Gesucht: Die Rüstungsforscher von morgen
Das Luftfahrtunternehmen EADS sorgt sich um Nachwuchs und bittet Studierendenvertreter um Mithilfe
Von Michael Schulze von Glaßer *
Das Unternehmen EADS versucht mit
fragwürdigen Methoden, an Universitäten
Personal für die Rüstungsproduktion
zu rekrutieren.
Beim Allgemeinen Studierendenausschuss
der TU Darmstadt ging
vor einigen Tagen eine ungewöhnliche
E-Mail-Anfrage ein:
»Umfrage der Firma EADS«, heißt
es in der Betreffzeile. Dem zweitgrößten
Luft- und Raumfahrtunternehmen
der Welt geht es mit der
E-Mail darum, »die Erwartungen
der Bachelorabsolventen an die
künftigen Arbeitgeber« zu erfragen.
Dazu hat eine EADS-Mitarbeiterin
gemeinsam mit dem
»Head of Personalmarketing« des
Tochterunternehmens Cassidian
einen Fragebogen entwickelt, »der
den Arbeitgebern Aufschluss darüber
geben soll, welche Voraussetzungen
für Bachelorabsolventen
geschaffen werden müssen, um
diese bereits nach dem ersten Studienabschluss
rekrutieren zu können
«. Der an die E-Mail angehängte
Fragebogen richtet sich vor
allem an Studierende der Fächer
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,
Technik/Engineering
und Wirtschaftsingenieurswesen.
Nicht nur dies lässt
darauf schließen, dass es eigentlich
darum geht, neuen Nachwuchs
für die Rüstungsindustrie zu
finden. Das an der Befragung beteiligte
EADS-Tochterunternehmen
Cassidian stellt militärische
Kommunikations- und Elektroniksysteme,
Lenkflugwaffen und
Kampfflugzeuge her. Außerdem ist
es an der Erforschung und Entwicklung
unbemannter militärischer
Flugdrohnen beteiligt und
lässt den Bundeswehr-Kampfjet
»Eurofighter« bauen. Und so ist
auch unter der E-Mail als Impressum
die »Eurofighter Jagdflugzeug
GmbH« mit Sitz in Hallbergmoos
bei München angegeben.
»EADS und Cassidian wollen
von den Studierenden wissen, wie
sie ins Unternehmen geholt werden
können, und versuchen durch
die Anfrage gleichzeitig, den direkten
Kontakt mit dem potenziellen
Nachwuchs herzustellen«,
meint Nina Eisenhardt, Referentin
für Hochschulpolitik im Allgemeinen
Studierendenausschuss der
TU Darmstadt. Was die beiden
Rüstungsfirmen produzieren,
würde in der E-Mail, die wahrscheinlich
noch an viele andere
Studierendenvertretungen geschickt
wurde, gar nicht thematisiert:
»Wofür die Waffen da sind
und was sie anrichten können,
spielt in der Anfrage keine Rolle.«
Auch auf den Internet-Seiten der
Rüstungsunternehmen würde
schlicht die Technik angepriesen,
ohne auf die destruktive Zerstörungskraft
der Waffensysteme
einzugehen. Nina Eisenhardt
wünscht sich daher eine öffentliche
Diskussion um Rüstungsfirmen
und deren Rolle an Universitäten.
Wie nötig diese Diskussion
ist, zeigt nicht nur der dritte Platz
Deutschlands in der Liste der Länder
mit den größten Rüstungsexporten.
Die deutsche Waffenindustrie
ist auf Expansionskurs und
daher auf Nachwuchssuche. Derzeit
bewirbt sich ein europäisches
Konsortium, an dem EADS beteiligt
ist, um einen Rüstungsauftrag
aus Südkorea: 60 Eurofighter will
man bis zum Jahr 2020 an das
asiatische Land ausliefern. Das
Geschäft mit Südkorea, das sich
offiziell noch immer im Kriegszustand
mit seinem nördlichen
Nachbar befindet, soll einen Wert
von 5,5 Milliarden Euro haben.
Noch ist der Deal allerdings nicht
unterzeichnet.
Zumindest über die E-Mail-
Anfrage wird EADS keinen Kontakt
zum potenziellen Nachwuchs
in Darmstadt herstellen können:
Der AStA hat die E-Mail nicht an
die Zielgruppe weitergeleitet. Das
hat, wie Nina Eisenhardt erklärt,
allerdings einen ganz praktischen
Grund: »Solche Anfragen von Unternehmen
leiten wir grundsätzlich
nicht an die Fachschaften und
Studierenden weiter, da es einfach
viel zu viele sind.«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012
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