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Zurückhaltend schießen

Steinmeier schließt sich von der Leyens Wunsch nach mehr Engagement der Bundeswehr nicht direkt an

Von Markus Drescher und Uwe Kalbe *

Die Verteidigungsministerin will die Bundeswehr im Ausland öfter zum Einsatz bringen. Eine Debatte hat eingesetzt, in der ein Papier der Evangelischen Kirche wie gerufen wirkt.

»Selig sind Friedfertigen«. Mit diesem Zitat aus der biblischen Bergpredigt überschreibt die Kammer der Öffentlichen Verantwortung der EKD ihre Bilanz zum Afghanistan-Krieg, ein Jahr bevor die internationalen Truppen das Land verlassen sollen. Die Details in dem Papier lassen die Kritik allerdings weniger rigoros erscheinen, als der Titel suggerieren könnte. Es handele sich um eine »kritische und konstruktive Reflexion des Afghanistan-Einsatzes« und biete darüber hinaus eine »friedensethische und friedenspolitische Aufgabenbeschreibung und Orientierung für die Zukunft«, so erläutert der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, in einem Vorwort. Die Lehre, die die von der Kirche beauftragten Experten ziehen, lautet: Alles sähe jetzt ein ganzes Ende besser aus in Afghanistan, wenn es von Anfang an einen ordentlichen Einsatzplan gegeben hätte. Ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept »unter dem Primat des Zivilen« habe hingegen gefehlt, ebenso wie Ausstiegsszenarien. Dass die Realität des Krieges diesem Primat des Zivilen entgegenstand, bedingt von Anfang an durch die Kriegsziele der USA und ihre Waffengefährten, hindert die Autoren nicht daran, eine Verknüpfung der Bundestagsmandate für Auslandseinsätze mit zivilen Zielen zu fordern. Das Parlament müsse »stärker in die Friedenspflicht« eingebunden werden, verlangt Ratsvorsitzender Schneider. Und dass finanzielle Möglichkeiten für das zivile Engagement bedacht werden sollten. Schneider will den Nichtregierungsorganisationen die Arbeit erleichtern, nicht den Einsatz der Bundeswehr in Frage stellen.

Angesichts der aktuellen Diskussion um militärische Einsätze in Afrika verlangte Schneider bereits jetzt im Blick zu haben, wie sich Rechtswesen, Sicherheitsstruktur, Bildung und Infrastruktur aufbauen ließen. Diese Diskussion ist Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu verdanken, die zur Untermalung ihrer Verhandlungen mit Frankreich über eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr am französischen Agieren in Afrika für mehr oder weniger Zurückhaltung eingetreten waren. Von der Leyen für weniger, Steinmeier für mehr. Am Konsens beider Minister ändert das ebenso wenig wie an der Versicherung des Bundeskanzleramtes, zwischen Kanzlerin Angela Merkel sowie Verteidigungsministerin und Außenminister gebe es eine »enge Abstimmung«. Derzeit werde geprüft, »wo man nachjustieren muss«. Zuvor hatte von der Leyen in einem Interview gesagt, Deutschland müsse das militärische Engagement in Krisengebieten ausweiten. Hingegen beschrieb ein Sprecher des Außenamts Steinmeiers Haltung mit den Worten, die Kultur der militärischen Zurückhaltung sei »ein Ausdruck der deutschen Außenpolitik, der ihr gut ansteht«. Zugleich schränkte er ein: Dies sei aber »kein Dogma«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 28. Januar 2014


Krieg und Frieden

Markus Drescher über die Debatte um Bundeswehreinsätze **

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr nicht mehr zurückhalten. Umschrieben wird der neue deutsche Drang auf die Kriegs- und Krisenschauplätze der Welt als Übernahme von »mehr Verantwortung«. Und natürlich geht es nicht um Absatzmärkte, Rohstoffe, die Sicherung von Handelswegen und die Wahrung von Einflussbereichen, sondern um humanitäre Hilfe. Damit lässt sich gut argumentieren. Wer kann schon etwas dagegen haben, Menschen in Not zu helfen?

Das Problem daran ist, dass diese Not für NATO und EU nur dann interessant ist, wenn hinter diesem menschlichen Schutzschild die eigentlichen Interessen verborgen werden können. Dass sich tatsächlich jemand für die Menschen interessiert, glaubt wohl nur, wer auch denkt, im Kapitalismus könne es Gerechtigkeit geben.

Eine Ablehnung von Kriegseinsätzen aus offensichtlich ökonomischen und geostrategischen Gründen erspart einem aber leider nicht das Nachdenken darüber, ob der Einsatz von Militär und Gewalt nicht doch auch gerechtfertigt sein kann. Gerade am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die sowjetische Armee fällt es schwer zu verneinen, dass auch Soldaten Menschenleben retten können.

Der Einsatz von Militär ist nicht umsonst eine der umstrittensten Fragen in der Linken. Eine befriedigende Antwort darauf ist vielleicht nicht zu finden. Eine Diskussion darüber sollte das jedoch nicht unterbinden.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 28. Januar 2014


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