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Worte und Raketen

Brüssel und Berlin setzen zunehmend auf eine militärische Außenpolitik - ohne parlamentarische Kontrolle

Von Harald Neuber *

Die EU will 450 Militärausbilder und andere Soldaten nach Mali schicken, um die Armee des westafrikanischen Landes zu unterstützen. Dieser jüngste Beschluss eines Militäreinsatzes ist ein nur weiterer Beleg für die Wende in der Außenpolitik.

Immer mehr deutsche Soldaten und Polizisten werden im Ausland eingesetzt, ohne dass der Bundestag oder gar die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Das geht aus einer Studie hervor, die nun von der Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Sevim Dagdelen, veröffentlicht wurde. Die Entsendung deutscher Militärs und Polizisten zu Ausbildungszwecken steht damit im Einklang mit der EU-Außenpolitik, die zunehmend auf Interventionismus setzt. Brüssel und Berlin folgen damit dem Credo, das die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vor dem Europäischen Parlament so formuliert hat: Es gehe darum, alle zur Verfügung stehenden nationalen und europäischen außenpolitischen Mittel zu bündeln, um sich im zunehmenden Konkurrenzkampf um Rohstoffe zu behaupten.

Die Folge sei, so Dagdelen, ein »Gewaltexport in den Globalen Süden«, der erhebliche Auswirkungen auf die politischen Gegebenheiten in einzelne Staaten oder ganzen Regionen hat. Neu ist diese Politik jedoch nicht. Bereits 2004 hat die damalige Bundesregierung aus SPD und Grünen den »Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« verabschiedet, in dem die dauerhafte Zusammenarbeit militärischer und ziviler Akteure angestrebt wurde. Unterschiede zwischen Christ- und Sozialdemokraten sind in dieser Frage nicht erkennbar, schreibt Dagdelen und verweist auf eine Rede der Kanzlerin bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ebenfalls 2004 definierte Angela Merkel das Spektrum der deutschen Außenpolitik »von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern«.

Konkret heißt das: In Abstimmung mit dem neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst nimmt Deutschland eine stärker akzentuierte Rolle bei der militärischen Ausbildung alliierter Armeen ein. Alleine im Jahr 2010 wurden rund 900 Militärs aus 62 Staaten ausgebildet, darunter auch aus diktatorisch regierten Ländern oder Regimes, die - wie im Fall Burkina Fasos und Côte d’Ivoires - in Bürgerkriege verwickelt sind.

Die 25-seitige Studie Dagdelens verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle parteinaher Stiftungen. So unterhalte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung ein »Netzwerk der Generalstabsoffiziere westafrikanischer frankophoner Staaten«, das am Bürgerkrieg in Côte d’Ivoire beteiligt war. Bei einem blutigen Militärputsch in Guinea 2008 hätten von Deutschland ausgebildete Militärs eine führende Rolle gespielt.

Eine solche vorgelagerte Außenpolitik, die sowohl in Deutschland als auch der EU an Bedeutung gewinne, sei durch das Parlament kaum zu kontrollieren, kritisiert die Bundestagsabgeordnete. So sei nur zufällig publik geworden, dass sich Bundeswehrsoldaten in Chile aufhalten, weil die Männer von kriminellen Banden gekidnappt wurden. Anders als bei Kampfeinsätzen bestehe bei Ausbildungs- und Ausstattungsmissionen kein sogenannter Parlamentsvorbehalt, also keine Zustimmungspflicht des Bundestages. Die Konsequenzen formulierte der ehemalige Kriminaldirektor des Bundeskriminalamtes, Dieter Schenk, im Jahr 2010. Nach seiner Einschätzung unterhielt die Bundesbehörde zu dem damaligen Zeitpunkt über Verbindungsbeamte zu mindestens 18 Staaten Kontakt, in denen nachweislich gefoltert wurde.

Die Studie ist im Internet einsehbar unter:
www.sevimdagdelen.de

* Aus: neues deutschland, Freitag, 22. Februar 2013


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