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Friedensgutachten 2001 vorgelegt

"Brennpunkt" Naher Osten - Weitere Schwerpunkte: Bundeswehrreform und Rüstungsexporte

Am Mittwoch, den 6. Juni 2001 veröffentlichten die fünf deutschen Friedensforschungsinstitute ihr Jahresgutachten 2001:
  • das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH),
  • die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt,
  • die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Heidelberg,
in Kooperation mit
  • Bonn International Center for Conversion (BICC),
  • Institut für Entwicklung und Frieden (INEF), Duisburg.
Das Friedensgutachten 2001 enthält 31 Analysen zu aktuellen Konflikten und sicherheitspolitischen Problemen mit dem Brennpunkt "Naher Osten". Die gemeinsame Stellungnahme der Herausgeber formuliert Empfehlungen für die praktische Politik.

Friedensgutachten 2001, hrsg. von Reinhard Mutz (IFSH), Bruno Schoch (HSFK), Ulrich Ratsch (FEST), LIT-Verlag: Münster 2001

Hierzu ein erster Artikel aus der jungen welt vom 7. Juni 2001:

Rot-Grün verdoppelt Rüstungsexporte
Friedensgutachten 2001 in Berlin präsentiert. Von Jana Frielinghaus


Fünf renommierte deutsche Friedensforschungsinstitute haben am Mittwoch mehr Transparenz bei der Diskussion über Notwendigkeit und Charakter der Bundeswehr gefordert. »Auch die reformierte Bundeswehr ist zu groß und zu teuer«, sagte Reinhard Mutz, stellvertretender Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2001. Die Bundeswehrreform sei »sicherheitspolitisch nicht in ausreichendem Maße begründet«. Während Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der KFOR in Mazedonien »vertretbar« seien, stünden auf der »Wunschliste« von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) »ganz andere Einsätze, die nicht öffentlich diskutiert werden«. Diese hätten »mit Verteidigung mit Sicherheit nichts zu tun«, betonte Mutz. (Vgl. hierzu den Beitrag von R. Mutz.) Im Gutachten werden Abrüstungsschritte, bei denen Europa auch gefahrlos vorangehen könne, als wichtigste Voraussetzung zur Verbesserung der Sicherheitssituation genannt. Die Bundesrepublik halte gemeinsam mit ihren 18 Alliierten in der NATO »rund vier Millionen Soldaten unter Waffen«. Die größte Truppenstärke außerhalb dieses Bündnisses habe Rußland aufzuweisen - mit einer Million Soldaten. Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik wird im Gutachten scharf kritisiert.

Mit Blick auf die deutschen Rüstungsexporte konstatieren die Wissenschaftler, daß sich die Rüstungsausfuhren 1999 gegenüber den Vorjahren verdoppelt haben - im Gegensatz zu den Regierungsabsprachen zwischen SPD und Grünen vom September 1998. 1999 sind Kriegswaffen im Wert von 2,8 Milliarden DM exportiert worden. Wichtigste Empfänger waren Israel mit 33,5 Prozent und die Türkei mit 22,6 Prozent. Außerdem wurde die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 6,5 Milliarden Mark genehmigt. Das Zugeständnis an das Verteidigungsministerium, Verkaufserlöse zur Finanzierung des Etats behalten zu dürfen, schaffe einen zusätzlichen Anreiz zur Veräußerung von ausgemustertem Rüstungsmaterial, fürchten die Forscher.

Ein Stopp der Waffenexporte an Israel gehörte indes nicht explizit zu den Forderungen der Gutachter, obwohl der israelisch-palästinensische Konflikt und Strategien zu dessen Bewältigung wesentlicher Schwerpunkt ihres Werkes ist. Die Wissenschaftler plädierten aber für mehr wirtschaftlichen Druck auf Israel. Dieses Mittel dürfe trotz der historischen Schuld Deutschlands kein Tabu sein. Die Friedensforscher schlugen als einen Sanktionsmechanismus das Aussetzen des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel vor, solange die israelische Regierung die Siedlungsaktivitäten in den Palästinensergebieten weiter verfolge. Eine wesentliche Ursache für den Nahost-Konflikt seien »kaum nachvollziehbare Ansprüche« auf israelischer Seite, die mit einem Eroberungsfeldzug einhergegangen seien. Gleichzeitig solle auf die palästinensische Autonomiebehörde, die von der EU jährlich 400 Millionen Euro erhalte, ökonomischer Druck ausgeübt werden. Die Palästinenser dürften kein »uneingeschränktes Rückkehrrecht« für alle Flüchtlinge fordern. Statt dessen sollten die arabischen Nachbarstaaten die palästinensischen Flüchtlinge endlich »in ihre sozialen Zusammenhänge« integrieren.

Vor dem geplanten amerikanischen Raketenabwehrschirm warnten die Forscher. Die Pläne stünden im Gegensatz zu den Konzepten kooperativer Sicherheit, wie sie in Europa entwickelt worden seien. Wer auf diese Weise das Abschreckungsgleichgewicht aus den Angeln heben wolle, bekomme immer nur einen »Frieden zu den Bedingungen des Stärkeren«.

Aus: junge welt, 7. Juni 2001

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