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Bombodrom-Erfolg ansteckend

Politiker aus Niedersachsen und Bayern fordern Schließung von Truppenübungsplätzen

Nach dem Erfolg der Bombodrom-Gegner in Brandenburg entdecken auch Landespolitiker in Bayern und Niedersachsen ihre antimilitaristische Ader. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte am Donnerstag (9. Juli) seine Pläne für einen Luft-Boden-Schießplatz der Bundeswehr bei Wittstock endgültig aufgeben müssen. Nun fordert sein Parteifreund, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, auch den Luftwaffenübungsplatz Nordhorn zu schließen. »Wir erwarten die Verlagerung der Einsätze ins Ausland und in Simulatoren und damit die Aufgabe unseres Platzes«, sagte Wulff der Tageszeitung Die Welt. Dem schloß sich der Landrat des Landkreises Grafschaft Bentheim, Friedrich Kethorn, ebenfalls CDU, an. Er erinnerte daran, daß die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Militärareals Nordhorn auch die Justiz beschäftigt. »Seit anderthalb Jahren liegt den Gerichten eine Gemeinschaftsklage der Landkreise Grafschaft Bentheim und Emsland sowie verschiedener betroffener Gemeinden vor«, so Kethorn. Hintergrund der Klage sei, daß seinerzeit, als die Verantwortung für den Übungsplatz von den Briten an die Bundesrepublik Deutschland übergeben wurde, »die Träger öffentlicher Belange nicht in den Entscheidungsprozeß einbezogen wurden«. Zuvor hatten sich bereits bayrische Politiker dafür ausgesprochen, auf den Truppenübungsplatz Siegenburg im Kreis Kelheim zu verzichten.

Die Linke in Niedersachsen begrüßte Wulffs Vorstoß. Die Belastung der Anwohner durch Tages- und Nachtflüge sei nicht akzeptabel, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Landtag, Christa Reichwaldt. Problematisch sei außerdem die Nähe des Schießplatzes zum Atomkraftwerk Emsland und den Chemiebetrieben in Lingen.

Die Bundesregierung wies die Forderungen am Montag (13. Juli) zurück. Thomas Raabe, Sprecher des Verteidigungsministeriums, bekräftigte in Berlin, die Bundeswehr wolle an den Übungsplätzen in Nordhorn und Siegenburg festhalten. Er wies darauf hin, daß die Luftwaffe heute schon rund 75 Prozent ihrer Übungen im Ausland abhalte. Den mehr als 1600 Übungseinsätzen im Ausland stünden aktuell 318 Übungen in Nordhorn und 98 in Siegenburg pro Jahr gegenüber. Bei allen technischen Neuerungen müsse es weiterhin die Möglichkeit geben, in Deutschland die Fähigkeiten der Luftwaffe zu trainieren.(ddp/jW)

* Aus: junge Welt, 14. Juli 2009


Wulff: "Nordhorn Range" schließen

Nach Bombodrom-Verzicht Streit um Bombenabwurfplätze in Niedersachsen und Bayern

Der Verzicht des Verteidigungsministeriums auf das Bombodrom in Brandenburg hat einen Streit über die anderen Übungsmöglichkeiten der Luftwaffe in Deutschland entfacht.

Berlin (dpa/ND). Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff forderte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) auf, auch den Luft-Boden-Schießplatz »Nordhorn Range« zu schließen. Jung lehnte das aber ab: »Die Bundeswehr muss, wenn sie Deutschland verteidigen soll, auch in Deutschland üben können«, sagte er am Montag der dpa in Berlin. Der Verzicht auf die Nutzung des Bombenabwurfplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg bedeute keine Mehrbelastung für das Gelände in Niedersachsen, erklärte Jung weiter.

