungskräfte“ vorgesehen. Die DLO in Veitshöchheim umfasst die „Luftbewegliche Brigade“ in Fritzlar mit künftig 80 High-Tech-Kampfhubschraubern TIGER, und die Heeresfliegerbrigade in Mendig mit künftig 80 Transporthubschraubern NH-90 sowie Infanteriekräften. Die Bundeswehr rühmt sich, mit dieser „Luftbeweglichen Brigade“ etwas Neues geschaffen zu haben und „damit qualitativ auch international an der Spitze“ (Strategie und Technik März 2005) zu stehen. Sie ist sowohl für die „Eingreif“- als auch für die „Stabilisierungskräfte“ einsetzbar. Mit den TIGERN als den zentralen Kampfmitteln der „Luftbeweglichen Brigade“ sollen „Bewegungen in oder über vom Gegner beherrschten Gebiet unter möglichst allen Sicht- und Witterungsbedingungen” (Soldat und Technik 6/97) ermöglicht werden.

Die spezialisierten Elitesoldaten der DSO, die in den Schnellen Einsatztruppen von NATO (NRF) und den „Battlegroups" der EU eingesetzt werden, werden digital vernetzt. Diese „Infanteristen der Zukunft“ („IdZ“) genannten Elitesoldaten erhalten Kartenmaterial in Minicomputern, GPS, G-36-Gewehr, Restlichtverstärker, Granatwerfer, Wärmebildgerät und Laserentfernungsmesser. Als „Soldaten der ersten Stunde“ sollen sie zusammen mit gepanzerten Fahrzeugen „aus dem Stand heraus“ an die Einsatzorte geflogen werden können. Bis Ende 2007 sollen 1600 „IdZ“ ausgebildet und ausgerüstet sein. Das Heer reklamiert Bedarf für die Ausrüstung von insgesamt 10 440 „IdZ“. Augenscheinlich soll der Wunsch erfüllt werden, denn im Bundeswehrplan 2005, der weit bis ins nächste Jahrzehnt reicht, sind dafür 470 Mio. EUR eingeplant. (Lange, S. 12)

„Auch im Neuen Heer ist die Artillerie wesentlicher Träger der Feuerunterstützung, des Kampfes mit Feuer und der Aufklärung im gesamten Aufgabenspektrum.“ So der Kommandeur der Artillerieschule der Bundeswehr im März dieses Jahres. Und weiter: „Die sowohl für die Eingreif- als auch für die Stabilisierungskräfte geforderte Fähigkeit nach präziser Abstandswirkung zur Vermeidung von verlustreichen Duellsituationen wird durch die Artillerie nahezu unabhängig von Wetter und Tageszeit im gesamten Verantwortungsbereich des Truppenführers echtzeitnah bereitgestellt.“(Strategie und Technik März 2005) Eine Analyse des „Neuen Heeres“ zeigt, dass zu den Teilen der „Eingreifkräfte“, die von der Artillerie gestellt werden, 80 „Panzerhaubitzen 2000“ sowie 40 Raketenwerfer MARS zählen. „Die Panzerhaubitze 2000 ist das zurzeit modernste Rohrwaffensystem der Welt.“ (Strategie und Technik März 2005) Der Mehrfachraketenwerfer MARS „kann Bomblet- und Minenraketen bis zu einer Entfernung von 38,5 km verschießen.“ (Strategie und Technik März 2005) Bombletmunition richtet sich vor allem gegen Menschen. Die reichweitengesteigerte Version dieser deutschen „Stalinorgeln“ auf 70 km steht vor der Einführung in die Bundeswehr. Insgesamt hat die Bundeswehr 185 „Panzerhaubitzen 2000“ und 154 Mehrfachraketenwerfer MARS in ihrem Arsenal.

Marine

Die globalstrategische maritime Sicht der deutschen Marineführung konzentriert sich auf fremde Küstengewässer. Dementsprechend wurde die strategische Ausrichtung der deutschen Marine fundamental geändert. Sie habe sich fortan folgender Herausforderung zu stellen: „Die Abkehr von der Konzentration des Küstenverteidigers hin zur Teilnahme an einer multinationalen ‘Maritime Force’, die gegen eine fremde Küste operieren muß.” (Soldat und Technik 11/98)

