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Menschenjagd als Massenspaß

Analyse. Zu den Hintergründen der Kampagne "Kony 2012"

Von Knut Mellenthin *

Am morgigen Freitag wird in den USA und vielen anderen Ländern, darunter auch in Deutschland, gegen den »schlimmsten Kriegsverbrecher der Welt« demonstriert. Das Böse schlechthin hat endlich wieder einen Namen. Daß der etwa 50jährige Joseph Rao Kony den Titel zu Recht trägt, kann jedoch ebenso angezweifelt werden wie die Verleihung des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama. Der Chef der ugandischen Guerillaorganisation Lord’s Resistance Army (Widerstandsarmee Gottes) ist unter den Warlords des afrikanischen Kontinents ein vergleichsweise kleiner Fisch. Die Zahl der Kämpfer, die zur Zeit noch seinem Kommando folgen, wird auf wenige hundert geschätzt, einige sagen 200 bis 300, wahrscheinlich verteilt in Zehner- oder Zwanzigergruppen auf drei Länder: Zentralafrika, Kongo und Südsudan. In Uganda selbst ist die LRA nach schweren Verlusten offenbar nicht mehr präsent.

Initiatorin des weltweiten Aktionstages unter dem nicht eindeutig zu übersetzenden Namen »Cover the Night« ist eine US-amerikanische Gruppe, die es in diesem Frühjahr schlagartig zu einem erstrangigen Bekanntheitsgrad in der twitternden und facebookenden Internetszene gebracht hat. Die »Invisible Children« bemühen sich schon seit 2004 darum, die Praktiken der LRA anzuprangern und für eine von den USA geführte Militärintervention in Mittelafrika zu werben. Ihren großen Durchbruch erreichten sie aber erst in diesem Jahr mit dem knapp halbstündigen Dokumentarfilm »Kony 2012«, den sie am 5. März online stellten. Anscheinend nach dem Schneeeballsystem wurde der Film explosionsartig vor allem unter Jugendlichen weiterverbreitet. Die Siegesmeldungen überschlugen sich geradezu. Nach 48 Stunden hatten sich angeblich schon 20 Millionen Menschen das Video angesehen, nach zwei Wochen 85 Millionen, und mittlerweile stagniert die Zahlenangabe bei »mehr als 100 Millionen«.

Es hat nach allgemeiner Einschätzung noch nie zuvor in so kurzer Zeit einen derartigen Hype um ein politisches Video gegeben. Das bleibt vermutlich selbst dann wahr, wenn man berücksichtigt, daß die bekanntgegebenen Zahlen möglicherweise massiv hochfrisiert sind. Anfang April hat »Invisible Children« ein neues Video, »Kony 2012 II«, nachgeschoben. Es soll nach Aussagen der Initiatoren mehr Hintergrundinformationen bieten und auch inhaltlicher Kritik am ersten Film Rechnung tragen.

Merkwürdiger Zeitpunkt

Ein zentrales Thema beider Videos ist die Entführung von mehreren tausend Jungen und Mädchen, die der LRA als Kindersoldaten, Lastenträger und Zwangs-»Ehefrauen« zu dienen hatten. Bei »mehr als 30000« soll ihre Zahl im Laufe der Jahre nach Angabe von »Invisible Children« gelegen haben. Das ist natürlich geeignet, starke Empathie und Handlungsbereitschaft besonders bei jugendlichen Internetnutzern hervorzurufen.

Es erklärt aber absolut nicht den Zeitpunkt, zu dem die Hysterie um »Kony 2012« gerade jetzt ausgebrochen ist oder entfacht wurde: Die LRA ist schon seit 1987 aktiv, hat die Zeit ihrer größten Aktivität längst hinter sich, ist heute auf militärische und politische Bedeutungslosigkeit reduziert. Ob die Überreste von Konys Truppe derzeit überhaupt noch Kinder entführen, ist umstritten. Anhänger der Anti-Kony-Kampagne nannten Mitte April eine erstaunlich genaue Zahl von 57 Entführten seit Erscheinen des ersten Videos, also seit Anfang März, doch scheint das nicht mehr als ein Phantasieprodukt für PR-Zwecke zu sein. In Wirklichkeit ist nicht einmal Konys ungefährer Aufenthaltsort bekannt.

