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Europaparlament rüstet zur Mission Ukraine

Resolution fordert "Vergeltung" wegen russischen Drucks / Keine Zwischenfälle auf Unabhängigkeitsplatz *

Das EU-Parlament hat sich solidarisch mit den prowestlichen Demonstranten in der Ukraine erklärt und will so schnell wie möglich eine Delegation nach Kiew schicken. Die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch solle Verhandlungen mit der Opposition und Vertretern der Zivilgesellschaft einberufen, hieß es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Straßburg mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Ein Termin für die Reise der Delegation in die Ukraine stand zunächst nicht fest. Die Opposition lehnt Verhandlungen mit Janukowitsch bisher ab.

Die EU-Regierungen sollten auf ihrem Gipfeltreffen in der kommenden Woche »ein klares politisches Signal« an Kiew senden, »dass die EU nach wie vor zu Verhandlungen mit der Ukraine bereit ist«, hieß es in dem Papier. In der Resolution von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen wird politischer und wirtschaftlicher Druck der russischen Regierung auf die Ukraine scharf verurteilt. Die Union sollte in der Lage sein, »zu reagieren und Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn sie oder ihre Partnerländer politisch oder wirtschaftlich unter Druck geraten«, hieß es.

Präsident Janukowitsch hat nach EU-Einschätzung einen Westkurs seines Landes nicht grundsätzlich verworfen. »Janukowitsch hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass er die Absicht hat, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen«, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel nach ihrem Besuch in Kiew. Der Staatschef habe über kurzfristige wirtschaftliche Herausforderungen gesprochen, mit denen das Land konfrontiert sei.

Nach dem vorläufigen Rückzug der ukrainischen Sicherheitskräfte vom Unabhängigkeitsplatz in Kiew verbrachten mehr als 5000 Demonstranten die Nacht zu Donnerstag im Stadtzentrum. Es gab keine nennenswerten Zwischenfälle.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 13. Dezember 2013


Europa in der Pflicht

Klaus Joachim Herrmann über eine Vermittlungsmission in der Ukraine **

Das Europaparlament fordert eine Vermittlung in der Ukraine. Eine friedliche Lösung der Krise am Runden Tisch und Aussicht auf Abschaffung der Visapflicht wurden als Inhalte der Mission genannt. Ein Ausgleich der Interessen in der Ukraine oder gar zwischen der EU, der Ukraine und Russland ist nicht vorgesehen. Die Opposition und deren verbal-militante Unterstützer von »Bild« bis Brüssel und Übersee fordern unversöhnlich das Entweder-oder und meinen den bedingungslosen Zuschlag für Europa. Dort sollten langsam auch die Folgen bedacht werden.

So müssten die nach Europa strebenden Ukrainer bei einem Erfolg – alle anderen ebenfalls – mit ihrem Siegerlager klarkommen. Das reicht von Konservativen bis zu radikalen Rechten. Die werden ihren Triumph als politischen Einfluss genießen. Die CDU als Klitschko-Förderer wäre dann in ganz anderem Umfang als bisher gefragt und verantwortlich.

Mit Assoziierung und Reiseerleichterungen ist die Ukraine noch lange nicht angekommen. Die östliche Partnerschaft ist aber strategisches Programm, nicht verbindliche Hilfe. Gelänge es dem Westen, die Ukraine den Russen abspenstig zu machen, müsste er mehr als nur vage Aussichten, sondern auch Ersatz bieten. Dann geriete Europa richtig in Pflicht und Kosten – oder es macht die Ukraine nur zu seinem armen fernen Osten.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 13. Dezember 2013 (Kommentar)


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