Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Dollars für Hanoi

Vietnamesischer Premier in dieser Woche in Washington. Neue Abkommen sollen US-Kapitalexport erleichtern und weitere Kooperation befördern

Von Thomas Berger *

Im Verhältnis zwischen den einstigen Kriegsgegnern USA und Vietnam hat der Besuch des vietnamesischen Premiers in Washington diese Woche wichtige Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen. Dabei wurde endgültig die Ausarbeitung eines neuen Handels- und Investi­tionsabkommens auf den Weg gebracht, auf das vor allem namhafte US-Konzerne schon seit geraumer Zeit warten. Der beiderseitige Handel, zuletzt 2007 noch einmal um 30 Prozent auf 12,5 Milliarden US-Dollar gewachsen, könnte damit in seinem Volumen weiter steigen und eine neue Rekordhöhe erreichen.

Besonderer Schutz

Vietnams Regierungschef Nguyen Tan Dung traf sogar im Weißen Haus kurz mit dem scheidenden US-Präsidenten George W. Bush zusammen. Das Hauptaugenmerk des Besuchs lag indes auf den Gesprächen mit den Spitzen im US-Handelsministerium. Denn dort sitzen die unmittelbaren Partner, mit denen in den kommenden Monaten das neue Abkommen in seinen Details ausgehandelt werden wird. In den Grundsätzen scheint man sich bereits einig: US-Firmen werden in Zukunft bei ihren Investitionen in Vietnam auf ganz besonderen Schutz des Staates und eine gewisse Vorzugsbehandlung bei der Umsetzung von Vorhaben bauen können. Inwieweit eine ähnliche Ausnahmestellung allerdings im Umkehrschluß auch vietnamesischen Unternehmen eingeräumt wird, die auf den US-amerikanischen Markt wollen, muß sich erst zeigen.

Vieles spricht dafür, daß sich am bisherigen Ungleichgewicht nichts grundlegend ändern wird. Vietnam ist für die USA zwar ein interessantes Ziel für den Kapitalexport, rangiert als Handelspartner aber auf keinem vorderen Platz. In erster Linie setzen US-Firmen auf einen der am stärksten prosperierenden Märkte ganz Asiens. Denn trotz der zuletzt deutlich verstärkten Inflation haben die Vietnamesen in dieser Region der Welt neben China und Indien noch immer die stärksten Wachstumsraten ihrer Wirtschaft vorzuweisen. Diese hat sich seit »Doi Moi«, der 1986 eingeleiteten »vietnamesischen Perestroika«, auch immer weiter für Investoren aus dem Ausland geöffnet. Schon heute sind etliche US-amerikanische Konzerne vor Ort vertreten.

13 Jahre liegt es zurück, daß die einstigen Kriegsgegner im Indochinakonflikt ihre diplomatischen Beziehungen normalisierten. Im Jahr 2000, also 25 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs, besuchte US-Präsident William Clinton das südostasiatische Land. Das Jahr darauf gilt als Schlüsseljahr, in dem erstmals in großem Stil nordamerikanisches Kapital nach Vietnam floß. Seither konkurrieren dort US-Firmen mit ihren Rivalen aus Ostasien, vornehmlich Japan und Südkorea, sowie Westeuropa um die Vormachtstellung unter den ausländischen Investoren.

Während das Rahmenabkommen zwischen den beiden Staaten noch ein paar Monate Zeit braucht, wurden in Washington in der ersten Wochenhälfte mehrere bilaterale Verträge zwischen einzelnen Firmen unterzeichnet. Dazu gehört eine Kooperationsvereinbarung von Handyhersteller Motorola mit einem vietnamesischen Partner, um das GSM-basierte Mobilfunknetz in Vietnams Nordprovinzen auszubauen. 28 Millionen Dollar sind als Investi­tionsvolumen angesetzt. Die staatliche Fluggesellschaft Vietnam Airlines wiederum will von einem US-Hersteller neue Technologie zur besseren Passagierabfertigung erwerben.

Rohstoffgeschäft

Langfristig von größerer Bedeutung könnte allerdings die Vereinbarung sein, die Alcoa unterschrieben hat: Der zu den Weltmarktführern in der Aluminiumbranche gehörende US-Konzern will in einem Joint-venture mit einem australischen Partner und der vietnamesischen Vinacom (Vietnam National Coal-Mineral Industry Group) eine große Bauxitlagerstätte erschließen und bei einem neuen Aluminiumwerk in Vietnam einsteigen. Die bereits projektierte Anlage soll nach Fertigstellung einen jährlichen Ausstoß von 600000 Tonnen Aluminium haben. Auch an einer zweiten Raffinerie in der gleichen Provinz hat Alcoa Interesse. Der Konzern mit Hauptsitz in Pittsburgh wird 40 Prozent an den gemeinsamen Unternehmungen halten.

Dies ist in dieser Branche bisher der Höchstsatz, den die vietnamesische Regierung einzelnen ausländischen Partnern einräumt. Auch beim Erwerb von Grund und Boden gibt es generell noch gewisse Einschränkungen für Ausländer. Nicht nur die US-Amerikaner blicken aber schon voller Gier darauf, daß selbst diese letzten Schranken auf mittlere Sicht fallen werden. Auch die Konkurrenz schläft nicht. Die Top-Vertreter des internationalen Kapitals wissen, daß beispielsweise die Welthandelsorganisation WTO ihrem im Vorjahr aufgenommenen Neumitglied weitere Liberalisierungen antragen wird und die Vietnamesen bei etlichen Projekten auf moderne Technologie aus dem Ausland angewiesen sind.

* Aus: junge Welt, 27. Juni 2008


Zurück zur Vietnam-Seite

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage