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Zwischen Barrikaden und Rundem Tisch

Ukrainische Milizen gegen Demonstranten in Kiew / Präsident Janukowitsch erklärte Bereitschaft zum Dialog

Von Klaus Joachim Herrmann *

Die Ukraine verharrte bis Montagabend zwischen Konfrontation und Dialog. Die Opposition verbarrikadierte sich auf dem Maidan, davor postierten sich Milizeinheiten. Ein Runder Tisch kam ins Gespräch.

Zusammenstöße von Demonstranten und Sicherheitskräften wurden am Montagabend aus Kiew berichtet. Es wurde damit begonnen, Straßensperren zu beseitigen und Blockaden von Regierungseinrichtungen aufzulösen. Zuvor hatte das Innenministerium versichert, es gebe »keine Befehle zur Anwendung von Gewalt«. Dann hieß es, Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz bewaffneten sich mit Gegenständen, »die schwere Verletzungen verursachen können«. Das Büro der Vaterlandspartei Julia Timoschenkos wurde von Vermummten gestürmt.

An den Barrikaden der Opposition im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt waren in den Mittagsstunden Einheiten des Innenministerium und der Sondermiliz »Berkut« aufgezogen. Sie riegelten Straßen ab, die zum »Maidan« führen. Für zusätzliche Spannung sorgten drei Bombendrohungen gegen nahe gelegene Stationen der Kiewer Metro.

Der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko kritisierte laut Agenturen die Anwesenheit der Sicherheitskräfte scharf. Präsident Viktor Janukowitsch wolle die mehreren tausend Regierungsgegner vermutlich einschüchtern. »Aber wir bleiben. Ich rufe alle Regierungsgegner auf, zum Maidan zu kommen«, sagte Klitschko. »Wir werden unseren Maidan verteidigen«, kündigte auch Arseni Jazenjuk von der Partei der inhaftierten ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko an. Beobachter sprachen von wachsenden Spannungen. Den Demonstrationsplatz besuchten nach ukrainischen Medienberichten auch zahlreiche Diplomaten aus EU-Ländern. An diesem Dienstag läuft ein Ultimatum der Behörden in Kiew ab. Sie fordern, dass Regierungsgegner besetzte Gebäude in der Hauptstadt räumen.

Ein Treffen des Präsidenten Viktor Janukowitsch mit seinen Vorgängern Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko wurde für Dienstag erwartet. Thema dürfte laut sozialen Netzwerken die Einberufung eines gesamtukrainischen Runden Tisches sein. Janukowitsch sei zu Gesprächen mit der Opposition bereit, verlautete aus dem Präsidentensitz in Kiew. Zudem wird die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kiew zu einer Vermittlungsmission erwartet.

Unter Bezug auf Angaben des ukrainischen Vizepremiers Sergej Arbusow informierten russische Medien über Details der gescheiterten Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU. Danach sollen Kiew mehrmals zehn Milliarden Dollar als Ausgleich seiner wirtschaftlichen Verluste durch eine Assoziierung mit der EU versprochen worden sein. Brüssel verweigerte aber eine schriftliche Festlegung. Als die ukrainischen Behörden die EU-Kommissare erneut an ihr Versprechen erinnert hätten, wollten diese nichts mehr davon wissen und nur noch 600 Millionen Euro bereitstellen.

Besser scheint es mit Russland zu gehen. Wie es in Moskau hieß, dürfte die Ukraine in Form von Hilfen und Krediten mit insgesamt 15 Milliarden Dollar rechnen können. Weiter im Gespräch ist auch eine Senkung des Gaspreises. Moskau soll auch zugesagt haben, Großprojekte in der Ukraine zu finanzieren und ukrainische Geschäftsleute an profitablen Vorhaben in Russland zu beteiligen. Am 17. Dezember soll ein gutes Dutzend Verträge und Vereinbarungen in Moskau unterzeichnet werden.

Gerüchte, dass Janukowitsch bei seinem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin am 6. Dezember den Beitritt der Ukraine zur Zollunion versprochen habe, blieben unbestätigt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 10. Dezember 2013


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