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Einer kam übers Minenfeld

Von René Heilig *

Bei einem Verteidigungsminister ist das Bild gestattet. Für Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bestand am Donnerstag (22. April) vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss mehrmals die Gefahr »hochzugehen«. Doch den von der Opposition verlegten Minen fehlte das Wichtigste: taugliche Zünder.

»Diese Opposition wird den Minister nicht zu Fall bringen«, schreibt ein Kollege der »Süddeutschen Zeitung«. So ist es. Geradezu ängstlich betrat der Polit-Yuppie den Anhörungssaal, geradezu krampfhaft hielt er sich fest an den »abgeklopften« Formulierungen seiner Aussage zum Bombardement am 4. September bei Kundus. Bei Nachfragen blätterte er durch ein ihm mitgegebenes Inhaltsverzeichnis, um möglichst elegant jene Stelle im seinem Stoß Papier zu finden, die er schon einmal vorgelesen hat und die er - bis zum Ende seiner Tage - nie wieder anders formuliert von sich geben wird. Seine Mimik zeigte, wie extrem konzentriert er war. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die laienhaften Angriffe der Opposition Zuschauern Mitleid und Guttenberg wieder Hochmut ins Gesicht zauberten. In wenigen Minuten wechselte der Deckung suchende Minister zum sturmerprobten Angreifer.

Guttenberg blufft, wenn er der Opposition den Wind aus den »Kundus-Segeln« nimmt. Der Bombenangriff auf die zwei Tankwagen sei ein Fehler gewesen, räumt er ein - und erobert so im Sturm den medialen Raum. Will man ihm vorwerfen, dass er eine falsche Sicht - der Angriff war »militärisch angemessen« - in nur drei Wochen Abstand korrigierte? Wie käme man dazu! Nur: Wie kommt zu Guttenberg dazu?

Guttenberg, der Blender, drehte einfach seine Fahne in den öffentlichen Wind, denn von den militärischen Gegebenheiten in Afghanistan und den ISAF-Reglements hat er auch nach einem halben Jahr Minister-Dasein keine Ahnung. Dabei ist das bisweilen so einfach. Als Oberst Klein am 4.September den Befehl zum Bombenmord gegeben hat, war er so einseitig wie lausig informiert darüber, was da bei den geraubten und festgefahrenen Tankwagen im Kundus-Fluss vorging. Er lehnte beispielsweise Tiefflüge der herbeigerufenen US-Jagdbomber ab, die dazu geführt hätten, dass sich die Zivilbevölkerung von den Taliban für NATO-Kameras erkennbar getrennt hätten. Er ignorierte, dass die festgefahrenen Tankwagen so kannibalisiert waren, dass sie als rollende Bomben nicht mehr taugten. Und: Klein schickte keine Drohne zur Aufklärung los. Warum? Man glaubt der Aussage des Obersten kaum: Weil er das Bedienungspersonal schlafen lassen wollte.

Guttenberg »petzt« nicht. Er steht zu »seinen Leuten«. Manchmal. Wenn es nützlich ist. Wenn nicht ... dann schickt er sie - was im detaillierten Hergang schwer beweisbar ist - auf ein eigens von ihm gelegtes Minenfeld. So geschehen mit seinem Staatssekretär Peter Wichert und dem Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Dass da eine politische Intrige eingefädelt wurde, ist mehr als in Schemen erkennbar. Da taucht erst ein geheimer Bericht in der »Bild«-Zeitung auf, der Guttenberg im eigenen Hause »vorenthalten« worden sein soll. Die Konsequenz: Das Vertrauensverhältnis zwischen Guttenberg, Wichert und Schneiderhan ist erschüttert.

Jeder, der 1+1 zusammenzählen kann, ahnt, dass zu Guttenberg dann selbst dem »Spiegel« Entlassungsinterna, die sich unter fünf Menschen im Ministerbüro ereignet haben, »durchgestochen« hat. Es gibt Indizien, dass diese Hinterlistigkeit mit dem Kanzleramt abgesprochen war. Wer weiß, wer da bereit war, den ersten möglichen CSU-Bundeskanzler zu schützen ... Die Opposition - so wie sie agiert - nicht. Sie scheint auch kein gesteigertes Interesse daran zu haben, es herauszubekommen. Guttenberg hat ein feines Gespür dafür, wem er überlegen ist. Am Ende seiner Zeugenvernehmung war er wieder fast der Alte.

* Aus: Neues Deutschland, 24. April 2010


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