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Auf Beitrittskurs

Ukraine beteiligt sich an Interventionskräften des Nordatlantikpaktes

Von Tomasz Konicz *

Die NATO setzt entgegen allen russischen Warnungen ihre aggressive Ostexpansion fort. Am 16. und 17. Juni besuchte eine hochrangige Delegation des Nordatlantikpaktes die Ukraine. Im Rahmen der zweitägigen Visite kamen NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und Gesandte der 26 Mitgliedsstaaten des Bündnisses mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko und der Regierungschefin Julia Timoschenko in Kiew zusammen. Die Gespräche dienten der »Aktivierung des politischen Dialogs« zwischen beiden Seiten sowie der Bewertung der Fortschritte der Ukraine auf dem Weg zum NATO-Beitritt, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti.

Im Dezember 2008 soll demnach innerhalb der NATO-Führung die Entscheidung fallen, ob die Ukraine in den »Membership Action Plan« (MAP), einer Vorstufe der Vollmitgliedschaft im Nordatlantikpakt, aufgenommen wird. Bereits im April dieses Jahres waren Teile der Allianz – insbesondere die USA und mehrere osteuropäischen Staaten – bemüht, die Ukraine in den MAP aufzunehmen. Doch dieses Vorhaben scheiterte damals an der vehementen Kritik Rußlands wie auch an deutschen und französischen Vorbehalten. Bei dem NATO-Gipfel Anfang April in Bukarest konnten weder die Ukraine noch Georgien den von beiden Republiken angestrebten MAP-Status erhalten.

Trotz dieses diplomatischen Rückschlags setzen sowohl die an einer Westbindung ihres Landes interessierten Kräfte um Präsident Juschtschenko und Premierministerin Timoschenko wie auch die Führung der NATO auf eine weitere Integration der Ukraine in die euroatlantischen Militärstrukturen. Am 13. Juni konnte Jaap de Hoop Scheffer nach einer Sitzung der Ukraine-NATO-Kommission stolz verkünden, daß sich das osteuropäische Land an den Interventionskräften der westlichen Militärallianz beteiligen werde. Mit der ca. 25000 Mann zählenden »NATO Response Force« (NRF) verfügt die Allianz über eine hochmobile Eingreiftruppe, die binnen kürzester Zeit die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Westens militärisch durchsetzen kann. Wie der konkrete Beitrag der Ukraine zu der NRF aussehen wird, sei immer noch »Gegenstand von Verhandlungen«, räumte der ukrainische Verteidigungsminister Jurij Jechanurow ein. Zugleich gab er sich optimistisch, daß die Ukraine bereits im Dezember in den MAP der NATO aufgenommen wird. »Die Ukraine sucht ihre Nische in der Allianz«, wurde er von der Nachrichtenagentur ITAR-TASS zitiert.

Moskau reagierte auf diese jüngsten Vorstöße der NATO mit deutlichen Mahnungen. Ein Beitritt der Ukraine zum westlichen Militärbündnis ziehe den Abbruch der Beziehungen zwischen dem russischen und dem ukrainischen Militär-Industrie-Komplex nach sich, warnte der russische Vizepremier Sergej Iwanow am 14. Juni. Die negativen Auswirkungen eines NATO-Beitritts ihres Landes sind auch der Mehrheit der Ukrainer klar, so daß laut Umfragen weiterhin ca. 60 Prozent der Bevölkerung diese Politik ihrer Regierung ablehnt. Während des Besuchs von De Hoop Scheffer demonstrierten in der Hauptstadt Gegner eines NATO-Beitritts. Rund 300 Menschen hielten in der Nähe des Präsidentenpalastes Plakate mit der Aufschrift »Nein zur NATO« in die Höhe und riefen »Die Russen sind unsere Brüder«.

* Aus: junge Welt, 17. Juni 2008


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