Dieser Ansatz der 1990er Jahre wurde konsequent verfolgt. Das derzeitige konzeptionelle Ziel der „Deutschen Marine“ beschreibt eindrücklich der dafür verantwortliche Referatsleiter im BMVg, Jürgen Mannhardt: „Die Marine muss befähigt sein, langandauernd sowohl auf offener See als auch in fremden Küstengewässern durchsetzungsfähig operieren zu können. Dazu benötigt sie die Fähigkeiten zur verbundenen Über- und Unterwasserseekriegführung, zur Seeminenkriegführung sowie zur Seekriegführung aus der Luft. [...] Da Seestreitkräfte für das Operieren in internationalen Gewässern keiner diplomatischen Anmeldung oder politischen Zustimmung eines Gastlandes bedürfen, können sie bereits bei ersten Anzeichen eines Konfliktes in unmittelbarer Nähe eines potenziellen Einsatzgebietes präsent sein. Hierdurch kann diplomatischen Maßnahmen Nachdruck verliehen und bereits frühzeitig politische Entschlossenheit demonstriert werden, die Krise notfalls auch mit militärischen Mitteln einzudämmen. Darüber hinaus wird der Feuerunterstützung von See an Land eine zunehmende Bedeutung zukommen. Durch sie kann der Zugang zum Operationsgebiet von See aus erkämpft werden. [...] Die Marine muss deshalb zur präzisen Bekämpfung von Landzielen auch auf größere Distanz von der Küste befähigt sein. Die Realisierung dieser Fähigkeiten ist ein wesentlicher Meilenstein hin zu dem neuen maritimen Fähigkeitsprofil der Streitkräfte. Hierzu werden zunächst die für die Korvette K 130 vorgesehenen weitreichenden Seezielflugkörper RBS15 Mk3 auch über eine Landzielfähigkeit verfügen.“ (Soldat und Technik Juni 2004)

Fünf Exemplare der von Mannhardt erwähnten hochseegängigen Korvetten K 130 (88 m lang, 1600 tdw) wurden im Dezember 2001 in Auftrag gegeben. Bestückt werden sie in der Tat mit dem deutsch-schwedischen Marschflugkörper RBS 15 Mk3. Noch hat er eine Reichweite von 200 km, soll aber später auch noch nach 400 km Überlandflug seinen 200 kg-Sprengkopf metergenau zur Detonation bringen können. Der Korvettenbau verschlingt von 2004 bis 2008 etwa 790 Mio., die 60 Exemplare der RBS15 Mk3 sind bis 2011 mit Kosten in Höhe von 210 Mio. EUR ausgewiesen. Die Militärzeitschrift „Soldat und Technik“ schwärmte: „Der RBS 15 Mk3 ist ein vielseitig einsetzbarer und höchst wirkungsvoller Flugkörper mit Landzielbekämpfungs-Fähigkeit, der seinesgleichen sucht.“ (Soldat und Technik 11/2002) Die erste Korvette dieser sogenannten BRAUNSCHWEIG-Klasse ist seit Dezember 2004 im Bau, die zweite, MAGDEBURG genannt, seit Mai dieses Jahres. Die BRAUNSCHWEIG wird im Mai 2007 abgeliefert, die MAGDEBURG im November 2007, die Korvetten ERFURT und OLDENBURG im April 2008 sowie die LUDWIGSHAFEN im November 2008. Es ist davon auszugehen, dass alle genannten Städte aufgefordert werden, Patenschaften zu „ihren“ Korvetten anzunehmen.

Konzeptionell auf das engste mit den neuartigen Korvetten verbunden ist der nächstgrößere Kriegsschifftyp: die Fregatte. Die „Deutsche Marine“ verfügt zur Zeit über 14 Fregatten (8 F 122, 4 F 123, 2 F 124). Die beiden letztgenannten sind seit Mitte Dezember 2004 im Dienst, die dritte dieser SACHSEN-Klasse genannten Fregatten soll Ende 2005 in Dienst gestellt werden. Mit ihrem Aufgabenschwerpunkt Flugabwehr ist sie erstmalig für Deutschland für den vollen oder „uneingeschränkten Verbandsschutz” konzipiert. Schon Mitte der 1990er Jahre hatte Mannhardt dies Konzept entworfen: Die Korvette eröffne dem gesamten Einsatzverband ein Handlungsspektrum, das den „Verbund des Überwasserseekrieges von der Hohen See bis in die Küste hinein verwirklichen” könne. Und weiter: „Dabei wird der Verbund zwischen Fregatte und Korvette außerordentliche Bedeutung erlangen.” (Soldat und Technik 2/95)

Und siehe da: Zum Beitrag der Marine zu den „Eingreifkräften“ der Bundeswehr zählen u.a. „sieben Fregatten, fünf Korvetten, vier U-Boote sowie Seeluftstreitkräfte.“ (Konzeption der Bundeswehr, S. 77)

