Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

US-Truppen räumen Stützpunkt in Usbekistan

Werden die USA einen Ersatz für Chanabad finden?

Von Pjotr Gontscharow*

Dieser Stützpunkt, der sich in unmittelbarer strategischer Nähe zu Afghanistan befindet, ist für die Fortsetzung der Anti-Terror-Operation in diesem Land von überaus großer Bedeutung.

Bekanntlich werden die US-Truppen das Territorium der zentralasiatischen Republik Usbekistan endgültig verlassen. Am späten Dienstagabend [27. Sept.] gab Daniel Friede, Berater des US-Außenministers, auf einer Pressekonferenz in der usbekischen Hauptstadt Taschkent zu, dass seine Verhandlungen mit Usbekistans Präsident Islam Karimow nicht das von Washington gewünschte Ergebnis gebracht hatten. Karimow habe weiterhin auf seinen an die USA früher gestellten Forderungen bestanden, die USA sollten Usbekistan ohne Vorbedingungen verlassen, sagte er. Bereits gegen Jahresende sollen die usbekischen Fliegerkräfte die Kontrolle über Karschi-Chanabad übernehmen.

Usbekistan war die erste zentralasiatische Republik, die bereits im September 2001 ihr Territorium für einen US-amerikanischen Stützpunkt zur Verfügung gestellt hatte. Solche Stützpunkte waren für die Anti-Terror-Operation der USA und später auch anderer zur Anti-Terror-Koalition gehörender Mächte in Afghanistan bestimmt. Aber im Mai 2005 forderte Taschkent die USA auf, den Luftstützpunkt Karschi-Chanabad zu räumen.

Seine Forderungen begründete Taschkent offiziell damit, dass die aktive Phase der Anti-Terror-Operation in Afghanistan, für die eigentlich der Flugplatz zur Verfügung gestellt wurde, vorbei sei und der Stützpunkt daher aufzulösen ist. Die Position Usbekistans haben auch andere Mitgliedsländer der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) unterstützt, die den USA einen ähnlichen Vorschlag unterbreiteten. Bislang nur den Vorschlag.

Es liegt auf der Hand, dass der von Karimow gefasste Beschluss eine Reaktion auf die Position Washingtons zu den tragischen Ereignissen in Andischan war. So bezeichnet Taschkent die amerikanische Forderung nach einer internationalen Untersuchung dieser Ereignisse als unaufrichtig. Taschkent gab zu verstehen, es verfüge über Informationen, nach denen Mitarbeiter der US-Botschaft mit der Organisierung der Andischan-Ereignisse zu tun hätten. Zur Beendigung der Unruhen sahen sich die Behörden Usbekistans gezwungen, von Waffen Gebrauch zu machen.

Zugleich gibt es nicht wenig andere - glaubwürdigere - Informationen darüber, dass die Revolte in Andischan auf keinen Fall in das Schema eines "Aufstandes friedlicher Bewohner gegen das repressive Regime" passt. Ohne Zweifel beging Washington mit seinen zu eindeutigen Einschätzungen dieser Entwicklung einen Fehler, für den es jetzt zahlen muss.

Abgesehen von den Ereignissen in Andischan sei auf einen Umstand verwiesen: Sind denn die Taliban, die von (Gulbuddin) Hekmatyar geführten Extremisten und al-Kaida-Anhänger in der "aktiven Phase" der Operation in Afghanistan zuverlässig neutralisiert? Können die USA und die von ihnen geführte Koalition einen hundertprozentigen Ersatz für den Stützpunkt in Chanabad finden?

Kaum zu glauben. Der einzige verbliebene Luftstützpunkt der Amerikaner in Zentralasien - unweit des internationalen Flughafens Manas bei der kirgisischen Hauptstadt Bischkek - reicht eindeutig nicht aus für die Rolle eines Brückenkopfes, eines Umschlagspunktes für die Versorgung der Truppen in Afghanistan. Bereits jetzt ist der Flughafen Manas von den Amerikanern überfordert. Nach Worten der Bewohner der benachbarten Siedlungen Rasdolnoje, Mramornoje, Wassiljewka u.a. kann man sich wegen des ununterbrochenen Gedröhns der Flugzeugtriebwerke kaum in den Häusern befinden, vom Schlafen ganz zu schweigen. Nicht von ungefähr nehmen die örtlichen Grünen den Stützpunkt Manas bereits unter die Lupe, weil die Umwelt zu stark belastet wird.

Auch auf dem Territorium Afghanistans wird sich kaum ein vollständiger Ersatz für Chanabad finden. Nach Ansicht afghanischer Militärs und Politiker käme nur der einzige Stützpunkt im Flughafen Shindand in Frage, mit dem der Verlust von Chanabad ausgeglichen werden könnte. Aber dieser Flughafen befindet sich in einer militärisch instabilen Region. Obwohl die USA den Flughafen bereits gründlich inspiziert haben, besteht Zweifel an seiner weiteren Nutzung.

Aus gleichen Erwägungen wird auch der Flughafen in Kandahar nicht passen. Zu den verbleibenden zwei Flughäfen in Mazar-i-Sharif und Herat verhalten sich die Amerikaner aus mehreren Gründen skeptisch. Herat liege zu nah zu Iran. Zudem sympathisieren die Einwohner mit den Iranern. Die Möglichkeiten des Flughafens in Mazar-i-Sharif sind eingeschränkt. Dabei darf man sich nicht über traditionelle Freundschaftsbeziehungen dieser nördlichen afghanischen Provinz mit Usbekistan hinwegsetzen.

Was die Taliban, Hekmatyar und al-Kaida betrifft, haben sie ihre Handlungen in südöstlichen, südlichen und südwestlichen Provinzen Afghanistans plötzlich spürbar aktiviert, wie die jüngsten Parlamentswahlen zeigten. Afghanistans Präsident Hamid Karsai musste zugeben, dass allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres mehr als 1000 Afghanen von den Taliban und sonstigen Extremisten ermordet wurden. In den vorangegangenen Jahren wurden solche Verluste nicht registriert. Die Karsai-Administration schlägt seit langem vor, das Personal der Koalition und der Internationalen Kräfte zur Gewährleistung der Sicherheit aufzustocken und die Zonen ihrer Verantwortung zu erweitern. Der Verlust der Militärstützpunkte in Zentralasien wird für die USA ohne Zweifel viele zusätzliche Probleme schaffen.

* Pjotr Gontscharow ist politischer Kommentator der RIA Nowosti

Quelle: RIA Nowosti, Moskau, 29. September 2005; http://de.rian.ru



Zurück zur Usbekistan-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zurück zur Homepage