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Moskau lässt sich nicht auf Iran-Kuhhandel ein

Obama schrieb an Medwedjew und stellte angeblich Raketenschild zur

Von René Heilig *

US-Präsident Barack Obama hat seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedjew angeblich angeboten, auf den Aufbau des Raketenschutzschildes in Osteuropa zu verzichten. Im Gegenzug sollte Russland den USA dabei helfen, Iran an der Entwicklung von Langstreckenraketen zu hindern. Tauschgeschäfte ausgeschlossen, hörte man aus Russland.

Politische Hektik setzte ein, nachdem die »New York Times« in ihrer Dienstagausgabe Einzelheiten eines Obama-Briefes veröffentlichte und dabei offenbar zu viel Erwartungen erzeugte. Richtig ist, so korrigierte Kreml-Sprecherin Natalia Timakowa, dass Präsident Medwedjew vor rund drei Wochen einen Brief von Obama erhalten hat. Er war die Antwort auf die Botschaft des russischen Staatschefs zum Amtsantritt des US-Präsidenten.

Diplomatisch, doch ebenso bestimmt hört man aus Moskau, Obamas Schreiben enthalte Vorschläge und Einschätzungen zur aktuellen Situation. Und ist laut Insidern schon deshalb ein Meilenstein in den bilateralen Beziehungen in der Nach-Bush-Ära. Man hoffe darauf, so sagt Moskau, dass das am Freitag bevorstehende Treffen der Außenminister Sergej Lawrow und Hillary Clinton mehr Konkretes zutage fördert.

Und für diese Gespräche sowie für die Tagesordnung eines bilateralen Spitzentreffens gab der Kreml-Chef bereits jetzt die Marschrichtung vor. Er schlägt dabei keineswegs die scheinbar ausgestreckte Hand Obamas aus: »Wenn die neue US-Regierung Vernunft an den Tag legt und eine neue Konstruktion vorschlägt, die sowohl von allen Europäern und den USA als auch von Russland akzeptiert wird, so sind wir bereit, das zu erörtern.« Doch, so fügt Russlands Präsident selbstbewusst hinzu: »Tauschgeschäfte« werde es nicht geben.

Obamas Brief, so schränken denn auch die anonymen Informanten der »New-York-Times« ein, enthalte nur Anregungen, die dazu dienen könnten, eine gemeinsame politische Front gegen Iran zu bilden. Solche Überlegungen sind jedoch mit Sicherheit nicht tragfähig. Russland steht der bisherigen US-amerikanischen Iran-Politik, die unter Bush vor allem auf Konfrontation ausgerichtet war, mit großer Skepsis gegenüber. Schließlich hat Moskau gute wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Teheran. Tausende russische Fachleute helfen Iran beim Aufbau des Atomkraftwerkes von Buschehr. Am 25. Februar hat das Kraftwerk seinen nichtnuklearen Probelauf begonnen. Russlands Energieminister Sergej Schmatko und Irans Atomchef, Vizepräsident Gholamresa Aghasadeh, versicherten sich aus diesem Anlass im iranischen Fernsehen gegenseitig ihrer friedlichen Absichten.

Die Beherrschung der Atomtechnologie wie auch Irans Fähigkeiten, Raketen großer Reichweite zu bauen, förderten in den USA wie in Israel stets Ängste vor angeblich aggressiven Absichten Teherans. Die waren das wichtigste Argument zum Aufbau eines US-Raketenabwehrsystems. Während in Tschechien Radargeräte installiert werden sollen, würden in Polen Raketenbatterien aufgestellt.

Dieser Abwehrgürtel ist ein Reizthema für Moskau, das strategische US-Basen vor seiner Haustür ablehnt. Präsident Medwedjew hatte damit gedroht, Kurzstreckenraketen vom Typ »Iskander« an der Ostsee zu stationieren, falls Washington an den Raketenplänen festhält. Doch schon kurze Zeit später wurden derartige Überlegungen von der russischen Seite aufgegeben. Mit dem Einzug Obamas ins Weiße Haus hofft man im Kreml auf eine pragmatische und verantwortungsvolle US-Politik.

Überdies ist die Annahme, dass Moskau Irans Raketenentwicklung maßgebend mitbestimmen kann, illusorisch. Iran kooperiert in diesen Fragen sehr eng mit Nordkorea. Die »Shabab 3« ist offenbar das sicherste iranische System, mit dem sowohl Satelliten als auch Sprengköpfe zu starten sind.