Mit rund 700 Mio. Euro ist jede Fregatte dieser SACHSEN-Klasse (143 m lang, 5600 tdw) die teuerste deutsche Waffe aller Zeiten und damit kostspieliger als das größte und teuerste Kreuzfahrtschiff der Welt, die 345 m lange Queen Mary 2, die „nur“ 630 Mio. EUR kostete (FAZ 9.1.04). Allein der Betrieb eines dieser Fregatten verschlingt jeden Tag rund 45 000 EUR. Vizeadmiral Wolfgang Nolting, der Befehlshaber der Flotte, bezeichnete die SACHSEN als „eines der modernsten und durchsetzungsfähigsten Seekriegsmittel der Welt.“ (Soldat und Technik 12/2004)

Anfang Juli 2005 wurde das letzte der vier U-Boote des neuartigen Typs 212 getauft. Die U-212 werden die kampfstärksten konventionellen U-Boote der Welt, ermöglicht ihre Brennstoffzellenantriebstechnik doch eine weitgehende Außenluftunabhängigkeit, so dass sie nicht nur quasi lautlos – wie Atom-U-Boote – , sondern auch lange, nämlich bis zu drei Wochen, unter Wasser bleiben und dabei 22.000 km zurücklegen können. Bei einer Tauchtiefe von über 400 m sind sie nicht nur für Flachwassergewässer ausgelegt, sondern auch hochseetauglich. Ihre Kampfstärke wird erreicht durch neuartige deutsche Schwergewichtstorpedos SEEHECHT, von denen 70 Exemplare bestellt wurden. Aus 6 Rohren lassen sich diese mit einer Spurtgeschwindigkeit von über 90 km/h (Vorgängermodell 65 km/h) und einer gelenkten Laufstrecke von mehr als 50 km (Vorgängermodell ca. 20 km) ins Ziel befördern. Der SEEHECHT kann – und das ist ein weiteres Novum – nicht nur Überwasserschiffe, sondern auch U-Boote versenken. Alle vier U-212 sollen bis September 2006 in Dienst gestellt werden. Ein 2. Los mit zwei U-212 ist Bestandteil der Ausrüstungsplanung der Marine. Über ihre Beschaffung soll im 1. Quartal 2006 entschieden werden.

Die qualitative Aufrüstung, die auf den Beschuss fremden Territoriums zielt, die Aufstellung schneller Eingreiftruppen, die eine Abkehr von der Landesverteidigung hin zum Militärinterventionismus darstellt, und eine Politik, die von vornherein bereit ist, wieder einmal, wie 1999 im Fall Jugoslawien, die UN-Charta zu missachten, muss auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Denn das Grundgesetz sagt im Artikel 87a unmissverständlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“.

Kosten

Der offizielle deutsche Verteidigungshaushalt des Jahres 2005 beträgt 23,652 Milliarden EUR. Im Entwurf für 2006 hat Finanzminister Eichel genau 24 Mrd. EUR veranschlagt, ein Anstieg um 1,5 Prozent. Für das Jahr 2010 veranschlagt Generalinspekteur Schneiderhan einen Betrag von 26,1 Mrd. EUR. Das bedeutet einen Anstieg um 10,4 Prozent in den kommenden fünf Jahren, also jahresdurchschnittlich um gut zwei Prozent. Markant ist darin der Anstieg der militärischen Beschaffungen: „von 4,05 Mrd. im nächsten Jahr auf 6,07 Mrd. EUR im Jahr 2010“(Das Parlament 23.5.05) – Insgesamt ein Anstieg von 50 Prozent innerhalb von nur vier Jahren! Wachstumsraten von durchschnittlich 12,5 Prozent sind exorbitant zu nennen. Allerdings wird dies nicht reichen, die angeschobenen Großwaffenprojekte zu finanzieren. Es ist mit einem weiteren Anstieg der Kosten nach 2010 zu rechnen.

Die im Einzelplan 14 ausgewiesenen Rüstungshaushalte geben nur ein Teil – wenn auch den größten – aber eben nur ein Teil der gesamten deutschen Militärausgaben an. Der Plafond des Einzelplans 14 ist regelmäßig niedriger als der Wert, den die NATO für Deutschland als Militärausgaben registriert. Beispiel 2004: Der Plafond für 2004 weist den Betrag von 23,8 Mrd. EUR auf, die NATO rechnet 30,5 Mrd. EUR an. Darin enthalten sind die Pensionszahlungen und der Zivilschutz.

Abrüstungschancen

Deutschland gehört dem größten Militärpakt der Welt an – der NATO. Die folgende Gegenüberstellung grundlegender Rüstungsparameter belegt die globale Vormachtstellung der NATO. Dargestellt sind die Militärausgaben und die Zahl der aktiven Soldaten des Jahres 2003. Allerdings sind darin bereits die Daten der sieben neuen NATO-Mitglieder Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien berücksichtigt, obwohl sie erst am 29. 3. 2004 aufgenommen wurden. Ausgewählt wurden zudem die zentralen Waffensysteme der drei Teilstreitkräfte. Als Vergleichsstaaten werden die beiden nächst größten Militäreinheiten der Erde herangezogen: Russland und China.

