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Usbekistan-USA: Neue Spielregeln in Zentralasien

US-Admiral William Fallon in Taschkent - Über den Krieg in Afghanistan wurde gesprochen - gibt es auch konkrete Vereinbarungen?

Von Sanobar Schermatowa *

Der Besuch von US-Admiral William Fallon lässt Veränderungen in Usbekistans Außenpolitik erwarten, dessen Staatschef nach der Wahl erneut Islam Karimow ist.

Der Befehlshaber des US Central Command wurde vom usbekischen Präsidenten empfangen. Laut der Nationalen Nachrichtenagentur Usbekistans (UzA) fand während des Gesprächs ein Meinungsaustausch über die regionale Sicherheit und die Stabilisierung des Nachbarlands Afghanistan statt. Darauf, dass gerade das Afghanistan im Mittelpunkt der Unterredungen stand, weist auch der Kreis der Personen hin, mit denen sich der hohe Besuch traf: Es waren der Sekretär des Sicherheitsrates, der Verteidigungs- und der Außenminister sowie der Chef der Grenztruppen von Usbekistan.

Neben Usbekistan und Afghanistan besuchte der Admiral auch Pakistan, Kirgisien und Tadschikistan. Doch gerade der Besuch in Taschkent lenkte die Aufmerksamkeit von Experten auf sich. Nach Ansicht einiger von ihnen suchen die Vereinigten Staaten nach einem aktiveren Dialog mit der usbekischen Führung, weil es ihnen darum geht, in dieser strategisch wichtigen Republik in Zentralasien wieder Einfluss zu gewinnen. Nach den dramatischen Ereignissen vom Mai 2005 in Andischan verlangte Usbekistan als Reaktion auf die Kritik aus dem Westen, den bei der Stadt Karschi aufgebauten militärischen Stützpunkt aufzulösen. Seitdem erstarrten die Beziehungen zwischen den zwei Ländern bis zum Nullpunkt. Doch kurz vor den Präsidentschaftswahlen sprach Islam Karimow unerwartet von Kräften, die zwischen Usbekistan und dem Westen stehen. "Es ist ohne weiteres zu verstehen, dass sie das Bestehen von Differenzen vorzögen, die ihnen einen gewissen Vorteil bringen würden... In seiner Außenpolitik war und bleibt Usbekistan immer Anhänger der gegenseitigen Achtung und einer für alle Parteien nützlichen Zusammenarbeit mit sämtlichen nahen und fernen Nachbarn, darunter mit den USA und mit Europa", erklärte Karimow.

Die Europäer hörten das Signal. Am Tag nach der Vereidigung des Präsidenten, dem 17. Januar, erklärte Pierre Morelle, EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien, dass die Europäische Union "Usbekistan als einen zuverlässigen Partner betrachtet und sich für die Festigung und den Ausbau der weiteren Zusammenarbeit einsetzt". Brüssel war bei der Anbahnung des Dialogs den Vereinigten Staaten voraus: Im vorigen Jahr wurden die Sanktionen, die die Europäer nach den Ereignissen in Andischan eingeführt hatten, zum Teil gemildert. Als Antwort darauf amnestierte Usbekistan mehrere Bürgerrechtler, hob ab 1. Januar 2008 die Todesstrafe auf und übergab den Gerichten das Recht, Verhaftungen anzuordnen. Damit demonstrierte das Land sein Interesse an der Normalisierung der Beziehungen zur EU.

Taschkent passt die Rolle eines internationalen Outsiders in keinem Fall, und die Europäer nahmen im vorigen Jahr eine neue Strategie an, der zufolge die Probleme bei den Demokratiefortschritten in Zentralasien erst nach den EU-Energieinteressen kommen. Aber wenn man es mit einem so schwierigen Partner wie Taschkent zu tun hat, ist das auch nicht so einfach.

