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Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung

Neue Kommandostrukturen in der Bundeswehr - Anlage zu einer Weisung des Bundesverteidigungsministers vom 21. Januar 2005

Der "Berliner Erlass" des Verteidigungsministers vom 21. Januar 2005 löst die fast 35 Jahre alte Regelung aus dem Jahr 1970 ab, die der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt an der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg-Blankenese erarbeiten ließ. Die Bedeutung dieses auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Vorgangs liegt darin, dass Peter Struck die ministerielle Leitungsebene neu ordnet und mit Blick auf den Auftrag der Bundeswehr, wie ihn die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" definieren, optimiert. Folgerichtig fügt sich der neue Erlass nahtlos in eine Bundeswehrreform, die sich konsequent an die Empfehlungen der Weizsäcker-Kommission hält.
Eine Kritik am "Berliner Erlass" können Sie hier lesen:
"Der erste Soldat im Staat".)

Im Folgenden dokumentieren wir den "Berliner Erlass", der am 21. Januar in Kraft trat, im Wortlaut.



Anlage zu BM vom 21. Januar 2005

Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung


1 - Militärische Spitzengliederung

1.1 - Leitung

Der Bundesminister der Verteidigung (Minister) ist Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte (Art. 65a GG [1]). Er ist höchster Vorgesetzter aller Soldaten der Bundeswehr.
Soweit der Minister in der Leitung des Ministeriums, einschließlich des Weisungsrechts als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, durch die Staatssekretäre vertreten wird, besitzen diese die gleichen Befugnisse wie der Minister selbst. Darüber hinaus erteilen sie im Rahmen der ihnen zugewiesenen Verantwortlichkeiten [2] Weisungen aufgrund ihrer Stellung als Staatssekretäre.

1.2 - Militärischer Bereich

Unterhalb der Leitung stehen – unbeschadet der Verantwortung des Ministers als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt – der Generalinspekteur der Bundeswehr und die Inspekteure der Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine, der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sowie der Inspekteur der Streitkräftebasis (Inspekteure) an der Spitze der Streitkräfte. Aus seiner Verantwortung, insbesondere für die streitkräftegemeinsamen Aufgaben, ergibt sich eine herausgehobene Stellung des Generalinspekteurs der Bundeswehr als zentrale militärische Instanz.

2 - Verantwortlichkeiten im militärischen Bereich

2.1 - Generalinspekteur der Bundeswehr

2.1.1 - Stellung des Generalinspekteurs der Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist
  • die der Leitung nachgeordnete ministerielle Instanz zur Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben; er hat hierzu
    • Weisungsrecht gegenüber den Inspekteuren und ist deren Vorgesetzter nach § 3 der Vorgesetztenverordnung und insoweit Hauptabteilungsleiter,
    • Inspektionsrecht gegenüber den Streitkräften,
    • Weisungsrecht gegenüber den zuständigen Befehlshabern bei Einsätzen der Bundeswehr und Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen,
  • der militärische Berater der Leitung des BMVg und der Bundesregierung,
  • als ranghöchster Soldat der Bundeswehr ihr höchster militärischer Repräsentant,
  • der Vertreter der Bundeswehr in den internationalen Gremien, in denen die Chefs der Stäbe der Gesamtstreitkräfte verbündeter oder befreundeter Staaten auftreten,
  • Vorgesetzter der Soldaten des Führungsstabes der Streitkräfte nach § 3 der Vorgesetztenverordnung.
2.1.2 - Verantwortlichkeiten des Generalinspekteurs der Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist der Leitung verantwortlich für
  • die Entwicklung und Realisierung der Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung; hierzu gehören insbesondere die
    • Bundeswehrplanung,
    • Weiterentwicklung der Bundeswehr,
    • Einsatzfähigkeit der Streitkräfte durch die Festlegung der für die Auftragerfüllung der Streitkräfte erforderlichen Fähigkeiten und deren Zuordnung zu den Organisationsbereichen,
    • Analyse der Fähigkeiten der Bundeswehr und die daraus abzuleitende Bedarfsermittlung (personelle und materielle Ausstattung der Streitkräfte),
    • Festlegung, Priorisierung und das Stellen der Forderungen an den bedarfsdeckenden Bereich,
  • die Planung, Vorbereitung, Führung und Nachbereitung von Einsätzen der Bundeswehr,
  • alle streitkräftebezogenen ministeriellen Fachaufgaben, auch soweit diese im Ministerium in der Zuständigkeit der ihm insoweit unterstellten Inspekteure wahrgenommen werden,
  • die Vorgabe streitkräftegemeinsamer Grundsätze; dies schließt grundsätzliche Vorgaben zur Ausgestaltung der Führung, der Ausbildung, der Inneren Führung und der Politischen Bildung, zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft und zur Wahrnehmung der Materialverantwortung ein.
2.1.3 - Unterstützung des Generalinspekteurs der Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr wird bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt
  • durch den Führungsstab der Streitkräfte (Fü S), der ihm als ministerieller Stab unmittelbar zugeordnet ist und dessen Arbeiten durch einen Chef des Stabes koordiniert werden.
    Neben den für den Generalinspekteur der Bundeswehr wahrzunehmenden Aufgaben bearbeitet der Fü S truppendienstliche und organisationsbereichspezifische Angelegenheiten der Streitkräftebasis, insoweit ist der Fü S zugleich militärische Kommandobehörde.
  • durch die Inspekteure mit ihren Führungsstäben,
  • bei gemeinsamen Angelegenheiten der Streitkräfte von grundsätzlicher Bedeutung durch den Militärischen Führungsrat,
  • bei grundsätzlichen und wesentlichen Einsatzangelegenheiten durch den Einsatzrat,
  • bei Fragen der Sicherstellung der materiellen Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr durch den Rüstungsrat.
2.1.4 - Vertretung des Generalinspekteurs der Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat zwei Stellvertreter, von denen einer zugleich Inspekteur der Streitkräftebasis ist.
  • Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr vertritt den Generalinspekteur der Bundeswehr bei dessen Abwesenheit umfassend in allen Verantwortlichkeiten. Er ist ständiger Anwesenheitsvertreter in allen ministeriellen Fachaufgaben nach Maßgabe der vom Generalinspekteur der Bundeswehr festzulegenden Aufgabenzuordnung; er ist keine ministerielle Instanz.
  • Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis ist ständiger Anwesenheitsvertreter in allen ministeriellen Fachaufgaben nach Maßgabe der vom Generalinspekteur der Bundeswehr festzulegenden Aufgabenzuordnung; insoweit ist er keine ministerielle Instanz.

