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Rechte unter Waffen

Die Bundeswehr bietet immer wieder Nährboden für braune Biotope. Bestandsaufnahme als Buch erschienen

Von Birgit Gärtner *

Für Rechte hat es einen hohen Stellenwert, den Umgang mit Waffen und Sprengstoff zu erlernen. Auch »Tugenden« wie Härte und Disziplin sind angesagt. Kein Wunder also, daß die Bundeswehr eine große Anziehungskraft auf Neonazis ausübt. In dem Buch »Braunzone Bundeswehr – Rechtsum in der Männertruppe« stellt Autor Lucius Teidelbaum das Problem auf 84 Seiten dar. Von der Gründung der Truppe mit Nazigenerälen bis hin zur Wehrmachts-Traditionspflege in Zeiten der Bundeswehreinsätze in aller Welt. Nach der Lektüre bleibt die Frage: Wer kann sagen, wo und wie das bei »der Truppe« erworbene, unter Umständen tödliche Wissen eingesetzt wird?

Der im Januar 2011 ausgestrahlte Tatort »Heimatfront« packte ein heißes Eisen an: Afghanistan-Heimkehrer der Bundeswehr mit Posttraumatischer Belastungsstörung. Während offiziell »unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt« wurde, war in dem Krimi nicht nur von Krieg die Rede – er zeigte auch schonungslos, wozu ausge­musterte Elitesoldaten »zu Hause« fähig sind: Mitunter mutieren sie zu völlig außer Kontrolle geratenen Kampfmaschinen. Denkbar wäre ein derartiger Prozeß auch aus politischen Gründen.

1996 gründete der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) die Kommando-Spezialkräfte (KSK), stationiert in der Graf-Zeppelin-Kaserne im baden-württembergischen Calw. Die Elitetruppe geriet unter anderem in die Schlagzeilen, weil sich einzelne Mitglieder die Bezeichnung ihrer Blutgruppe unter den linken Arm tätowieren ließen, getreu der Tradition der Waffen-SS. Ein Foto aus dem Jahr 2001 zeigt einen Wolf-Geländewagen in Afghanistan, auf dessen Seitentür das nachgemachte Palmensymbol von Hitlers Deutschem Afrikakorps gesprüht wurde. Obwohl das Verteidigungsministerium bestritt, daß es sich um ein Bundeswehrfahrzeug handelte, gab ein Soldat an, Fahrzeuge mit diesem Symbol auch am Standort in Calw gesehen zu haben. Der ehemals ranghöchste KSK-Offizier Reinhard Günzel bekannte sich nach seiner Entlassung 2003 offen zum rechten Lager und publizierte in einschlägigen Verlagen kriegsverherrlichende Schriften.

Die KSK rekrutieren sich zu einem erheblichen Teil aus der Gebirgsjägertruppe, die seit 1957 alljährlich im Mai ein Veteranentreffen veranstaltet – ein Stelldichein von aktiven Bundeswehrsoldaten, Reservisten und Veteranen aus Wehrmacht und Waffen-SS.

Am 50. Treffen im Jahr 2007 nahmen laut Teidelbaum etwa 1500 Personen teil. Darunter »auch der Kriegsverbrecher Joseph Scheungraber, der in Italien in Abwesenheit wegen 14fachen Mordes in Falzano zu lebenslanger Haft verurteilt war … Das hinderte weder den Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) daran, die Rede zu halten, noch die Bundeswehr an der Abstellung von 71 Soldaten zur Unterstützung des Treffens«.

Selbst wenn die rechten Tendenzen in der Bundeswehr nur ein Spiegelbild der Gesellschaft wären und nicht über denen in der Bevölkerung lägen, wäre das laut Teidelbaum »eine Bevölkerungsgruppe in der Größe der Einwohnerzahl von Chemnitz, die relativ problemlosen Zugang zu Waffen und einer militärischen Ausbildung hat«.

Das erlernte Handwerk läßt sich auch nach dem Wehrdienst professionell einsetzen: Die Bundesagentur für Arbeit hilft in Kooperation mit dem Berufsförderungsdienst der Bundeswehr ehemaligen Zeitsoldaten bei der Eingliederung, etwa im Bereich des Wachschutzes – ein bei Neonazis beliebtes Berufsfeld. So gelangen rechte Hooligans in Fußballstadien, weil sie von ihren braunen Kameraden bei der Security einfach durchgewunken werden (jW berichtete). Vielerorts, so etwa in Brandenburg oder Thüringen, werden rechte Wachleute zum »Schutz« von Flüchtlingsheimen eingesetzt. Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen rechten Umtrieben bei der Bundeswehr und Sicherheitsfirmen, die Neonazis beschäftigen, werden Abgeordnete der Bundestagsfraktion Die Linke mittels kleiner Anfragen an die Regierung zu klären versuchen.

Lucius Teidelbaum: Braunzone Bundeswehr – Rechtsum in der Männertruppe. Unrast Verlag, Münster 2012, 84 Seiten, 7,80 Euro

* Aus: junge Welt, Mittwoch 13. März 2013


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