Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ukraine: NATO-Beitritt in der Bevölkerung höchst umstritten - Testabstimmung auf der Krim

"Wir halten es nicht für nötig, dieses Ereignis zu kommentieren", sagt die NATO in Brüssel

Der vom ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Juschtschenko befürwortete Beitritt zur NATO ist in der Bevölkerung höchst umstritten. Beobachter gehen davon aus, dass eine deutliche Mehrheit in der Ukraine gegen die Militärallianz ist. Die Opposition gegen den NATO-Kurs ist besonders stark auf der Halbinsel Krim, wo sich unter anderem auch der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte befindet. Der "Gesellschaftliche Rat für den Schutz der verfassungsmäßigen Bürgerrechte" veranstaltete am vergangenen Wochenende ein inoffizielles Referendum, dessen Ergebnis an Eindeutigkeit kaum zu überbieten ist. Die deutschen Medien schwiegen sich über die Abstimmung aus. In Russland fand das Ereignis dagegen wohlwollende Beachtung.



Volksabstimmung auf der Krim: Mehrheit gegen NATO-Beitritt

MOSKAU, 18. Dezember (RIA Novosti). Am vergangenen Samstag (18. Dez.) fand auf der ukrainischen Halbinsel Krim ein Referendum über den Beitritt der Ukraine zur NATO statt. 98,7 Prozent stimmten gegen die NATO-Mitgliedschaft, teilte Natalja Schpeta, Sprecherin der Wahlkommission, mit.

An der Volksabstimmung nahmen ihr zufolge 897 000 Einwohner der Halbinsel (58,2 Prozent) teil. Für den Kurs des ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Juschtschenko auf eine Einbindung in die NATO stimmten lediglich 9 700 Menschen, etwa mehr als ein Prozent der Befragten.

Das Referendum wurde auf Beschluss der Krimer Volksversammlung durchgeführt. Als Organisator trat der "Gesellschaftliche Rat für den Schutz der verfassungsmäßigen Bürgerrechte" auf, dem die Kommunistische Partei, die Sozialdemokratische Partei und andere ukrainische Organisationen angehören. Ratsvorsitzender ist Parlamentsabgeordneter Leonid Gratsch.

Die Organisatoren nennen das Referendum eine "politische Aktion" und geben zu, dass es keinerlei Rechtskraft hat.

Am Sonntag fand auf dem Hauptplatz der Krimer Hauptstadt Simferopol eine Kundgebung zur Unterstützung des Referendums statt. Gratsch erklärte auf der Kundgebung: "Das Referendum hat das Ziel, nicht nur den Beitritt der Ukraine zur NATO zu verhindern, sondern auch dem Kurs des Landes auf eine euroatlantische Integration ein Ende zu setzen." Er sprach sich für eine Volksabstimmung im ganzen Land aus, um den Beitritt zur NATO zu stoppen.

Die Machthaber wollen kein Referendum, weil die meisten Ukrainer gegen eine Annäherung an die NATO seien, sagte Gratsch. Er forderte alle politischen Parteien, die gegen den NATO-Beitritt auftreten, auf, eine breite gesellschaftliche Protestbewegung zu organisieren.

Wie die russische Tageszeitung "Iswestija" schreibt, blieb das Referendum in Brüssel unbemerkt. "Wir halten es nicht für nötig, dieses Ereignis zu kommentieren", sagte Robert Pshel, Pressesprecher des NATO-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer. Ihm zufolge sollte die ukrainische Regierung zuerst ein landesweites Referendum ausschreiben, bevor sie mit den Vorbereitungen für einen NATO-Beitritt beginnt. Für ein landesweites Referendum hatte sich auch Regierungschef Viktor Janukowitsch ausgesprochen, was zu einem Konflikt mit Staatspräsident Juschtschenko führte.

Juschtschenko erklärt die ablehnende Haltung seiner Landsleute zu der NATO mit "mangelnder Aufklärung und fehlender politischer Kultur", berichtet der TV-Sender "Erster Kanal". "Unser Endziel lautete Beitritt zur NATO und europäische Integration", betonte Juschtschenko.

Viktor Neboschenko, Leiter der Meinungsforschungsfirma "Ukrainski Barometr", sagte im Gespräch mit der Zeitung "Nesawissimaja Gaseta", dass der Krimer Volksentscheid beim bevorstehenden Treffen des russischen und ukrainischen Präsidenten zur Sprache kommen kann. "Das Referendum ist zumindest deshalb bemerkenswert, weil zwei Drittel der Ukrainer der NATO ablehnend gegenüberstehen", sagte Neboschenko. "Doch die Volksbefragung auf der Krim spielt Juschtschenko in die Hand. Denn die Menschen gaben ihre Stimmen nicht in Wahllokalen, sondern auf der Straße ab, was das Referendum illegitim macht", sagte Neboschenko. "Außerdem veröffentlichten ukrainische Medien die Tonbandaufnahme eines Gesprächs des russischen Politikers Konstantin Satulin mit seinem Vertreter auf der Krim, aus dem hervorging, dass das Referendum nicht ohne russische Polittechnologien organisiert wurde."

Das Krimer Referendum kam zustande, nachdem die Behörden die Forderung nach einem landesweiten Referendum abgelehnt hatten, sagte der Direktor des Instituts für Politische Analyse und Internationale Studien der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften, Sergej Tolstow. Diese Forderung war von 4,6 Millionen Ukrainer unterschrieben worden, doch die Wahlkommission zog die Echtheit der Unterschriften in Zweifel und lehnte die Forderung ab, teilte Tolstow mit.

