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Britannien rüstet auf

Auf der Insel wurde am Freitag ein neues Atom-U-Boot zu Wasser gelassen. Mit Milliarden-Investitionen will London Globalisierungsprofite sichern

Von Dago Langhans *

Ein bißchen Mittelalter und viel High-Tech: Getauft von Lady Camilla, Herzogin von Cornwall, gesegnet von Graham Dow, anglikanischer Bischof von Carlisle, hat am Freitag ein neues U-Boot die Werfthalle des BAE-Geländes im nordwestenglischen Devonshire verlassen. Selbstverständlich anwesend waren die Managementspitzen des Rüstungsriesen, denen der Auftrag zur Modernisierung der britischen U-Boot-Flotte angedient worden war. Beim größten europäischen Rüstungskonzern (BAE Systems wurde 1999 aus British Aerospace und Marconi Electronic Systems gebildet) lief das erste von vier neuen Atom-U-Booten der Royal Navy vom Stapel. Mit militärischem Pomp, Tausenden Zuschauern, einem Popkonzert und abschließendem nächtlichen Feuerwerk wurde die Hochrüstung der britischen Marine gefeiert.

Die Schiffe sollen ab 2008 schrittweise die älteren Jagd-U-Boote der Swift­sure- und Trafalgar-Klasse ablösen. Ob und wann die neuen mit strategischen Atomraketen bestückten werden und damit die U-Boote der »Vanguard«-Klasse ersetzen, wird geheimgehalten. BAE hat zumindest mögliche Modifizierungskonzepte vorgeschlagen. Die 7200 Tonnen schweren Schiffe sind mit 98 Metern Länge deutlich größer als die Vorgänger. Zur beabsichtigten Bewaffnung gehören neben unter Wasser abschießbaren Seeziel-Marschflugkörpern »Subharpoon« des Rüstungsproduzenten Boeing und Hochgeschwindigkeitstorpedos »Spearfish« aus eigener BAE-Produktion auch herkömmliche Marschflugkörper »Tomahawk« des US-Waffenlieferanten Raytheon. Die Antriebsreaktoren sollen während der gesamten Dienstzeit keine Erneuerung des nuklearen Brennstoffs benötigen. Insgesamt werden die neuen Schiffe den britischen Steuerzahler 37 Milliarden Euro kosten.

Tugenden der Navy

Was sich das königliche Militär bei der Namensgebung der Schiffe gedacht hat, erschließt sich nicht gleich. »Astute«, »Ambush«, »Artful« und »Audacious« werden sie heißen. Übertragen verweisen die Schiffsbezeichnungen augenscheinlich sowohl auf militärisch als auch rüstungswirtschaftlich notwendige Grundeigenschaften: »Gerissenheit«, »Hinterhältigkeit«, »Durchtriebenheit« und »Waghalsigkeit«.

Geschmückt mit diesen vier Attributen betreiben britische Regierung und BAE ihre U-Boot-Modernisierung, die Bestandteil eines langfristigen Hochrüstungsprogramms der Navy ist. Auf Londons Wunschliste stehen auch zwei gigantische Flugzeugträger. Im Januar wurde außerdem mit dem Zerstörer »Dauntless« das zweite Schiff der neuen Daring-Klasse in der BAE-Werft Glasgow zu Wasser gelassen. Die bislang geschätzten Kosten allein für das Zerstörerprogramm (acht Schiffe bis 2014) belaufen sich auf 14,5 Milliarden Euro. Ob das geplante Kostenvolumen von 5,4 Milliarden Euro für die beiden Flugzeugträger einzuhalten ist, wird vielfach bezweifelt.

Der Journalist Robert Fox schrieb im April unter dem Titel »Ein Hauch von Korruption« im Guardian: »Der beschlossene Flugzeugträgerbau der beiden 60000-Tonnen-Giganten ruft in seiner seltsamen Mischung aus Größenwahn und Verzweiflungstat widersprüchliche Empfindungen hervor. Den Augen präsentieren sie sich an der Seite des Eurofighters und der neuen Daring-Zerstörerklasse als geldverschlingende neue Kolosse der Rüstungsindustrie, in der Nase jedoch hinterlassen sie einen leichten, aber durchdringenden Geruch von zwei großen Fässern mit grauem Sauerfleisch.«

Globalisierungsgewinner

Gestank hin, Milliardenkosten her – auf dem Inselstaat mit seinen gut 60 Millionen Einwohnern trauert man mit dem gewaltigen Rüstungsprogramm nicht nur vergangener Weltmacht nach. Der bis auf Rüstungswirtschaft und Pharmakonzerne nahezu komplett deindustrialisierte Staat muß die handfesten Eigeninteressen seiner speziell britischen Ökonomie verteidigen. Diese basiert weitgehend auf dem Couponschneiden beim globalen Monopoly. London ist neben New York eine der Weltmetropolen der imperialistischen Finanzindustrie. Aktien, Devisen und Rohstoffe werden hier gehandelt, die Spekulationsprofite verbleiben auf den Bankkonten der City. Wie kaum eine andere hochentwickelte kapitalistische Volkswirtschaft ist die britische auf »freien« Handel und Kapitalverkehr und das fragile Gelderzeugungssystem der globalen Finanzindustrie angewiesen. Ohne neoliberale Globalisierung könnte sich die Insel aus der Reihe der führenden Wirtschaftsmächte verabschieden. Vor allem deshalb steht London fest an der Seite der USA, um weltweit den Polizisten zur Sicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu spielen.

Die Rüstungskapazität des BAE-Konzerns ist trotz der Milliardenaufträge aus London für die Insel überdimensioniert. Trotz anhaltender Korruptionsuntersuchungen gegen ihn in verschiedenen Ländern sieht dessen Ausfuhrbilanz positiv aus. So meldete BAE Anfang Mai stolz das erste Exportgeschäft für U-Boote seit 20 Jahren. Die spanische Rüstungsfirma Navantia erwirbt von BAE Rumpfelemente für vier U-Boote mit Diesel-Elektroantrieb, die bei Navantia montiert werden. Ein Geschäft in Milliardenhöhe, bei dem BAE die Rüstungskonkurrenz aus Deutschland (Thyssen Krupp), Frankreich (Thales) und den USA abgehängt hat. »Dieser Vertrag markiert für uns eine willkommene Rückkehr in den Exportmarkt, obschon sich die Werft hauptsächlich auf das ›Astute‹-Programm konzentriert«, freute sich dann auch Murray Easton, Leiter der U-Boot-Branche bei BAE.

* Aus: junge Welt, 9. Juni 2007


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