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"Katholischer Klerus war an Vernichtungslagern beteiligt"

Was uns der Geschichtsunterricht über die Zeit des Faschismus verschwieg: In Kroation wurden 600000 Serben umgebracht. Gespräch mit Barry M. Lituchy

Barry M. Lituchy lehrt Geschichte an einem College in New York City. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des »­Jasenovac Research Institute«.

Dieser Tage jährt sich zum 65. Mal die Auflösung des Konzentrationslagers Jasenovac in Kroatien. Der Nazijäger Simon Wiesenthal hat die dort an Serben begangenen Verbrechen zwar als die schwersten nach den Judenmorden bezeichnet - hierzulande weiß jedoch kaum jemand davon. Wieso eigentlich nicht?

Ein Grund dafür ist die Beteiligung der katholischen Kirche an diesen Verbrechen. Nachdem die deutschen Faschisten Jugoslawien überfallen und im April 1941 zerschlagen hatten, wurde auf dem Gebiet Kroatiens und Bosniens der »Unabhängige Staat Kroatien« ausgerufen. An dessenfaschistischem Ustascha-Regime war der katholische Klerus auf allen Ebenen beteiligt - von der Regierung bis hin zu den über 30 Vernichtungslagern, in denen vor allem Serben, Juden und Roma umkamen.

Jasenovac war das größte KZ in ganz Südosteuropa. Hinsichtlich der Opferzahl ist es nach Auschwitz, Majdanek und Treblinka das vermutlich viertgrößte überhaupt. Die genaue Zahl der Ermordeten wird man nie feststellen können - Wiesenthal spricht von 600000 Opfern.

Der katholische Klerus war also eine Mörderbande? Wie konnte das jahrzehntelang unter der Decke gehalten werden?

Die USA haben den Vatikan von jeher als Bollwerk gegen den Kommunismus gesehen - sie hatten also ein Interesse daran, ihn vor solchen Vorwürfen zu bewahren. Außerdem wollte die katholische Kirche selbst ihre Kollaboration mit den deutschen Faschisten vergessen machen. Nach dem 2. Weltkrieg hatte der kroatische Klerus Faschisten aus ganz Europa über die »Rattenlinie« zum Vatikan gebracht, von wo aus sie mit falschen Pässen in Südamerika untertauchten. Darunter waren auch die Massenmörder Josef Mengele und Adolf Eichmann. Die USA und Großbritannien unterstützten das und setzten viele Nazis als Agenten ihrer Geheimdienste ein.

Das Ende des Vernichtungslagers Jasenovac ist nicht genau zu datieren - warum nicht? Alles spielte sich zwischen Ende April und Anfang Mai 1945 ab. Im April bereitete die Ustascha die Liquidierung des Lagers vor, nachdem die jugoslawischen Partisanen immer wieder angriffen hatten. Auch die Rote Armee war nach Jugoslawien vorgedrungen.

Die Ustascha hatte unterdessen alle Frauen in dem Lager liquidiert, woraufhin einige der überlebenden 2000 Männer für den 22. April den Ausbruch planten. Unbewaffnet, wie sie waren, stellten sich Hunderte von ihnen der schwerbewaffneten Ustascha entgegen - 140 Häftlingen gelang die Flucht, der Rest wurde umgebracht. Die Klerikalfaschisten haben daraufhin alles zerstört und die noch verbliebenen Häftlinge ermordet. Als die Partisanen einmarschierten, fanden sie ein leeres Lager vor.

Sie haben Mitte der 1990er Jahre in New York das »Jasenovac Research Institute« gegründet, auf dem Höhepunkt einer neuen Propagandawelle gegen Serbien. Warum?

Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa ging es den führenden kapitalistischen Staaten darum, auch in Jugoslawien die sozialistische Wirtschaftsordnung zu zerschlagen. Seit Ende der 80er Jahre wurden dazu die Serben systematisch dämonisiert, und es wurden faschistische Organisationen reaktiviert, die sich u.a. in den USA, in Kanada, Australien und Lateinamerika gehalten hatten.

Franjo Tudjman führte Kroatien dann 1991 in die Unabhängigkeit, wobei er den Mythos der Ustascha wiederbelebte und deren Symbole benutzte. Die heutige Fahne Kroatiens basiert auf jener der Faschisten. Eine vergleichbare Entwicklung gab es in Bosnien: Alija Izetbegovic führte das Land erst in den Krieg und dann in die Unabhängigkeit. Im 2. Weltkrieg hatte er der vom SS-Führer Heinrich Himmler gegründeten Bewegung der Jungen Muslime angehört, die Teil der bosnisch-muslimischen SS-Division war.

Die Gründung des Instituts war für mich ein Mittel, den Lügen der NATO etwas entgegensetzen zu können. Ich denke, daß die Geschichte die wichtigste Waffe gegen die Lügen der 90er Jahre ist

Interview: Cathrin Schütz

* Aus: junge Welt, 6. Mai 2010

WHAT WAS JASENOVAC?

From August 1941 to April 1945, hundreds of thousands of Serbs, Jews, and Romas, as well as anti-fascists of many nationalities, were murdered at the death camp known as Jasenovac. Estimates of the total numbers of men, women and children killed there range from 300,000 to 700,000. And yet, despite the scale of the crimes committed there, most of the world has never heard of Jasenovac.

Following the Nazi invasion and dismemberment of Yugoslavia in April 1941, the "Independent State of Croatia" was established as a pro-Nazi government. It was dedicated to a clerical-fascist ideology influenced both by Nazism and extreme Roman Catholic fanaticism. On coming to power, the Ustashe Party dictatorship in Croatia quickly commenced on a systematic policy of racial extermination of all Serbs, Jews and Romas living within its borders.

Jasenovac was actually a complex of five major and three smaller "special" camps spread out over 240 square kilometers (150 square miles) in south-central Croatia. Along with hundreds of thousands of Serbs, some 25,000 Jews and at least 30,000 Romas were murdered in these camps. The names of some 20,000 murdered children of all three nationalities collected thus far by historians provides only a hint of the scale of the crimes committed there against children. Jasenovac is also known for having been one of the most barbaric death camps of the Holocaust for the extreme cruelty in which its victims were tortured and murdered. Jasenovac was not the only death camp in fascist occupied Yugoslavia, but it was by far the largest and the one in which a majority of the some one million victims of racial genocide in World War II fascist Croatia were exterminated.

But its significance also lies in the way in which the crimes have been concealed. Historians have called Jasenovac "the dark secret of the Holocaust" and "the suppressed chapter of Holocaust history." Public recognition of the tragedy that occurred there has been suppressed either partially or completely by governments and institutions for a variety of reasons. Today Jasenovac is located in the newly created state of Croatia, whose government has vandalized the site and refused to acknowledge the horrors that took place there. The failure of some leading Western academic and humanitarian institutions to fully recognize the historic dimensions of Jasenovac is a shameful omission that will tarnish their reputations forever.

But the enormity of the crimes committed at Jasenovac, the fact that the majority of the victims were Serbs who were killed simply for being Serbs, and the fact that the perpetrators included the Catholic Church, have made it an extraordinary and explosive issue that Holocaust deniers and historical revisionists cannot successfully manipulate for long should we focus all of our energies on bringing the truth to light. In doing so, we shall also unravel the whole ball of lies told about the history of Yugoslavia.

From the Brochure of the Jasenovac Research Institute, written by JRI Research Director Barry Lituchy, (c) 2000; www.jasenovac.org




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