Seinen Worten nach ruft die Koalition im ukrainischen Parlament zum Referendum auf, um Staatspräsident Viktor Juschtschenko unter Druck zu setzen und eine Auflösung des Parlaments zu verhindern. "Zugleich widerspricht das Referendum den Interessen der regierenden Partei der Regionen, die gute Beziehungen zum Westen aufrechterhalten möchte", sagte Tolstow.

Der Abgeordnete des Krimer Parlaments, Efim Fix, sagte vor Journalisten: "Ich denke, dass solche politischen Aktionen in der ganzen Ukraine stattfinden werden. Und die Ukraine wird dann zu einem echten Anti-Nato-Vorposten".

Dieser Beitrag wurde von der Internet-Redaktion www.rian.ru auf der Grundlage von Informationen der Nachrichtenagentur RIA Novosti und anderer Quellen verfasst.

* Aus: RIA Novosti, 19. Dezember 2006;
http://de.rian.ru


W e i t e r e M e l d u n g e n

Ukraine: Demonstranten in Simferopol fordern nationales Referendum über NATO-Beitritt

SIMFEROPOL, 16. Dezember (RIA Novosti). Die Teilnehmer einer Kundgebung am Samstag in Simferopol fordern eine allgemeine Volksabstimmung im ganzen Land über einen NATO-Beitritt der Ukraine.
Efim Fix, Mitglied des "Gesellschaftlichen Rates der Krim zur Wahrung der Verfassungsrechte der Bürger" erklärte in seiner Rede, dass die Sozialdemokratische Partei der Ukraine der Zentralen Wahlkommission bereits im März etwa 4,5 Millionen Unterschriften übergeben habe, von Menschen, die ein gesamtukrainisches Referendum über den Beitritt des Landes zur NATO befürworteten. "Gemäß der Verfassung der Ukraine sind für einen Volksentscheid drei Millionen Unterschriften nötig. Trotzdem hat die Zentrale Wahlkommission bis heute ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Sie hat die gesammelten Unterschriften nicht geprüft und ihre Schlussfolgerungen nicht dem Präsidenten übergeben. Indem sie den Volksentscheid blockiert, ignoriert die Zentrale Wahlkommission das Recht der Bürger auf freie Willensausübung", betonte Fix.
Einige Hundert Teilnehmer der Kundgebung trugen Losungen "Wir sind gegen den Beitritt der Ukraine zur NATO", "Die NATO hat serbische Städte zerstört" und "NATO - Gefahr für die Unabhängigkeit der Ukraine" bei sich. Sie skandierten Losungen wie: "NATO - Nein!". Als Zeichen des Protestes gegen die Einmischung der Führung des Nordatlantikbündnisses in die inneren Angelegenheiten der Ukraine verbrannten die Demonstranten die NATO-Flagge.
Am Samstag (18. Dez.) wird auf der Krim über den Beitritt der Ukraine zur NATO abgestimmt. In den Städten, Dörfern und Gemeinden des Autonomiegebietes haben über 1200 Wahllokale geöffnet. Die Ergebnisse der Abstimmung werden am Sonntag veröffentlicht. Die Teilnehmer des Meeting nahmen eine Resolution an, in der darauf verwiesen wird, dass, "wenn die Zentrale Wahlkommission und der Präsident auch weiterhin die Meinung des Volkes ignorieren, solche Referenden in allen ukrainischen Regionen stattfinden werden und sich das gesamte Land in einen Anti-NATO-Brückenkopf verwandelt".

Ukrainischer Präsident Juschtschenko hält weiter Kurs auf EU- und NATO-Integration

KIEW, 14. Dezember (RIA Novosti). Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko erklärt abermals, dass die vorrangige Richtung der Außenpolitik seines Landes die Integration mit Europa sei. "Trotz aller scharfen politischen Diskussionen bleibt der Kurs auf die europäische und transatlantische Integration unverändert. Und ich glaube, dass sich alle politischen Kräfte der Ukraine dessen bewusst sind", sagte Juschtschenko auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Er sagte, dass die Ukraine im kommenden Jahr alle Integrationsprozesse aktivieren soll. Er bemerkte auch, dass die Politisierung der Außenpolitik nichts nütze.

Ukraine: Rada-Chef Moros findet Referendum über NATO-Beitritt unnötig

KIEW, 14. Dezember (RIA Novosti). Das kollektive Sicherheitssystem in Europa sollte umstrukturiert werden, damit dabei die Interessen Russlands und der Ukraine berücksichtigt werden. Diese Auffassung brachte der Vorsitzende der Obersten Rada der Ukraine, Alexander Moros, am Donnerstag (14. Dez.) in einem Interview mit RIA Novosti zum Ausdruck. Darüber hinaus äußerte er sich gegen ein Referendum über die Zweckmäßigkeit des NATO-Beitritts seines Landes, weil es ganz offensichtlich sei, "dass sicherlich die meisten Einwohner des Landes dagegen eintreten". "Angesichts dessen ist die Antwort im Voraus bekannt", sagte der Politiker.
Ferner plädierte er für ein neues Kooperationsabkommen mit der NATO, das die aktuelle Realität berücksichtigen würde. "Auf diese Weise kann die überflüssige Diskussion über die Richtungen der ukrainischen Außenpolitik vermieden werden", unterstrich Moros.

Alle drei Meldungen: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti (http://de.rian.ru)




Zurück zur Ukraine-Seite

Zur NATO-Seite

Zurück zur Homepage