Sicher ist, daß die in den Videos dokumentierten oder geschilderten Gewalttaten der LRA mindestens zwei oder drei Jahre zurückliegen. Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (ICC) gegen Kony, auf dessen schnelle Vollstreckung die Initiatoren der Kampagne drängen, wurde am 7. Juli 2005 ausgestellt. Die Entscheidung des ICC, Ermittlungen gegen Kony und drei weitere LRA-Führer einzuleiten, war schon ein Jahr vorher gefallen.

Es stellt sich die Frage, warum nicht auch sehr viel weiter reichende Ereignisse, wie etwa zuletzt der Hungertod von mutmaßlich mehreren hunderttausend Menschen in Nordostafrika im vorigen Jahr – darunter mehrheitlich Kinder und Jugendliche – ähnliche Massenbewegungen von Empathie und Solidarität auslösen. Tatsache ist außerdem, daß die Streitkräfte der afrikanischen Staaten, denen die Anfeuerungsrufe der Anti-Kony-Kampagne gelten, in nicht geringerem Ausmaß die gleichen Verbrechen zu begehen pflegen, die der LRA angelastet werden. Das gilt besonders für Uganda und ist durch mehrere UN-Berichte umfassend dokumentiert.

»Invisible Children« hat zum Hauptziel ihrer Kampagne die Festnahme von Joseph Kony in diesem Jahr erklärt – angeblich, um ihn in Den Haag vor Gericht zu bringen. Als strategisches Mittel zum Zweck fordert sie ihre Anhänger auf, den ugandischen Rebellenführer »berühmt« (famous) zu machen. Zur Bekanntmachung seines Namens soll auch der Aktionstag am Freitag dienen, an dem weltweit Hunderttausende oder Millionen von Kony-Postern verklebt werden. Ganz so, als wäre Kony hauptsächlich deshalb seit 25 Jahren nicht festgenommen worden, weil ihn in New York, Philadelphia, Salzburg, Oslo, Birmingham und Köln nicht genug Leute kennen. Damit vermittelt die Zentrale der Bewegung jedem ihrer Anhänger das schöne Gefühl, auf nicht allzu mühsame oder gar Opfer bringende Weise ein wichtiger Teil einer sinnvollen kollektiven Anstrengung zu sein, »die wirklich etwas bewirkt«.

Einträgliches Geschäft

Daß der afrikanische Kontinent aber durch die »Ausschaltung« Konys auch nur im Geringsten zu einem besseren Ort würde, ist eine durch nichts begründete Illusion. Zudem ist schwer vorstellbar, daß die hier angefeuerte Menschenjagd mit etwas anderem als einem widerwärtigen Lynchmord nach dem Beispiel Muammar Gaddafis enden könnte – ganz egal, ob Kony in die Hände ugandischer, zentralafrikanischer, kongolesischer oder südsudanesischer Soldaten fallen würde. Auch die US-amerikanischen Berater, die Obama im Oktober 2011 nach Mittelafrika entsandt hat, um bei der Rebellenhatz zu assistieren, würden Kony wahrscheinlich sofort erschießen, statt ihn auf den Weg nach Den Haag zu bringen. Der US-Präsident verwendete dafür den zynischen Begriff »to remove him from the battlefield«, ihn vom Schlachtfeld entfernen, als er seine Jungs losschickte.

Daß diese auch künftig vor Ort bleiben sollen, bis Kony »zur Strecke gebracht« ist – was in den USA übrigens kaum jemand in Frage stellt –, ist ein weiteres Ziel der Kampagne von »Invisible Children«. Bei so enger Übereinstimmung mit dem weltweiten Interventions- und Führungsanspruch der herrschenden Kräfte ihres Landes liegt der Verdacht nahe, daß es politische Drahtzieher im Hintergrund geben müsse. Diese sind indessen bisher noch nicht glaubwürdig namhaft gemacht worden. So könnte es sich bei dem ursprünglich sehr kleinen Gründerkreis vielleicht wirklich nur um ein paar Individuen handeln, die mehr oder weniger gute Absichten mit einem hoch entwickelten Sinn fürs politische und kommerzielle Geschäft zu kombinieren verstehen.

