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"Die USA gehen unter, während China und Russland aufsteigen"

Chávez setzt auf Energiegeschäfte mit China und Russland - Auslandsreise führt ihn nach Beijing und Moskau

Von Andrej Fedjaschin *

Als Venezuelas Präsident Hugo Chavez am Dienstag (23. Sept.) in Peking gefragt wurde, warum er nicht zur UN-Vollversammlung gereist ist, sorgte der „rote Hugo“ mal wieder für eine Aufsehen erregende Aussage.

„Es ist viel wichtiger, in Peking zu sein als in New York.“ Dann fügte er hinzu: „Die USA gehen unter, während China und Russland aufsteigen.“

Chavez hatte sich auf eine große Auslandsreise gemacht. Nach Kuba und China wird er noch Russland, Weißrussland, Frankreich und Portugal besuchen. Den Schwerpunkt der einwöchigen Reise bildet aber China - der Besuch in Moskau wird diesmal nur kurz sein.

Manch einem mag Chavez wie eine Witzfigur erscheinen, er scheint aber gut zu wissen, worauf er hinaus will. China braucht er, um sich von den USA in punkto Öllieferungen loszulösen. Der venezolanische Präsident will auf dem boomenden asiatischen Markt neue Ölabnehmer finden.

Die bisherigen Drohungen Chavez’, Venezuelas Öllieferungen an die Vereinigten Staaten zu stoppen, wirkten nämlich nicht gerade überzeugend. Auf die USA entfallen 60 Prozent des venezonalischen Ölexports. Venezuelas Wirtschaft ist darauf extrem angewiesen.

Deshalb ist Chavez nach China gereist. Nach dem Stand des 1. Aprils hat Venezuela täglich 250 000 Barrel Öl für den Export nach China gefördert. In Übereinstimmung mit den in Peking erzielten Vereinbarungen soll der Ölexport in dieses Land, auf die Tagesförderung umgerechnet 500 000 Barrel betragen. Bis 2012 soll es eine Million Barrel sein.

Außerdem soll der venezolanische Staatskonzern Petroleos de Venezuela SA drei Ölraffinerien in China bauen. Gleichzeitig sollen im venezolanischen Orinoco-Becken gemeinsame Ölraffinerien entstehen, deren Erzeugnisse sowohl nach China als auch in andere Länder geliefert werden. In Chinas Werften werden drei Öltankschiffe „für Hugo“ gebaut. Darüber hinaus werden Peking und Caracas einen Fonds für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einrichten, in den China vier und Venezuela zwei Milliarden Dollar investieren wird.

Um den neuen Stand der Freundschaft zu festigen, wird China am 1. November den ersten venezolanischen Fernmeldesatellit ins All schicken. Für die chinesischen Öldollars wird Caracas 24 Übungskampfmaschinen des Typs K-8 Karakorum kaufen. Diese leichten Maschinen sollten ausreichen, um Venezuelas Nachbarn Angst einzujagen oder Partisanenstellungen im Gebirge zu vernichten. „Früher mussten wir nach Washington reisen, um dort um Geld zu bitten“, so Chavez. „Das ist nun vorbei. Jetzt verhandeln wir mit China. Wir sind kein Hinterhof Amerikas mehr.“

Chavez Abstecher in Moskau wird am 26. September zwar kurz, aber durchaus wichtig sein. Vor zwei Wochen war bereits Russlands Vizepremier Igor Setschin zu einem Arbeitsbesuch in Venezuela. Dabei ging es unter anderem um Geschäfte mit Erdgas. Zwischen Gazprom und Petroleos de Venezuela SA wurde ein Memorandum über die Erschließung von Gasvorkommen in Venezuela und über den Bau einer Gasverflüssigungsfabrik in diesem Land unterzeichnet. Die Gasvorräte Venezuelas sind mit 4,1 Billionen Kubikmeter die zweitgrößten in der westlichen Hemisphäre nach den USA.

Der russische Gasgigant soll im Laufe von sieben Jahren rund 850 Millionen Dollar in dieses Projekt investieren. Der Gasverkauf wird bis zu 420 Millionen Dollar im Jahr bringen. Die geplante Kooperation soll zugleich Gazprom helfen, den lateinamerikanischen Markt zu erschließen.

Offen bleibt, wie lange die Vereinigten Staaten den extravaganten Nachbarn „im Hinterhof“ tolerieren werden, der dazu noch immer aktiver Freunde aus Moskau, Peking und Minsk zu sich einlädt. Wenn aber die Umstellung auf eine multipolare Welt weitere Fortschritte machen wird, bleibt Lateinamerika nicht außen vor.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 23. September 2008; http://de.rian.ru



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