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Rüstungsimporte und der militärische Sektor in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)

Informationen des BICC-Bonn International Center for Conversion

Im Folgenden dokumentieren wir die Zusammenfassung eines "Länderportraits Vereinigte Arabische Emirate (VAE)", das vom Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC-Bonn International Center for Conversion) herausgegeben wurde (hier geht es zum BICC). Die Langfassung mit zahlreichen Übersichten und Tabellen ist als pdf-Datei hier herunterzuladen: Länderporträt Vereinigte Arabische Emirate.


Rüstungsimporte und militärischer Sektor in den VAE

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) waren nach Angaben der Bundesregierung 1999 der zweitwichtigste (nach Israel) und 2000 der sechstwichtigste Abnehmer deutscher Rüstungswaren, gemessen an den Genehmigungen nach Außenwirtschaftsgesetz. Geliefert wurden vor allem Bauteile für Panzer und anderes Gerät, nicht jedoch schwere Kriegswaffen. Die Genehmigungswerte für deutsche Lieferungen werden auf Grund der Bestellung von 94 Fuchs Spürpanzern vermutlich bald wieder steigen.

Die Streitkräfte der VAE sind in absoluten Zahlen mit 50.500 Mann mittelgroß (etwas grösser als die der Niederlande oder Kanadas), im Verhältnis zur Zahl der Staatsbürger im wehrfähigen Alter (22 Prozent der männlichen 18-22 Jährigen) aber sehr groß (im Vergleich Deutschland: 4 Prozent). Der Anteil an Ausländern in den Streitkräften (insbesondere aus Pakistan) ist mit 30 Prozent ungewöhnlich hoch.

Die Streitkräfte sind angesichts der langen Küstenlinie „heereslastig“. Auffällig ist insbesondere, dass die Marine angesichts der langen iranischen Gegenküste vergleichsweise klein ist. Diese Struktur der Streitkräfte deutet darauf hin, dass zumindest in der Vergangenheit die Hauptaufgabe die Kontrolle des eigenen Territoriums war. Die Streitkräfte sind immer noch nicht vollständig integriert (Sonderstellung Dubai). Der hohe Anteil von Ausländern ist ein weiteres Problem, auf das in der Struktur der Streitkräfte Rücksicht genommen wird. Einzelne Truppenteile werden getrennt voneinander gehalten, um im Notfall andere Truppenverbände kontrollieren zu können.

Das Heer hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Erstaunlich ist wie „bunt“ die Ausrüstung gemischt ist. Das Gerät ist nur im geringen Maß interoperabel. Offensichtlich spiegelt die Beschaffung nicht das Interesse an einer einheitlichen, schlagkräftigen Bewaffnung, sondern andere Faktoren. Die Luftwaffe hat, noch stärker als das Heer seine Kampfkraft in den 90er Jahren deutlich erhöht. Auch bei der Luftwaffe ist keine „Linie“ bei den Beschaffungen feststellbar.

der 90er Jahre eher gering und auf die Lieferung von Technologie (Panzerkomponenten) konzentriert. Diese wird mit der Lieferung der Fuchs ABC-Schutzpanzer steigen, ohne dass die Bundesrepublik das Niveau der Lieferungen aus Frankreich, den USA oder Russland erreichen wird.

Die VAE haben seit dem 2. Golfkrieg viel Geld für Waffenkäufe ausgegeben aber die Effektivität ihrer Streitkräfte nicht im gleichen Masse gesteigert. Die Beschaffungen weisen Käufe aus vielen unterschiedlichen Herstellerländern auf. Eine Ursache dafür sind politische Gründe. Frankreich war der bevorzugte Partner in den 90er Jahren aber auch in den USA, Deutschland, Russland, Italien und anderen Ländern wurden Waffen gekauft. Mit allen diesen Ländern versucht die VAE nicht zuletzt durch Waffenkäufe gute Beziehungen zu dokumentieren. Ein anderer Grund ist, dass trotz weitgehender Zentralisierung der Streitkräfte, Beschaffungsentscheidungen vor allem beim Heer immer noch von den einzelnen Emiraten beeinflusst werden.Ein weiterer Grund ist der „Glitzerfaktor“. Die Streitkräfte der VAE bekommen das neueste und beste auf dem Markt, oft ohne Rücksicht ob es zu dem bereits gekauften Gerät passt oder nicht.

Eine Folge der Beschaffungspolitik ist ein erhebliches Integrationsproblem. Die Streitkräfte können, trotz intensiver ausländischer Betreuung, die Waffen nicht so schnell einführen und nutzen, wie sie geliefert werden. Besonders akut ist dieses Problem in der Luftwaffe. Auch auf die Partner im Rat für Zusammenarbeit im Golf (GCC), in dem die VAE Mitglied sind, wird wenig Rücksicht genommen. Der Grad der Standardisierung zwischen den GCC ist sehr gering.

Das Militär hat – wie die restliche Gesellschaft – eine sehr ausgeprägte Zwei-Klassen-Struktur von ausländischen Söldnern einerseits und einheimischen Offizieren andererseits. Aus Mangel an Vertrauen in die ausländischen Söldner werden ihnen weder Offiziersposten noch strategisch wichtige Aufgaben zugeteilt.

Geprägt wird das Militär auch von Rivalitäten zwischen den Emiraten sowie einer starken familiären Bindung zwischen den herrschenden Familien und dem Offizierskorps. Menschenrechtsorganisationen berichten von Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei (Folter und Todesfälle in Polizeigewahrsam), Übergriffe seitens der Streitkräfte sind nicht berichtet worden.

