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Prominenter Widerstand gegen Raketenabwehrpläne der USA

Wissenschaftler und Diplomaten melden sich zu Wort

Der Widerstand gegen die US-Raketenpläne nimmt im eigenen Land zu. Nachdem bereits der ehemalige Verteidigungsminister William Perry, der frühere Stabschef John Shalikashvili sowie eine Reihe führender Russland-Experten einen Aufschub der Entscheidung gefordert hatten, berichtete am 29. Juni die New York Times über einen Appell von US-Wissenschaftlern und Diplomaten an Präsident Clinton, die Raketenabwehrpläne zumindest noch einmal zu überdenken und zu verschieben. Eine Raketenabwehr der USA würde das Wettrüsten anheizen und insbesondere China herausfordern.

Über 40 US-Wissenschaftler und Diplomaten, darunter ein früherer US-Botschafter in China, fordern Präsident Bill Clinton auf, die Entscheidung über NMD (National Missile Defense) zu verschieben. Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt (Clinton will sich noch im Sommer/Herbst festlegen) würde "die Spannungen zwischen beiden Staaten verschärfen und eine Reihe negativer Schritte nach sich ziehen, welche die Sicherheit der USA untergraben könnten". Nach Ansicht der China-Experten ist für den Fall, dass die USA das geplante, mit 100 Abfangraketen ausgestattete NMD-System tatsächlich aufbauen, eine beschleunigte nukleare Aufrüstung der Volksrepublik China zu erwarten.

In diesem Zusammenhang spielt ein China-Jahresbericht aus dem Pentagon eine Rolle, der soeben veröffentlicht wurde. Darin, so heißt es in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau vom 30.06.00, werde ein sehr nüchternes Bild von der militärischen, insbesondere der nuklearen Schlagkraft der Chinesen präsentiert. Die Volksrepublik verfügt laut Pentagon gerade einmal über 18 Interkontinentalraketen mit der US-Bezeichnung CSS-4, die in der Lage seien, die USA zu erreichen. Daneben habe China nur über ein kleines nukleares Arsenal. Die Volksrepublik habe Atomsprengköpfe und "begrenzte Mittel" für ihren Einsatz entwickelt, um sich vor nuklearer Erpressung zu schützen und zu Gegenschlägen, aber nicht zum (vernichtenden) Erstschlag befähigt zu sein. Aufrüstung genieße keinen so hohen Stellenwert in der Politik der chinesischen Führung, wie im Westen oftmals angenommen wird. China sei sehr viel mehr mit Inlandsproblemen beschäftigt. Der chinesischen Führung gehe es vor allem darum, die Voraussetzungen für die "nationale Einheit und die innere Stabilität aufrechtzuerhalten". Das wichtigste Thema sei deshalb die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Unter den strategischen "vier Modernisierungen" rangiere die Landesverteidigung nach wie vor an vierter Stelle nach Industrie, Landwirtschaft und Wissenschaft, stellt der Pentagon-Bericht fest. Auf absehbare Zeit liege das technische Niveau der chinesischen Streitkräfte "zu weit hinter dem Westen zurück, um technisch fortgeschrittene Gegner wie USA oder Japan bedrohen zu können".

Die USA planen für nächsten Freitag (7. Juli) einen weiteren Raketenabfang-Test. Danach soll die Entscheidung über ein Anti-Raketen-Radar in Alaska und damit den Beginn der NMD-Entwicklung getroffen werden.

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