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Solidaritätsbewegung

Hellmut Kapfenbergers Buch über die deutsch-vietnamesischen Beziehungen

Von Ulrich van der Heyden *

Unter den Beziehungen der DDR zu Ländern der sogenannten Dritten Welt zählten die zu Vietnam wohl zu den intensivsten. Hier gab es nicht nur diplomatische Aktivitäten und staatliches entwicklungspolitisches Engagement, sondern auch eine von breiten Bevölkerungsschichten getragene Solidaritätsbewegung. Es sei nur an die vielen Anfragen junger Männer aus der DDR an die vietnamesische Botschaft erinnert, ob und wie sie dem vietnamesischen Volk bei der Abwehr der chinesischen Aggression im Februar 1979 helfen könnten. Oder an die Solidaritätsbasare, bei denen das Volk Vietnams in seinem Kampf gegen die USA im Mittelpunkt stand, DDR-Bürger ihre Geldbeutel öffneten und spendeten. Auf eine ganze Reihe solcher Beweise für das solidarische Engagement der DDR-Bevölkerung weist Hellmut Kapfenberger, über Jahre DDR-Korrespondent in Hanoi, in seinem Buch »Berlin –Bonn – Saigon – Hanoi. Zur Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen« hin. Ausführlich geht er darin auf den Einsatz von Tausenden Vertragsarbeitern in der ostdeutschen Wirtschaft ein. Unklar bleibt, warum er deren Einsatz »nicht gerade als das ruhmvollste Kapitel“ der deutsch-vietnamesischen Beziehungen betrachtet. Kapfenberger weist aber, auf Fakten gestützt, die nach 1990 erhobenen Verleumdungen vom »Sklavendasein« der Vertragsarbeiter zurück.

Nach kurzen historischen Reminiszenzen beginnt der Autor sein Buch mit der Schilderung des Beginns der deutsch-vietnamesischen Beziehungen in der Nachkriegszeit. Sie wurden nicht zuletzt durch deutsche Fremdenlegionäre in französischen Diensten geprägt. Ihnen ist ein ganzes Kapitel gewidmet, denn die DDR bot gleich nach ihrer Gründung den Soldaten eine Zuflucht an. Die Jugendorganisation FDJ und deren Zeitung Junge Welt zeigten sich dabei besonders engagiert. Forschungsarbeiten dazu, die Kapfenberger heranzieht, stammen allerdings aus jüngerer Zeit.

Ansonsten beruft er sich recht wenig auf wissenschaftliche Publikationen. Wissenschaftler, die sich später einmal mit diesem Gegenstand beschäftigen wollen, dürften das bedauern – ebenso wie die recht häufige Benutzung des Internetlexikons Wikipedia. Auf seine Manie, die Autoren im Anmerkungsapparat mit akademischen Titeln zu schmücken, hätte der Verfasser verzichten können.

Davon abgesehen liest sich das Buch flüssig, weist auf Zusammenhänge und Hintergründe hin, regt zum Mit- und Nachdenken an, bringt Vergessenes wieder ans Tageslicht und läßt die Leser zuweilen über die internen Kenntnisse eines ehemals die deutsch-vietnamesischen Beziehungen mitgestaltenden Journalisten staunen. Es ist eine wichtige Quelle für eine noch ausstehende wissenschaftliche Beschäftigung mit der gewählten Thematik. Genügend Anregungen dazu liefert es.

Hellmut Kapfenberger: Berlin, Bonn, Saigon, Hanoi - Zur Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen. Verlag Wiljo Heinen, Berlin/Böklund 2013, 510 Seiten, 19,80 Euro

* Aus: junge Welt, Montag, 3. Juni 2013


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