»Berühmt« und wohlhabend sind sie zweifellos schon jetzt durch ihre Kampagne geworden. Dabei ist der gigantische Boom seit dem Erscheinen von »Kony 2012« im Internet noch nicht einmal berücksichtigt. Nach Angaben des britischen Guardian vom 8. März hat »Invisible Children« im vorigen Jahr ihre Einnahmen gegenüber 2010 verdreifacht. Als »Non-Profit-Organisation« ist die Gruppe steuerlich begünstigt; Spenden an sie sind abzugsfähig. Unter den Überweisern größerer Beträge sind auch reaktionäre Fundamentalisten wie die »National Christian Foundation«.

Neben Spenden stammt das Einkommen der Gruppe hauptsächlich aus dem Verkauf ihres Propagandamaterials – T-Shirts, Poster, Aufkleber, Sticker, Armbänder und natürlich Videos. Jede Aktion spült noch mehr Geld in die Kasse. Von 8,8 Millionen Dollar, die »Invisible Children« im Jahr 2011 einnahm, ging ihrer eigenen Bilanz zufolge nur etwa ein Drittel an Hilfsprojekte in Afrika. 1,7 Millionen Dollar wurden für Gehälter ausgegeben, 40o000 Dollar für ihr Haupt­büro im kalifornischen San Diego, 244000 für »professionelle Dienstleistungen« – wohinter der Guardian hauptsächlich Lobbyisten in Washington vermutet –, über 1,2 Millionen für die Filmproduktion und 1,07 Millionen für Reisen und Spesen.

Ein naheliegender, von manchen Kritikern der Anti-Kony-Kampagne auch explizit geäußerter Verdacht ist, daß eine Verbindung zwischen »Invisible Children« und dem ugandischen Regime besteht. Dagegen spricht, daß Regierung und Behörden Ugandas sich alles andere als begeistert über die Propaganda der Gruppe und insbesondere das Video »Kony 2012« geäußert haben. Ein Land, das mittlerweile etwa zehn Prozent seines Bruttosozialprodukts aus dem Tourismus erwirtschaftet, möchte nicht gern als Bürgerkriegsschauplatz in Verruf kommen. Auch den Bemühungen, ausländisches Kapital zu Investitionen zu animieren, kann ein solches Image nicht dienlich sein.

Kurze Zeit nach dem Start von »Kony 2012« veröffentlichte die Regierung in Kampala ein eigenes neunminütiges Video im Internet. Darin tritt Premierminister Amama Mbabazi persönlich auf und versichert, allem Anschein nach zutreffend, daß der Rebellenführer sich schon seit 2006 nicht mehr in seinem Land aufhalte. »Uganda befindet sich nicht in einem Konflikt. Uganda ist ein modernes, sich entwickelndes Land, in dem Frieden, Stabilität und Sicherheit herrschen.« Mbabazi scheute sich nicht einmal, 20 prominente Unterstützer der Kampagne wie Angelina Jolie, George Clooney, Justin Bieber, Lady Gaga und Rihanna nach Uganda einzuladen, um sich persönlich von der Wahrheit seiner Worte zu überzeugen. Vielleicht will er ihnen auch die extrem schwulenfeindliche Politik in seinem Land erläutern: Homosexualität ist generell verboten. Ein Gesetz, das dafür Todesstrafe oder lebenslanges Gefängnis androht, wird seit Jahren im Parlament diskutiert und wäre ohne massive Proteste aus dem Ausland wohl schon längst verabschiedet.

Geschichte der LRA

Die Geschichte Ugandas seit Beendigung der britischen Kolonialherrschaft im Jahre 1962 bis zur Übernahme der Macht durch den heute immer noch regierenden Präsidenten Yoweri Museveni im Januar 1986 war durch Putsche und Kämpfe zwischen militärischen Organisationen rivalisierender Warlords geprägt. Eine wesentliche Rolle spielte dabei der durch die britische Verwaltung geförderte Gegensatz zwischen sprachlich unterschiedlichen Ethnien im Norden und Süden des Landes. Während die Kolonialmacht im Norden ihre Hilfstruppen rekrutierte, entwickelte sie im Süden Industrie und Landwirtschaft, für die aus dem Norden billige Arbeitskräfte herangezogen wurden. Die postkoloniale Entwicklung Ugandas wurde und wird von Militärs, Politikern und Geschäftsleuten aus dem Süden bestimmt.