2.2 - Inspekteure

2.2.1 - Stellung der Inspekteure

Die Inspekteure der Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine sowie der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und der Inspekteur der Streitkräftebasis (Inspekteure)
  • führen ihren jeweils nachgeordneten Organisationsbereich als truppendienstliche Vorgesetzte; sie sind gegenüber den Soldaten ihres nachgeordneten Organisationsbereichs Vorgesetzte nach § 1 der Vorgesetztenverordnung, Disziplinarvorgesetzte und Einleitungsbehörde.
  • haben zugleich die Stellung ministerieller Abteilungsleiter; als solche sind sie dem Generalinspekteur der Bundeswehr nachgeordnete ministerielle Instanzen zur Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen ministeriellen Fachaufgaben.
  • sind Vorgesetzte der Soldaten des sie unterstützenden Führungsstabes nach § 3 der Vorgesetztenverordnung.
Alle Vorgänge an die Leitung – ausgenommen in truppendienstlichen Angelegenheiten – leiten die Inspekteure über den Generalinspekteur der Bundeswehr. Vorlagen an die Leitung in truppendienstlichen Angelegenheiten geben die Inspekteure dem Generalinspekteur der Bundeswehr zur Kenntnis. Im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten gegenüber der Leitung gemäß Ziffer 2.2.2. haben sie unmittelbares Vortragsrecht bei der Leitung.

2.2.2 - Verantwortlichkeiten der Inspekteure

Die Inspekteure sind verantwortlich
  • gegenüber der Leitung für die Wahrnehmung ihrer truppendienstlichen Aufgaben einschließlich der Herstellung und Erhaltung der Einsatzbereitschaft der von ihnen geführten Organisationsbereiche im Rahmen der ihnen hierfür zugeteilten Kräfte und Mittel und gebilligten Strukturen.
  • gegenüber dem Generalinspekteur der Bundeswehr für die Wahrnehmung der ihnen von der Leitung zugewiesenen ministeriellen Fachaufgaben, einschließlich der Materialverantwortung.
Die vom Generalinspekteur der Bundeswehr vorgegebenen streitkräftegemeinsamen Grundsätze sind zu beachten.

2.2.3 - Unterstützung der Inspekteure

Die Inspekteure werden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch den jeweiligen Führungsstab unterstützt:
  • der Inspekteur des Heeres durch den Führungsstab des Heeres (Fü H),
  • der Inspekteur der Luftwaffe durch den Führungsstab der Luftwaffe (Fü L),
  • der Inspekteur der Marine durch den Führungsstab der Marine (Fü M),
  • der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr durch den Führungsstab des Sanitätsdienstes (Fü San),
  • der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis in seiner Funktion als Inspekteur der Streitkräftebasis durch den Fü S.
Die Führungsstäbe, deren Arbeiten durch Chefs der Stäbe koordiniert werden, sind ministerielle Abteilungen und zugleich militärische Kommandobehörden.

2.2.4 - Vertretung der Inspekteure

Die Stellvertreter der Inspekteure sind deren ständige Anwesenheitsvertreter nach Maßgabe der durch die Inspekteure festzulegenden Aufgabenzuordnung; sie sind keine ministeriellen Instanzen.

