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Der Plagiator sieht sich als Vorbild

Minister Guttenberg bestreitet Täuschungsabsicht / Brief an Universität mit Amtsbriefkopf

Von Velten Schäfer *

Für Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) ist die Debatte um seine gefälschte Dissertation vorbei – er will in Ruhe weiterregieren. Für den Abend hatte die Universität Bayreuth eine Entscheidung über die mögliche Aberkennung des Doktorgrades angekündigt.

Doktortitel aberkannt

Die Universität Bayreuth entschied am Abend des 23. Februar, dem CSU-Politiker und Verteiodiogungsminister zu Guttenberg den Doktortitel abzuerkennen. Hochschulpräsident Rüdiger Bormann sagte nach einer Sitzung der Promotionskommission der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Guttenberg habe wissenschaftliche Standards "objektiv nicht eingehalten". Die wörtliche und sinngemäße Übernahme von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung sei unzulässig. Die der Literatur ohne Kennzeichnung übernommenen Stellen seien als Plagiat zu bezeichnen. Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes habe die Kommission aber nicht untersucht, sagte Bormann.
Nachrichtenagenturen, 23. Februar 2011



Man darf wohl davon ausgehen, dass der Privatmann Karl Theodor zu Guttenberg einen schönen Briefkopf mit Wappen besitzt, doch das Schreiben, mit dem er seinen Doktorgrad an die Uni Bayreuth »zurückgab«, ist auf dem Briefpapier des Ministeriums geschrieben, wie der Abdruck in der Mittwochsausgabe von »Bild« zeigt.

Das ist mehr als peinlich an diesem Tag, schließlich beruht die Argumentation von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein Verbleiben Guttenbergs im Amt auf einer strikten Trennung von Doktorhut und Ministersessel. Oppositionspolitiker wie Volker Beck von den Grünen zogen denn auch Parallelen zur berühmten »Briefbogenaffäre« des früheren FDP-Ministers Jürgen Möllemann, der auf Amtspapier verwandtschaftlichen Geschäften nachgegangen war und 1993 als Wirtschaftsminister und Vizekanzler zurücktreten musste. Auch Dietmar Bartsch (LINKE) legte den Finger in die Wunde: Früher habe der Adel »noch gewusst, was in einer solchen Situation zu tun ist«, so Bartsch.

Anders als angekündigt äußerte sich Guttenberg schon in der Fragestunde selbst zu den Vorwürfen. In der anschließenden Aktuellen Stunde ergriff er noch einmal das Wort. Guttenberg beharrt darauf, den Text selbst geschrieben zu haben. Er sei auch kein Plagiat, denn eine »Täuschungsabsicht« habe nicht vorgelegen. Und dies könne letztlich nur er selbst beurteilen.

Die »Fehler« seien »unbewusst« geschehen, die Arbeit enthalte »sehr wohl auch wissenschaftlichen Gehalt«. Der Internetseite »GuttenPlag«, durch deren Kollektivrecherche der Minister letztlich zum Eingeständnis der Fehler gezwungen wurde, unterstellte Guttenberg, eine »nicht unerhebliche Zahl« von Vorwürfen zu verbreiten, die nicht zuträfen.

Auf Fragen zu seiner Glaubwürdigkeit antwortete der Minister mehrfach wörtlich und sinngemäß, er sehe sich selbst als »Vorbild im Umgang mit Fehlern« – worauf im Plenum Raunen einsetzte. Seine Glaubwürdigkeit, so Guttenberg, wäre nur beschädigt gewesen, wenn er sich nicht »zu seinen Fehlern bekannt« hätte. Er habe sich »bei der deutschen Öffentlichkeit entschuldigt«. Nun müsse »Ruhe in die Debatte« kommen, forderte Guttenberg, schließlich müsse er sein Amt ausfüllen.

Tatsächlich hatte Guttenberg zunächst von »abstrusen Vorwürfen« gesprochen, dann »einzelne Fehler« eingeräumt, dann einen zeitweisen und schließlich einen dauerhaften Verzicht auf den akademischen Grad angekündigt.

Ob ihm zur Nutzung der insgesamt vier Gutachten aus dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages eine erforderliche Genehmigung vorgelegen habe, sei »nicht mehr zu rekonstruieren«, so Guttenberg weiter. Er habe sich jedoch präventiv bei der Parlamentsverwaltung entschuldigt und die Genehmigung nun beantragt.

Für den Abend kündigte die Universität Bayreuth überraschend schnell eine Entscheidung über die fragwürdige Dissertation an. Noch am Dienstag hieß es, man werde sich nicht in Zeitdruck bringen lassen. Es ist wohl davon auszugehen, dass Guttenberg den Doktorhut abgeben muss – weil Universität wie Minister die Sache vom Tisch haben wollen.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Februar 2011


CSU spielt Spin-Doctor für ihren Ex-Doktor

Bayerische Staatspartei sieht Superstar im "Stahlgewitter"

Von Gabriele Oertel **


Je mehr Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wegen seiner mit sehr viel geistigem Fremdkapital zustande gekommenen Doktorarbeit unter politischen Druck gerät, desto skurriler sind die Beistandserklärungen der christsozialen Parteifreunde.