Usbekistans außenpolitische Prioritäten stehen bereits fest: Deutschland im Westen und Japan im Osten - beides einflussreiche Länder, die Taschkent beinahe nicht kritisiert haben. Die deutschen Soldaten fühlen sich gut aufgehoben auf dem Luftstützpunkt in Termes an der Grenze zu Afghanistan. Ein einflussreicher usbekischer Experte, der dem Außenministerium nahe steht, erklärte im Gespräch mit mir, dass die Frage des deutschen Stützpunktes mit Moskau vereinbart worden sei und dass Berlin diesen Fakt genau kenne. Was Japan betrifft, so sind die Beziehungen zu Taschkent (wie auch überhaupt die Präsenz in der zentralasiatischen Region) sehr wichtig, weil sie den Einfluss von China zu mindern erlauben, das in der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) eine wichtige Rolle spielt. Das ist ein positiver Umstand für Usbekistan, das neben Russland und den SOZ-Ländern auch andere Partner braucht.

Es ist offensichtlich, dass die Amerikaner ihre Interessen in Usbekistan nicht erneut triumphal durchsetzen werden können. Aus dem Grund nicht, weil sich die heutige Situation in der Region grundsätzlich von der am Ende der 90er Jahre unterscheidet, als die usbekisch-amerikanischen Verbindungen erst in der Entstehung waren. Damals geriet Usbekistan ins Visier der islamischen Extremisten, die sich auf Afghanistan und Tadschikistan stützten. Taschkent erhielt über seine Kanäle die Information, dass die russische Führung im Falle eines Angriffs der Extremisten keine Hilfe leisten wollte. 1999 trat Usbekistan aus dem Vertrag über kollektive Sicherheit aus (was als Bruch mit Moskau beurteilt wurde) und näherte sich allmählich Washington an - in der Hoffnung, sich im Kampf gegen die islamischen Extremisten auf die USA stützen zu können. Ein Erfolg für die usbekische Führung war die Tatsache, dass während der US-Operation in Afghanistan von 2001 der Kern der Extremistengruppen zerschlagen wurde.

Aber heute setzt sich in der Region eine andere Sicherheitsformel durch. Die Hauptrolle spielen hier die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) und die SOZ - beides Organisationen, in denen Russland und China einen starken Einfluss haben. Mit ebendiesen Strukturen verbindet Usbekistan jetzt sein Sicherheitssystem. Nur ein Beispiel: Die usbekische Führung hat erreicht, dass Taschkent als die Basis für das Hauptquartier der Regionalen SOZ-Antiterror-Struktur gewählt wurde (zuerst war die Rede von Bischkek, Hauptstadt Kirgisiens). Das usbekische Parlament hat vor wenigen Tagen mehrere Dokumente ratifiziert und geht daran, das Verfahren des Beitritts des Landes zu den OVKS-Statuten abzuschließen. Sicherlich wurde die Rückkehr Usbekistans erst nach entgegenkommenden Schritten des Kreml möglich. So gerieten die gegenüber Usbekistan feindlich gesinnten Organisationen - die Islamische Bewegung Usbekistans und die Partei Hisb ut-Tahrir (Partei der islamischen Befreiung) - nicht nur auf Russlands schwarze Liste, sondern wurden durch Lobbyarbeit der russischen Diplomaten in die entsprechenden Dossiers aller OVKS- und SOZ-Länder eingetragen.

Jetzt hat es für Usbekistan keinen Sinn, das bestehende System der Bündnis- und Partnerbeziehungen, in das es schon eingestiegen ist, zu revidieren. Was keineswegs ein Tabu für die Wiederaufnahme von Verbindungen mit den Vereinigten Staaten bedeutet. Die problematische Situation in Afghanistan, die in Taschkent Besorgnisse hervorruft, könnte Anlass zu einem Neubeginn in den beiderseitigen Beziehungen werden. Doch gibt es einen grundsätzlichen Unterschied, er liegt im Status der Amerikaner. Ende der 90er Jahre und Anfang des neuen Jahrhunderts waren die USA für Usbekistan der Verbündete Nr. 1. Heute können sie nur als einer der Akteure in die Region zurückkehren, wo bereits Russland, China und die Europäische Union präsent sind.

Sanobar Schermatowa ist Mitglied des Expertenrates von RIA Novosti.

Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagnetur RIA Novosti, 31. Januar 2008



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