Sie vertreten die Inspekteure bei deren Abwesenheit umfassend in allen Verantwortlichkeiten. Die Abwesenheitsvertretung des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis erfolgt durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr.

3 - Unterstützende Gremien

Zur Erfüllung seiner Aufgaben stützt sich der Generalinspekteur der Bundeswehr auf Beratungen im Militärischen Führungsrat, im Einsatzrat und im Rüstungsrat. Bestehende Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse werden durch eine Beratung in diesen unterstützenden Gremien nicht berührt.

3.1 - Militärischer Führungsrat (MFR)

Der MFR erörtert die für die Streitkräfte gemeinsamen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung und wesentlicher Art. Ziel der Erörterung ist eine streitkräftegemeinsame Willensbildung als Grundlage für Entscheidungen des Generalinspekteurs der Bundeswehr.

Mitglieder des MFR sind der Generalinspekteur der Bundeswehr und die Inspekteure. Den Vorsitz führt der Generalinspekteur der Bundeswehr. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr nimmt an den Sitzungen des MFR teil; weitere Teilnehmer können nach Maßgabe des Vorsitzenden hinzugezogen werden.

Können Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern nicht ausgeräumt werden, entscheidet der Generalinspekteur der Bundeswehr abschließend in eigener Verantwortung, falls er die Angelegenheit wegen ihrer Bedeutung nicht der Leitung vorträgt.

3.2 - Einsatzrat

Der Einsatzrat erörtert mit dem Ziel der gemeinsamen Willensbildung grundsätzliche und bedeutsame Angelegenheiten des Einsatzes der Bundeswehr. Er dient
  • der Unterstützung des Generalinspekteurs der Bundeswehr im Rahmen dessen Verantwortung für die Planung, Vorbereitung und Führung von Einsätzen der Bundeswehr für
    • seine Empfehlungen an die Leitung und
    • seine Entscheidungen,
  • der ministeriellen Abstimmung der in den militärischen und zivilen Organisationsbereichen wahrzunehmenden Aufgaben als Grundlage für die im Ministerium zu treffenden Entscheidungen.
Die Ergebnisse der Beratungen des Einsatzrates sowie davon grundlegend abweichende Auffassungen von Mitgliedern des Einsatzrates sind der Leitung vorzutragen.

3.3 - Rüstungsrat

Der Rüstungsrat erörtert grundsätzliche und bedeutsame Fragen der Rüstung. Insbesondere werden rüstungsplanerische Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, Erfordernisse zur Weiterentwicklung oder veränderten Schwerpunktsetzung der Fähigkeiten der Bundeswehr und wesentliche Einzelprojekte der Rüstung behandelt.

Der Rüstungsrat dient
  • der Unterstützung des Generalinspekteurs im Rahmen seiner Verantwortung für die Bundeswehrplanung und für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte für
    • seine Empfehlungen zu bedeutsamen Einzelprojekten der Rüstung an die Leitung und
    • seine Entscheidungen,
  • der Koordinierung erforderlicher Aktivitäten zur Sicherstellung der materiellen Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr unter Berücksichtigung der Planungen für Organisation, Personal, Infrastruktur und Betrieb.
Die Ergebnisse der Beratungen des Rüstungsrates werden in der Material- und Ausrüstungsplanung, im Bundeswehrplan, in den Voranschlägen zum Haushalt und im Beitrag des BMVg zur Finanzplanung des Bundes berücksichtigt.

4 - Verantwortlichkeiten der Leiter der zivilen Abteilungen und Stäbe

Die Verantwortlichkeiten der Leiter der zivilen Abteilungen und Stäbe bleiben unberührt.

5 - Organisation

Militärische Aufgaben, die mehr als einen militärischen Organisationsbereich betreffen, sind streitkräftegemeinsame Aufgaben und im Ministerium grundsätzlich im Fü S wahrzunehmen. In den übrigen Führungsstäben sind solche Aufgaben – neben den Aufgaben im Rahmen der truppendienstlichen Verantwortung der Inspekteure – dann abzubilden, wenn dies aus Gründen der Sachnähe geboten ist.

Die fachdienstlichen Aufgaben der Streitkräfte auf dem Gebiet des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr (sanitätsdienstliche Aufgaben) werden grundsätzlich im Fü San wahrgenommen.

Bei der Zusammenarbeit innerhalb der Führungsstäbe sowie zwischen den Führungsstäben, den Abteilungen und Stäben sind die einschlägigen Regelungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) und der Ergänzenden Geschäftsordnung des Bundesministeriums der Verteidigung (GO-BMVg) zu beachten.

[Fußnoten]

1 „Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte auf den Bundeskanzler über.“ (Art. 115b GG)

2 Die Verantwortlichkeiten in der Leitung und die Verantwortlichkeiten für Einsätze der Bundeswehr im Ausland im Frieden sowie für Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen im In- und Ausland im Frieden sind Gegenstand gesonderter Ministerweisungen.

Quelle: Homepage des Bundesverteidigungsministeriums: www.bmvg.de


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