Anmerkungen zu den EU Kriterien

Die VAE sind einer Reihe wichtiger Rüstungskontrollabkommen nicht beigetreten, z. B. dem Ottawa-Vertrag zu Antipersonenminen. Hingegen haben die VAE, im Gegensatz zu einer Reihe von arabischen Staaten, die Chemiewaffenkonvention ratifiziert.

Die VAE sind nur sehr wenigen der zentralen Menschenrechtsübereinkommen beigetreten. Nicht beigetreten sind sie beispielsweise. den Internationalen Pakten über bürgerliche und politische Rechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (welche die VN Menschenrechtscharta umsetzen) und dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).

Die Menschenrechtslage in den VAE ist davon gekennzeichnet, dass wesentliche Freiheitsrechte, einschließlich Pressefreiheit und Recht der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Koalitionsfreiheit stark eingeschränkt sind. Ein Recht auf Wahl oder Abwahl der Regierung gibt es nicht, deshalb auch kein gewähltes, oder in irgendeiner anderen Weise repräsentatives Parlament. Die VAE erfüllen die Mindestanforderungen an einen demokratischen, freiheitlichen Staat nicht.

Schwere Menschenrechtsverletzungen, wie staatlicher Mord, Folter, Entführung, sind nach den vorliegenden Berichten in den letzten Jahren nicht zu verzeichnen gewesen. Der Grad der Diskriminierung von Ausländern ist hoch, Menschenhandel, insbesondere von Kindern und Frauen wird demnach von der Regierung toleriert oder zumindest nicht effektiv unterbunden. Es gibt vereinzelte Berichte über Amtsmissbrauch von Polizei und Justiz.

Einhellig werden die Beziehungen zwischen Staatsbürgern der VAE, die weniger als ein Drittel der Einwohner ausmachen, und den Ausländern aus Südasien und anderen arabischen Ländern als das größte Sicherheitsproblem für die VAE angesehen. Bisher hat es keine nennenswerten Proteste, Ausschreitungen u.ä. gegeben, was nicht zuletzt daran liegt, dass jeder Ansatz dafür systematisch im Keim erstickt wird. Viele der Einschränkungen der politischen Menschenrechte (siehe oben) dienen offensichtlich vor allem der Kontrolle der Ausländer. Ein weiterer Faktor ist der wirtschaftliche: die ausländischen Arbeiter verdienen vergleichsweise gut und fürchten den Verlust ihrer Verdienstmöglichkeiten. Ein damit zusammenhängendes Problem ist die demographische Entwicklung. Die Zahl der Staatsbürger wächst relativ rasch. Das belastet das Sozialsystem, das für Staatsbürger sehr gut ausgestattet ist, und dürfte mittelfristig dazu führen, dass eine deutlich höhere Zahl von Staatsbürgern in die lokalen Arbeitsmärkte drängt.

Die VAE liegen in einem Spannungsgebiet. In den letzten Jahren gab es in der Nachbarschaft mehrfach Krieg und die Spannungen zwischen den drei Polen Golfstaaten, einschließlich VAE, Iran und Irak sind hoch. Qualitativ sind die Streitkräfte der Staaten der GCC zusammen genommen Iran und Irak zwar überlegen, allerdings ist der GCC als militärisches Instrument relativ ineffizient. Der GCC zur Zeit stellt keine Bedrohung für den Irak oder den Iran dar. Die VAE ist einer der kleineren Partner im GCC, die von Saudi Arabien dominiert wird. Im Vergleich zu den von der Einwohnerzahl vergleichbaren anderen GCC-Mitgliedsstaaten hatten die VAE lange eine vergleichsweise schlecht ausgerüstete aber relativ große Armee. Erst mit den Beschaffungsprogrammen der letzten Jahre beginnen die Streitkräfte der VAE auf ein vergleichbares technologisches Niveau der Bewaffnung zu kommen.

Außenpolitisch bestehen die stärksten Spannungen mit dem Iran, auf Grund von Territorialkonflikten über mehrere Inseln im Arabischen Golf (Kleine und Große Tunb). Die VAE haben angeboten sich einem Schiedsspruch zu unterwerfen, was die iranische Seite bisher abgelehnt hat. Nachdem die Spannungen über die Inseln in der Mitte der 90er Jahre zugenommen hatten, ist seit Amtsantritt von Präsident Khatami im Iran eine deutliche Entspannung festzustellen.

Die VAE sind, direkt und über den GCC, politisch stark an den Westen angebunden, was unter anderem in der Stationierung US-amerikanischer Truppen zum Ausdruck kommt. Das heißt aber nicht, dass zum Beispiel in der Frage von Schmuggel, einschließlich mit dem Irak, alle möglichen Mittel zur Umsetzung westlicher Politik eingesetzt werden. Schmuggel ist weit verbreitet, auch in den Irak und den Iran, möglicherweise auch von Rüstungstechnologie.

Die VAE haben auf Druck der USA 2003 eine Reihe von internationalen Abkommen zur Bekämpfung des Terrorismus ratifiziert. Nach dem 11.September sind mehrere Duzend Staatsangehörige der VAE und dort lebende Ausländer unter Terrorismusverdacht festgenommen worden.

In den VAE sind lange internationale Wirtschaftsverbrechen nicht wirkungsvoll verfolgt worden. Erst nach dem 11.September 2001 haben die VAE wirksamere Maßnahmen gegen internationale Wirtschaftskriminalität unternommen.

Die Belastung der Wirtschaft durch Rüstungsimporte ist weit über dem weltweiten Durchschnitt, nicht jedoch über dem Durchschnitt für die Region des Mittleren Osten. Das Land, mit seinen hohen Öleinnahmen kann sich den Import der teuren, oft nicht nutzbaren und nicht genutzten Rüstungsgüter leisten.

Quelle: BICC Bonn International Center for Conversion (Internationales Konversionszentrum Bonn; www.bicc.de


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