* Aus: Neues Deutschland, 4. März 2009


Druck auf Moskau

US-Regierung bereitet Konfrontation mit Iran vor. Rußland soll sich daran beteiligen

Von Knut Mellenthin **


Dient das US-amerikanische Raketenabwehr-Projekt in Mitteleuropa hauptsächlich dazu, Rußland zu einer Beteiligung am Konfrontationskurs gegen Iran zu zwingen? Wie die russische Zeitung Kommersant am Montag berichtete, hat Barack Obama seinem Kollegen Dmitri Medwedew vor drei Wochen einen geheimen Brief übergeben lassen, der darauf hindeutet. Der US-Präsident signalisiere darin Bereitschaft, die Stationierung des Systems in der Tschechischen Republik und Polen »neu zu überdenken«, falls Rußland erfolgreich dazu beiträgt, Iran zum Verzicht auf die Uran-Anreicherung zu veranlassen.

Die Quellen des Kommersant-Berichts, der in der US-Presse große Aufmerksamkeit fand, sind anonym. Verbindliche Zusagen soll der angebliche Brief nicht enthalten. Rußland habe bislang nicht geantwortet. Obama und Medwedew sollen erstmals am 2. April in London zusammenkommen.

Abgesehen von der Behauptung, es gebe ein Geheimschreiben Obamas, enthält der Bericht grundsätzlich nichts Neues. Der alte und neue Verteidigungsminister der USA, Robert Gates, erzählte am 20. Februar auf einem NATO-Treffen in Krakow: »Ich habe den Russen vor einem Jahr erklärt, daß es keine Notwendigkeit für Raketenanlagen (in Polen) gäbe, wenn es kein iranisches Raketenprogramm gäbe.« Und William Burns, Staatssekretär im US-Außenministerium, sagte vor wenigen Wochen in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax: »Wenn wir durch starke Diplomatie gemeinsam mit Rußland und unseren anderen Partnern die (iranische) Bedrohung verringern oder ausschalten könnten, so würde das selbstverständlich die Art beeinflussen, wie wir die Raketenabwehr betrachten.«

Am Wochenende hatten kontroverse US-amerikanische Aussagen über den Stand des iranischen Atomprogramms für Verwirrung gesorgt. Zuerst hatte Generalstabschef Mike Mullen in einem Interview mit CNN auf die Frage, ob Iran schon genug Material für eine Atombombe habe, geantwortet: »Wir nehmen das an, ganz offen gesagt.« Wenig später hatte Verteidigungsminister Gates jedoch im Gespräch mit dem Fernsehsender NBC widersprochen: »Sie sind nicht nahe dran an einem Materialvorrat (an waffenfähig angereichertem Uran). Sie sind zu diesem Zeitpunkt nicht nahe dran an einer Atomwaffe. Also haben wir noch etwas Zeit.«

Verschiedene Mainstream-Medien, darunter die New York Times, waren auf Mullens jüngstes Glaubensbekenntnis mit der falschen Behauptung eingestiegen, die Internationale Atomenergiebehörde IAEA habe in ihrem jüngsten Bericht vom 19. Februar »erstmals festgestellt«, daß Iran »genug nukleares Material für eine Bombe habe«. Genau dasselbe hatte das Blatt auch schon am 20. Februar behauptet.

Offenbar spielt die New York Times, jetzt mit ihren Autoren Tom Shanker und David E. Sanger, die gleiche desinformierende Rolle wie mit ihrer damaligen Starjournalistin Judith Miller im Vorfeld des Irak-Krieges. In Wirklichkeit sind im IAEA-Bericht keine Spekulationen über eine iranische Atombombe zu finden. Es wird lediglich sachlich registriert, daß Iran inzwischen (Stand Ende Januar) über 1010 Kilo schwach angereichertes Uran (3,49 Prozent) verfügt, wie es für die Produktion von AKW-Brennstäben benötigt wird. Dieses müßte auf über 90 Prozent angereichert werden, um waffenfähiges Uran zu erhalten. Die Schätzungen, wie viel schwach angereichertes Uran benötigt wird, um die für eine kleine Atombombe erforderlichen 20 bis 25 Kilo hochangereichertes Uran zu produzieren, gehen weit auseinander: Sie reichen von 1000 bis 1700 Kilo. Wobei die niedrigste Schätzung als politisch motiviert gelten muß.