Das Verteidigungsministerium hatte vergangene Woche nach einem jahrelangem Streit entschieden, dass die Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock nicht zum dritten Bombenabwurfplatz in Deutschland ausgebaut wird. Das Bombodrom sollte die anderen Übungsgelände in Siegenburg (Bayern) und Nordhorn (Niedersachsen) vom Fluglärm entlasten. Niedersachsens Regierungschef Wulff forderte nun in der Zeitung »Die Welt«: »Wir erwarten die Verlagerung der Einsätze ins Ausland und in Simulatoren und damit die Aufgabe unseres Platzes.« Nachdem Jung seine Pläne für den Luft- Boden-Schießplatz in Nordbrandenburg aufgegeben und damit eine gleichmäßige Lastenverteilung verhindert habe, sei nichts anderes vertretbar. Wulff befürchtet, dass die »Nordhorn Range« verstärkt von der Bundeswehr genutzt wird und die Lärmbelästigung für die Menschen in der Region damit steigt.

Bayern will dagegen an dem umstrittenen Bombenabwurfplatz im niederbayerischen Siegenburg grundsätzlich festhalten. Die Bundeswehr müsse notwendige Übungsmöglichkeiten haben, sagte Staatskanzleichef Siegfried Schneider (CSU) am Montag in München. »Bayern steht zur Bundeswehr.« Der Freistaat werde nun mit dem Bund und den US-Amerikanern über die weitere Nutzung Siegenburgs reden. Bayern werde aber genau darauf achten, dass Siegenburg nicht stärker als bisher belastet werde. Niederbayerische Politiker hatten zuvor auch eine Schließung von Siegenburg verlangt.

Der Sprecher von Verteidigungsminister Jung, Thomas Raabe, sagte angesichts der Proteste: Parlamentarier forderten einerseits eine bessere Unterstützung des internationalen Afghanistan- Einsatzes durch die Luftwaffe, Politiker wollten andererseits gar keine Übungsflüge in Deutschland.

»Beides geht nicht.« Mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz sagte Raabe: »Wenn Sie mit einem Piloten sprechen, wird er Ihnen sagen: Es ist nicht zu ersetzen, dass der Echtbetrieb, der realistische Einsatz gerade bei diesen schwierigen Manövern notwendig ist, und dass das leider nicht zu ersetzen ist durch Simulation.« Im Jahr 2007 habe es in Nordhorn 318 Übungen und in Siegenburg in Bayern 95 gegeben. 1650 Übungen seien im Ausland geleistet worden.

Im niedersächsischen Nordhorn und dem Kreis Grafschaft Bentheim ist die Sorge vor einem Anstieg der Übungsflüge dennoch groß. Bürgermeister und Landrat baten Verteidigungsminister Jung in einem Brief um ein Gespräch. Kommunen in der Region hatten bereits im vergangenen Jahr eine Klage gegen die »Nordhorn Range« vor dem Osnabrücker Verwaltungsgericht eingereicht. Auch Siegenburgs Bürgermeister Franz Kiermaier (CSU) kündigte in den Medien an, gegen den weiteren Betrieb des Bombenabwurfplatzes zu klagen.

Friedensritt für »Offene Heide«

Magdeburg (epd/ND). Die Bürgerinitiative »Offene Heide« in Sachsen-Anhalt will ihren Protest gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide ab Freitag mit einem einwöchigen »Friedensritt« fortsetzen. Damit finde diese Aktion der Friedensbewegung zum dritten Mal in Sachsen-Anhalt statt, teilten die Initiatoren am Montag mit. Der »Friedensritt« führe seit 1984 in jedem Sommer zu politischen Brennpunkten, hieß es. Die Colbitz-Letzlinger Heide war bereits 1994 und 1996 Ziel der Aktion.

In der Colbitz-Letzlinger Heide betreibt die Bundeswehr ein rund 60 000 Hektar großes Gefechtsübungszentrum. Die Fläche macht rund ein Drittel der Heidelandschaft nördlich von Magdeburg aus. Die Protestwanderungen der 1993 gegründeten Bürgerinitiative finden in der Regel jeweils am ersten Sonntag im Monat statt.



** Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2009


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