Museveni kam als Chef einer eigenen militärischen Organisation, der Nationalen Widerstandsarmee (NRA), an die Macht. Während der Kämpfe wurden die NRA und andere mit ihr verbündete Formationen, insbesondere die Föderalistische Demokratische Bewegung Ugandas (FEDEMU), durch Massaker, Hinrichtungen, öffentliche Massenvergewaltigungen und andere Grausamkeiten gegen die Bevölkerung Nordugandas berüchtigt. Die von Kony geführte LRA entstand 1987 aus der Selbstverteidigung einer nordugandischen Ethnie, der Acholi, heraus. Dadurch fand sie zeitweise Unterstützung bei Teilen der dortigen Bevölkerung. In dem Maße, wie sie diese aufgrund militärischer Rückschläge und anderer Faktoren verlor, griff die LRA jedoch zu repressiven und gewalttätigen Methoden wie insbesondere der Verschleppung von Kindern und Jugendlichen.

Ob das wirklich in dem ihr zugeschriebenen Ausmaß geschah, ist allerdings unmöglich festzustellen. Eine bekannte, durch UN-Untersuchungen dokumentierte Tatsache ist, daß viele afrikanische Warlords, auch die Gegner der LRA, Kindersoldaten rekrutieren – oft unter Zwangsanwendung. Zu etlichen Massakern, die ihr im Laufe der Jahre angelastet wurden, hat die LRA wiederholt erklärt, daß diese nicht von ihr begangen worden seien. Das mag im Einzelfall durchaus stimmen, wenn man die in diesen Kriegen angewendeten Methoden in Betracht zieht.

In den 1990ern Jahren operierte die LRA zeitweise mit Hilfe der sudanesischen Zentralregierung von Stützpunkten im benachbarten Südsudan aus. Die Regierungen in Kampala und Khartum führten damals einen Stellvertreterkrieg gegeneinander: Uganda unterstützte die separatistische südsudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA), während der Sudan Waffen und Nachschub an die LRA lieferte.

Die militärische Drohkulisse, die die US-Regierung nach dem 11. September 2001 aufbaute, beschleunigte in Khartum eine Tendenz, die schon etwas früher begonnen hatte: Die sudanesische Regierung strebte nach Überwindung ihrer Isolation und warb mit Zugeständnissen um die Gunst der USA. Das schloß auch eine Annäherung an Uganda, neben Äthiopien der wichtigste Verbündete Washingtons in Nordostafrika, ein. In diesem Zusammenhang stellte Khartum auch die Unterstützung der LRA ein und erlaubte seit März 2003 sogar Operationen der ugandischen Streitkräfte auf sudanesischem Gebiet, die die Rebellen in schwere Bedrängnis brachten.

Ebenfalls im Jahr 2003 nahm die sudanesische Regierung unter dem Druck der USA Verhandlungen mit der SPLA auf. Diese führten im ­Januar 2005 zu einem Abkommen, durch das Südsudan als autonome Region mit der Perspektive der Eigenstaatlichkeit nach einem späteren Referendum anerkannt wurde. Unter dem Patronat der südsudanesischen Regierung begannen im Juni 2006 auch zwischen Uganda und der LRA Friedensverhandlungen. Zeitweilig beteiligten sich daran als Beobachter und Vermittler Südafrika, Kenia, Mosambik, die UNO, die Afrikanische Union, die EU und die USA.

Das erste, schnell erreichte Ergebnis war die Unterzeichnung eines Waffenstillstands am 26. August 2006. Die LRA verpflichtete sich darin, ihre Kämpfer vollständig aus Uganda abzuziehen und in zwei Zonen auf südsudanesischem Gebiet zu sammeln. Die Regierung in Kampala versprach ihrerseits, die Rebellen dort nicht anzugreifen. Im wechselvollen Fortgang der Gespräche erwiesen sich letzten Endes die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Kony und andere LRA-Führer als schwerwiegendstes Hindernis für eine Einigung. Die ugandische Regierung hatte den Fall im Dezember 2003 selbst an den ICC herangetragen, versuchte aber während der Verhandlungen mit der LRA, das Haager Gericht zu einer Einstellung des Verfahrens zu bewegen. Ob das ehrlich oder scheinheilig war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall zeigte sich ICC-Chefankläger Luis Moreno Ocampo unerbittlich und kompromißlos: »Vom Gerichtshof ausgestellte Haftbefehle bleiben in Kraft und müssen vollstreckt werden.«