Eigentlich war Guttenberg in den letzten Jahren immer Star und Spin-Doctor in einem. Die subtil manipulierte Medien-, Image- und Politikberatung in eigener Sache war auch über weite Strecken durchaus erfolgreich. Binnen Kurzem war der Franke weit über seine Partei hinaus zum »Hoffnungsträger« avanciert. Bis, ja bis die Sache mit der Doktorarbeit kam. Seither zeigt sich, dass der forsche Freiherr doch jemanden in seinem Gefolge braucht, der ihn mit Geist und Geschick durch die Schlachten lotst. Diese ganz offensichtliche Lücke versuchen seit gut einer Woche seine christsozialen Parteifreunde zu füllen. Mit mäßigem Erfolg. Oder maßvollem Engagement.

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, versuchte es anfänglich mit voller Breitseite und qualifizierte die Plagiatsvorwürfe als »politisch motivierten Angriff von ganz Linksaußen«, der eine »politische Sauerei« sei. Als die Zitatensammlung aus fremden Quellen in der Dissertation des Verteidigungsministers immer länger wurde, schalteten die Guttenberg-Parteigänger nicht etwa einen Gang zurück – andere CSU-Granden sprangen Friedrich bei und sprachen wahlweise von Hatz, Kampagne, Aufbauschen und einer jeder Verhältnismäßigkeit entbehrenden Debatte.

Gestern erklärten führende CSU-Funktionäre, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, bezeichnenderweise schon Stunden vor der Befragung des Delinquenten im Hohen Hause die Affäre als »ausgestanden« und »erledigt«, um damit der Opposition schon vorab viel Wind aus den Segeln zu nehmen. Kurz zuvor hatte am Dienstagabend CSU-Bundestagsabgeordneter Norbert Geis einen fast peinlichen Befreiungsschlag versucht. Guttenberg gehe durch ein »Stahlgewitter«, erklärte er Mitleid heischend in Sandra Maischbergers TV-Talkrunde und sah wiederum ungeachtet der erdrückenden Beweislage vor allem eine »Schmutzkampagne« gegen den Verteidigungsminister. Dass er damit weder bei der Ex-Grünen Jutta Ditfurth noch beim Kabarettisten Werner Schneyder auf Gegenliebe stieß, mag Geis kalkuliert haben. Dass aber der eines Angriffs von Linksaußen gänzlich unverdächtige Professor Arnulf Baring ihm nicht beisprang und den CSU-Superstar als Wissenschaftler gar zur »ziemlichen Null« erklärte, verblüffte ihn doch sichtlich.

So, wie vermutlich auch viele der Fans des Oberfranken mit dem Adelstitel. Wenn auch »Welt-online« zu berichten wusste, dass es an der Parteibasis nach anfänglichem Beistand auch Verunsicherung und Kopfschütteln gebe – auch jüngste Umfragen bestätigen Guttenberg einen hohen Beliebtheitsgrad. Das mag auch die Ursache für die zahlreichen Solidaritätsadressen von Parteichef Horst Seehofer an den Bundesverteidigungsminister sein. Erst hatte der bayerische Ministerpräsident ihm namens der CSU uneingeschränkte Solidarität versichert. Nach dessen zähneknirschendem Teilgeständnis im hessischen Kerkheim hatte Seehofer auch ganz persönlich nachgelegt: »Wenn ich ausspreche, dass ich zu jemandem stehe, dann gilt das auf Dauer«, erklärte er gegenüber dapd.

Derlei mag dem umtriebigen CSU-Chef nicht ganz leicht fallen. Wenn stimmt, dass Angela Merkel trotz all ihrer Verteidigungsreden das Straucheln der christsozialen Lichtgestalt so ungelegen nicht kommt, weil Guttenberg gar zu häufig als künftiger Kanzler gehandelt worden war – dann gilt das für Seehofer erst recht. Machtlos musste der heute 61-jährige Ingolstädter, der als eines von vier Kindern eines Lastwagenfahrers Jahrzehnte für seine Karriere arbeiten musste und erst 2008 am Ziel seiner Wünsche angekommen war, mit ansehen, wie der mit einem goldenen Löffel im Mund geborene Oberfranke als sein baldiger Nachfolger in Parteizentrale wie Münchner Staatskanzlei galt.

Aber so bitter das sein mag, Merkel wie Seehofer wollen (bislang jedenfalls) einen Abgang Guttenbergs nicht riskieren. Die eine bangt um einen ihrer Minister im ohnehin fragilen Bundeskabinett vor den demnächst anstehenden sechs Landtagswahlen in diesem Jahr. Der andere kann den CSU-Star bei Strafe der eigenen innerparteilichen Beschädigung nicht fallenlassen und hofft zudem auf den erfolgversprechenden Wahlkämpfer bei der herbeigesehnten Rückeroberung der absoluten CSU-Mehrheit in Bayern 2013, die er einst so voreilig wie vollmundig versprochen hat. Beider Anliegen müssen selbst eingefleischte Guttenberg-Konkurrenten wie Bayerns CSU-Minister Markus Söder und Christine Haderthauer schlucken. Dass beide sich auffällig bei der Verteidigung des Verteidigungsministers zurückhielten, spricht indes Bände und lässt doch manches offen.

** Aus: Neues Deutschland, 24. Februar 2011


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