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EADS baut Pfusch, will aber Geld nachtanken

Kunden akzeptieren A400M-Light-Konstruktion / Rüstungskonzern versucht Erpressertour auch bei "Talarion"-Projekt

Von René Heilig *

»Wir sind bereit, konstruktiv an einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zu arbeiten«, sagte Louis Gallois, Chef des Airbus-Konzerns EADS in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Konstruktiv hat eine zweifache Bedeutung.

Alexander Bonde, der Rüstungsfachmann der Bundestags-Grünen, hat die Regierung gefragt, ob es bei den anstehenden Verhandlungen zur Beschaffung des Transportflugzeuges A400M »bezüglich wesentlicher Vereinbarungen wie etwa Preis, Stückzahl, Leistung und Lieferterminen« bleibe.

Christian Schmidt, Parlamentarischer Staatensekretär im Verteidigungsministerium, antwortete schwammig. Deutschland habe »ein großes Interesse an einer Einigung« und die Regierung stünde weiterhin »zu ihrer bisherigen Position, dass eine Lösung zur Fortführung des Programms im Rahmen des gegebenen Vertragskonstrukts erreicht werden muss«.

Am Donnerstag (14. Jan.), also bereits einen Tag bevor Bonde diese Antwort erhielt, hatten sich die Abnehmerländer Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Spanien und Türkei in London auf eine gemeinsame Position geeinigt. Da der im 2003er Vertrag festgelegte Preis eigentlich nicht verhandelbar ist, bot man den - im Doppelsinn - konstruktiven Kompromiss an. Zugunsten des Herstellers wolle man auf im Vertrag geforderte Flugeigenschaften verzichten. Damit akzeptiert der Kunde, dass die Airbus-Manager mehr versprochen haben, als ihre Konstrukteure halten können. Die Militärs sind sauer. Doch gerade in Krisenzeiten hat der Taschenrechner mehr Macht als die künftigen Nutzer. Und wenn es der politisch einzig mögliche Weg ist, die Produktion des A400M billiger zu machen ...

Im Vertrag zwischen Airbus und den Abnehmerländern ist ein Festpreis von gut 20 Milliarden Euro festgeschrieben. Obwohl Airbus »bummelte« und jetzt Pfusch verkaufen will, hatte der Konzern zu Jahresbeginn die Zahl von elf Milliarden Euro Mehrkosten genannt. Davon sollten die Vertragsstaaten einen erheblichen Teil übernehmen. Um die 5,3 Milliarden Euro hört man. Weigerten die Kunden sich, so Airbus-Chef Thomas Enders, werde man das Programm einstellen.

Das jedoch, so weiß Enders genau, ist den politisch Herrschenden unmöglich. Nicht nur weil sein Konzern dann einige Milliarden bereits kassierter Gelder zurückzahlen müsste. Nein, auch die »Leuchtturmfunktion« des derzeit wichtigsten europäischen Rüstungskooperationsprojekts wäre erledigt. Ebenso wie globale Ziele der deutschen »Sicherheits«politik. Spätestens ab 2013 hätte die Bundeswehr keine strategische Lufttransportkapazität mehr.

Derzeit wollen die sieben NATO-Staaten 180 Maschinen abnehmen, 60 werden mit dem Deutschen Kreuz bemalt. Ursprünglich waren 225 Maschinen geplant. Doch Italien und Portugal stiegen aus, Deutschland und die Türkei reduzierten ihre Wünsche. Auch der Export läuft nicht an. Chile und Südafrika sagten ab, lediglich Malaysia bestellte vier Maschinen.

Bis zum Ende des Monats haben sich Käufer wie Verkäufer eine Denkpause eingeräumt. Doch bereits Ende der Woche soll in Berlin bei einem Treffen der NATO-Abnehmerstaaten mit der EADS-Chefriege ein neuer Versuch unternommen werden, den Bau des Militärjets endgültig zu sichern.

Wer einmal vor EADS zurückweicht, der tut es vielleicht auch ein zweites Mal - mag man sich an der Konzernspitze denken. Wenn sich Deutschland, Frankreich und Spanien nicht bis zum Sommer auf eine verbindliche Bestellung des Aufklärungsroboters »Talarion« einigten, »müssen wir das Projekt einfrieren«, drohte EADS-Vorstand Stefan Zoller nun. Unabhängig von einer konfusen Drohnen-Politik im Berliner Verteidigungsministerium, will der EADS-Konzern eine Kaufgarantie. Obwohl es bislang nur ein Modell gibt. Der Erstflug ist erst für 2013 geplant. Die Entwicklung des Flugroboters würde die drei Staaten derzeit 1,5 Milliarden Euro kosten. Bislang haben sie 60 Millionen Euro investiert.

»Talarion« übrigens ist ein Kunstwort, abgeleitet von der griechischen Bezeichnung für die kleinen Flügelchen an den Sandalen des Götterboten Hermes. Die sollten ihn befähigen, schneller und weiter zu fliegen als andere. Tja, so etwas kostet natürlich extra ...

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2010


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