Nachdem an diesem Punkt die Verhandlungen festgefahren waren, versetzte ihnen das Regime in Kampala, materiell massiv unterstützt und vermutlich politisch entscheidend beeinflußt durch die USA, den Todesstoß: Die ugandischen Streitkräfte vertrieben die LRA zunächst aus dem Südsudan in den angrenzen Osten der Republik Kongo und griffen sie dann – gemeinsam mit kongolesischem Militär und der SPLA – zwischen Dezember 2008 und März 2009 in einer Großoffensive an. Die schwer reduzierten und angeschlagenen Reste von Konys Truppe flüchteten über die Grenze in die Zentralafrikanische Republik.

Gegenwärtig sind rund 5000 Soldaten Ugandas, des Kongo, des Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik an der Jagd auf die versprengten Überbleibsel der LRA beteiligt. Formal stehen sie, aufgrund einer Entscheidung der Afrikanischen Union, unter dem Kommando des ugandischen Obersten Dick Olum. Problematisch ist in der Praxis vor allem die Kooperation zwischen Uganda und Kongo. Dort ist das ugandische Militär aufgrund seiner furchtbaren Rolle in den jahrelangen Interventionskriegen (1996/97 und 1998 bis 2003) immer noch verhaßt und gefürchtet. Es hatte nicht nur, wie in UN-Berichten detailliert dargestellt wurde, gemordet, vergewaltigt, gefoltert und geplündert, sondern im Zusammenwirken mit internationalen Unternehmen auch einen massiven Raub kongolesischer Rohstoffe organisiert.

In allen vier beteiligten Staaten sind US-amerikanische Offiziere als Berater und Organisatoren der Treibjagd auf die LRA-Reste stationiert. Obama hat ihren Einsatz im Oktober vorigen Jahres angeordnet, ihre Gesamtzahl liegt bei 100. Sie sind zwar gefechtsmäßig ausgerüstet, sollen aber nicht selbst in die Kämpfe eingreifen. Der Präsident berief sich zur Legitimierung dieser Entsendung auf eine Resolution, die beide Häuser des Kongresses schon im März und Mai 2010 einstimmig verabschiedet hatten. Darin wurde die Regierung unter anderem aufgefordert, »politische, wirtschaftliche, militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung für wirkungsvolle multilaterale Anstrengungen zum Schutz der Zivilisten vor der LRA, zur Ergreifung oder Ausschaltung Joseph Konys und seiner Spitzenkommandeure sowie zur Entwaffnung und Demobilisierung der LRA zur Verfügung zu stellen«.

Psychologische Kriegsführung

Nicht zuletzt aufgrund der Kampagne »Kony 2012« und der Wahlkampfsituation wurden im März dieses Jahres im Abgeordnetenhaus und im Senat der USA neue Resolutionen gegen die LRA auf den Weg gebracht. Sie sind nach Lage der Dinge praktisch überflüssig, da sie der ohnehin schon laufenden Militärintervention in Mittelafrika nichts wesentlich Neues hinzufügen. Sie entsprechen aber dem populistischen Selbstdarstellungsbedürfnis der Politiker, in einer einzigen Aktion sowohl Mitgefühl als auch Härte und Entschlossenheit zu demonstrieren – und das zu einem möglichst geringen Preis.

Noch nie zuvor konnten sich die Mächtigen irgendeines Landes auf eine derartige technisch moderne, »jungdynamische«, weltweit Dutzende Millionen von Menschen erfassende Massenbewegung für ihre Interventionspolitik berufen und sich geradezu als deren Vollstrecker in Szene setzen. Die Bereitschaft so vieler hauptsächlich junger Menschen, sich einen weit entfernten, für ihre eigenes Leben bedeutungslosen afrikanischen Rebellenführer, dessen Namen sie vorher noch nie gehört hatten, von einem Tag zum anderen als die Personifizierung des absoluten Bösen suggerieren zu lassen, die es unbedingt zur Strecke zu bringen gilt, läßt sorgenvoll in die Zukunft blicken. Die Experten für psychologische Kriegführung und Massenmanipulation werden sich vermutlich in nächster Zeit genau mit dem Phänomen und seinen Möglichkeiten beschäftigen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. April 2012


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