Iran hat immer wieder erklärt, daß in seiner Verteidigungsphilosophie kein Platz für Atomwaffen ist und daß es nicht an deren Entwicklung arbeitet. Daß Iran technisch in der Lage wäre, Uran auf über 90 Prozent anzureichern, wird von der IAEA bezweifelt. Alle halbwegs seriösen Schätzungen, wie lange Iran bis zum Bau einer einsatzfähigen Atombombe brauchen würde, liegen zwischen zwei und fünf Jahren. Immer unterstellt, Iran wäre daran überhaupt interessiert und würde morgen damit beginnen.

** Aus: junge Welt, 4. März 2009


Weitere Meldungen

Obama hat keine neuen Initiativen zu Iran und Raketenabwehr vorgeschlagen

MADRID, 03. März (RIA Novosti). Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat von seinem US-amerikanischen Amtskollegen Barack Obama tatsächlich eine Botschaft erhalten. Aber sie enthält keine konkreten gegenseitig verpflichtenden Initiativen.

Das teilte Natalja Timakowa, Pressesprecherin des russischen Staatschefs, mit.

So kommentierte sie auf Journalistenanfragen die Meldungen einer Reihe von US-amerikanischen Massenmedien.

Am Montag hatte die Zeitung „New York Times“ berichtet, dass die USA bereit seien, auf die Stationierung von Teilen des Raketenabwehrsystems in Europa im Austausch gegen die russische Hilfe bei der Lösung des iranischen Atomproblems zu verzichten.

„Präsident Medwedew erhielt tatsächlich von Präsident Obama ein Schreiben. Aber es war eine Antwort auf die Botschaft des russischen Staatschefs an den US-Präsidenten bald nach seinem Amtantritt“, erläuterte die Pressesprecherin.

„Medwedew würdigte die operative Antwort und den positiven Ton, in dem die Botschaft gehalten ist“, fügte Timakowa hinzu.

„Das Schreiben Obamas enthält verschiedene Vorschläge und Einschätzungen der laufenden Situation. Was aber irgendwelche konkreten Vorschläge oder gegenseitig verpflichtende Initiativen betrifft, so gibt es diese in der Botschaft nicht“, teilte sie mit.

„Die Agenda der russisch-amerikanischen Beziehungen, die heute gestaltet werden, wird von der russischen Seite als ausschließlich positiv bewertet. Wir hoffen darauf, dass das bevorstehende Treffen von Sergej Lawrow und Hillary Clinton es ermöglichen wird, sie mit konkreten Vorschlägen anzufüllen. Diese Vorschläge werden in der Folgezeit der Erörterung bei dem in London bevorstehenden Treffen von Medwedew und Obama zugrunde gelegt“, sagte Timakowa.

Aus: RIA Novosti, 3. März 2009

Obama: Annäherung zu Moskau wird Sorge der USA um Sicherheit der NATO nicht mindern

WASHINGTON, 03. März (RIA Novosti). Die von der neuen US-Administration angestrebte Annäherung zu Moskau wird sich auf keinen Fall auf das Bestreben Amerikas auswirken, um die Sicherheit seiner NATO-Verbündeten zu sorgen.

Das erklärte US-Präsident Barack Obama am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Washington, die er gemeinsam mit dem britischen Premier Gordon Brown gab. Die Beziehungen zu Russland standen ganz oben auf der Tagesordnung des Pressetreffens - nach einem Skandal um die jüngste Publikation in der "New York Times".

Das Blatt hatte berichtet, dass Obama in einem Schreiben an seinen russischen Kollegen Dmitri Medwedew die Bereitschaft der USA angekündigt hatte, auf die geplante Stationierung einer Raketenabwehr in Osteuropa zu verzichten, wenn Russland bei der Lösung des iranischen Atomproblems helfen wird.

Der Inhalt seines Schreibens an Medwedew sei von der Presse "ungenau wiedergegeben" worden, bemängelte Obama. "Der Brief enthielt keinen Vorschlag, Leistungen auszutauschen."

"Er (Obama) will nach Kräften zeigen, dass seine Sorge um die Sicherheitsinteressen Polens, Tschechiens und anderer NATO-Verbündeten infolge einer Annäherung zu Moskau nicht beeinträchtigt wird", heißt es in einer Erklärung des Weißen Hauses. Obama wiederholte ein weiteres Mal die von Journalisten geliebte Phrase, dass seine Administration in den Beziehungen zu Russland auf die "Reset"-Taste drücken will.
(...)

Aus: RIA Novosti, 3. März 2009


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