Vergleich NATO – China – Russland

Militärausgaben und aktive Soldaten 2003 – Schwere Waffensysteme 2004

NATO Russland China
Militärausgaben 2003
(in Mrd. USD)
629,601 65,200 55,948
Soldaten 2003 (in TSD.) 3.920,9 960,6 2.250,0
Kampfpanzer 25.355 22.800 7.580
Kampfflugzeuge 9.665 1.802 2.600
Kampfhelikopter 3.233 861 45
Überwasserkampfschiffe 315 27 63
Takt. U-Boote 139 52 67

Quelle: The Military Balance 2004/2005

Der Vergleich macht deutlich, dass die NATO in allen wesentlichen Parametern quantitativ in der Überzahl ist. Qualitative Aspekte sind dabei noch unberücksichtigt, steigern aber die NATO-Überlegenheit noch. Die Übermacht und der Überfluss zeigt sich vor allem bei Kampfflugzeugen und Kampfhelikoptern, aber auch bei den hochseegängigen Seestreitkräften. Dies alles sind Waffensysteme, die bei der militärinterventionistischen Ausrichtung der NATO von zentraler Bedeutung sind. Die NATO-Staaten könnten ihre Bestände an U-Booten halbieren und die Bestände an Kampfflugzeugen und -helikoptern sowie an Überwasserkampfschiffen auf mindestens ein Drittel reduzieren, ohne zuvor mit Anderen über Rüstungskontrolle oder Abrüstung in Verhandlung zu treten – die Kräfteverhältnisse würden sich nicht ändern. Die Reduzierung dieser für die Kriegführung zentralen Waffensysteme würde mit Reduzierungen unterstützender Komponenten einhergehen können und auch – proportional umgesetzt – zu einer drastischen Abrüstung der Bundeswehr führen. Die Bundesregierung könnte diese Abrüstungsmaßnahmen souverän und risikolos umgehend in Angriff nehmen.

Verwendete Literatur:
  • Stichworte zur Sicherheitspolitik Nr. 05/06 2005,
  • Lutz Holländer/Ronja Kempin, Europas Platz an der Sonne, Blätter für deutsche und internationale Politik 5’05, S. 593 bis 599, S. 596,
  • Verwendete Literatur im Internet:
  • Verteidigungspolitische Richtlinien vom 26.11.1992 /themen/Bundeswehr/vpr1992.html
  • Verteidigungspolitische Richtlinien vom 21.5.2003: /themen/Bundeswehr/vpr2003.html
  • Aktuelle Einsätze deutscher Soldaten im Ausland: http://www.bundeswehr.de/redaktionen/bwde/bwdebase.nsf/CurrentBaseLink/W264VFT2439INFODE
  • EUFOR Troop Strength, Stand 7. April 2005, http://www.euforbih.org/organisation/strength.htm
  • “THE BATTLEGROUPS CONCEPT”, 10. 2. 04, 8 Seiten (engl.) http://www.geopowers.com/Allianzen/EU/akt_eu/RRF_BGConcept.pdf
  • Stichworte zur Sicherheitspolitik April/Mai 2005, 59 Seiten, http://www.bundesregierung.de/Anlage834603/attach.ment
  • Peter Struck, Wegmarken für den neuen Kurs, 13. 1. 04, /themen/Bundeswehr/struck5.html
  • Material- und Ausrüstungskonzept vom 16. 3. 01, 70 Seiten, Anlagen 1-5, ohne Anlage 4, http://www.bundeswehr.de/pic/pdf/reform/matausrkonzept.pdf
  • Bernd W. Kubbig, MEADS – Neue Erkenntnisse, neue Fragen, neue Zweifel, 11. 4. 05, 32 Seiten, S.8, http://www.hsfk.de/abm/bulletin/pdfs/kubbig10.pdf.
  • Sascha Lange, Neue Bundeswehr auf altem Sockel – Wege aus dem Dilemma, SWP-Studie, Januar 2005, 29 Seiten, S. 12 http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?id=1154
  • Konzeption der Bundeswehr, von BM Peter Struck erlassen am 9. 8. 04, 112 Seiten, S.77, http://www.geopowers.com/Machte/Deutschland/doc_ger/KdB.pdf
* Lühr Henken, Jahrgang 1953, ist Vorstandsmitglied des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V., Mitglied im SprecherInnenrat des Bundesausschusses Friedenratschlag und Beirat der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI), Tübingen
Vortrag in einer Veranstaltung des Ersten Sozialforums in Deutschland – Erfurt, 22. bis 24. Juli 2005



Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Seite "Außenpolitik der Bundesregierung"

Zurück zur Homepage