"Fitter, fixer, flexibler"
Feindbild Rußland: US-Präsident Barack Obama verkündet bei Besuch in Polen Ausweitung der NATO-Militärpräsenz im Osten. Mehr Geld für »Verteidigung«
Von Knut Mellenthin *
Barack Obama will Wettrüsten und Kriegshysterie in Europa steigern. Zu Beginn einer viertägigen Rundreise verkündete der US-Präsident am Dienstag in Polen einen neuen Posten im Pentagon-Haushalt. Für das vorerst nur andeutungsweise beschriebene Paket namens »European Reassurance Initiative« will Obama vom Kongreß eine Milliarde Dollar fordern, umgerechnet etwa 735 Millionen Euro. Das Wort »Reassurance« wurde in manchen deutschen Medien falsch mit »Rückversicherung« übersetzt. Tatsächlich kommt »Beruhigung« der Sache näher. Es handelt sich um einen Begriff aus der amerikanischen Propaganda und Selbsttäuschung, daß die angeblich angstschlotternden Bevölkerungen rund um die Welt ständig »Sicherheitsgarantien« bräuchten.
Was Obamas neuer Haushaltsposten konkret beinhalten soll, bleibt abzuwarten. Zu besonderer Sorge gibt die Ankündigung Anlaß, daß mit Hilfe des neu einzurichtenden Finanztopfs auch die »militärischen Kapazitäten« einiger an Rußland grenzender Nicht-NATO-Mitglieder verstärkt werden sollen. Das zielt in erster Linie auf die Ukraine, Georgien und Moldawien. Damit will die US-Regierung offenbar den Widerstand einiger europäischer Partner, unter anderem Deutschlands, gegen eine beschleunigte Integration dieser Staaten in die westliche Allianz unterlaufen.
Als weitere Ausgaben, die aus dem neuen Haushaltsposten finanziert werden sollen, nannte das Weiße Haus am Dienstag die Finanzierung einer gesteigerten Beteiligung US-amerikanischer Truppen an Kriegsübungen in Europa und des Ausbaus der »Präsenz« von Kriegsschiffen der Navy vor Rußlands Küsten an der Ostsee und im Schwarzen sowie im Mittelmeer. Nicht geplant scheint dagegen, soweit sich das aus den bisherigen Äußerungen erkennen läßt, eine wesentliche Erhöhung der Zahl von Soldaten, die die USA ständig in Europa stationiert haben. Eine entsprechende Forderung hatte der polnische Präsident Bronislaw Komorowski am Dienstag erhoben. Wohl aber wollen die USA, wie Obama in Polen ankündigte, die Menge an Kriegsmaterial erhöhen, die sie in Europa gelagert hat, um sie im Bedarfsfall schnell einsetzen zu können.
Von Polen aus erteilte der US-Präsident den europäischen Verbündeten auch die herrisch formulierte Anordnung, ihre Militärausgaben zu erhöhen. Eine Reihe von NATO-Staaten – übrigens auch die USA selbst – habe ihre Verteidigungsetats gesenkt. »Das muß sich ändern.« Jedes der 28 Mitglieder der Allianz müsse »seinen fairen Anteil« leisten. Das wird die Menschen vor allem in jenen europäischen Ländern interessieren, die mit den Folgen eines schon stattgefundenen oder drohenden Staatsbankrotts zu kämpfen haben.
Ebenfalls am Dienstag gaben Deutschland, Polen und Dänemark bekannt, daß sie ihr gemeinsames NATO-Korps Nordost, dessen Führungsstab im polnischen Szczecin stationiert ist, verstärken wollen. Derzeit befinden sich dort 180 Soldaten, darunter 60 aus Deutschland. Ziel der jetzt angekündigten Maßnahmen soll sein, das Korps schneller als bisher für Übungen, aber »im Ernstfall« auch für Militäreinsätze gegen Rußland verfügbar zu machen. Die Zahl der dem Korps zugeordneten Soldaten aus den drei beteiligten Ländern soll erhöht, vielleicht sogar verdoppelt werden.
Mit der Forderung, daß das Kriegsbündnis NATO »fitter, fixer und flexibler« gemacht werden müsse, gab NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen das Motto für die kommenden Monate aus. Konkrete Entscheidungen werden beim NATO-Gipfel im September erwartet.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. Juni 2014
USA und NATO bauen Engagement im Osten aus
Obama sichert Verstärkung der US-Truppen in Polen zu / Mehr Verteidigungsausgaben der Paktpartner gefordert **
Mehr Soldaten und eine Milliarde
Dollar: Mit diesem »Gastgeschenk«
hat US-Präsident Barack Obama in
Polen seine Europareise begonnen.
Auf eine solche Zusage hat Warschau
gewartet.
US-Präsident Barack Obama
hat den NATO-Staaten in Ostmitteleuropa
angesichts der Ukrainekrise
versichert, dass »Amerika« für
ihre Sicherheit garantiert. Zudem
kündigte er am Dienstag bei einem
Besuch in Polen an, dass die USA ihre
Truppen in der Region aufstocken
wollen. Dafür erbat Obama vom USKongress
eine Milliarde Dollar. »Das
wird ein starkes Signal des Engagements
für die Sicherheit der Bündnispartner
sein«, sagte er nach einem
Treffen mit seinem Amtskollegen
Bronislaw Komorowski in Warschau.
Komorowski reagierte erfreut.
»Das ist die Bestätigung der Sicherheit
unserer Region«, sagte er. Eine
verstärkte US-Truppenpräsenz in Polen
und anderen Staaten der Region
helfe gegen »Druck und Aggression«.
Für Polen sei die Klarstellung wichtig,
dass es keine NATO-Staaten
zweiter Kategorie gebe, »denen jemand
von außen – konkret Russland
– sagt, ob dort amerikanische Truppen
stationiert werden können oder
nicht«. Östliche NATO-Staaten wie
Polen, Litauen, Lettland und Estland
fordern seit Längerem die Stationierung
von Kampftruppen anderer
NATO-Mitglieder. Damit soll nach ihrer
Darstellung Russland von Militäraktionen
wie der Annexion der
Krim abgeschreckt werden. Seit April
sind schon 600 US-Soldaten in den
vier Staaten stationiert.
Außenminister Radoslaw Sikorski
forderte nach einem Treffen mit seinem
US-Kollegen John Kerry erneut
eine Aufstockung dieses Kontingents.
Zudem pochte Obama auf höhere
Verteidigungsausgaben der europäischen
NATO-Partner. Viele europäische
Regierungen hätten ihre Wehretats
über die Jahre zurückgefahren,
kritisierte er. »Das muss sich ändern.
« Jeder der 28 NATO-Mitgliedstaaten
müsse in puncto Verteidigung
seinen »fairen Anteil« leisten.
Bereits Obamas Ankunft in Warschau
stand im Zeichen der militärischen
Zusammenarbeit mit Polen.
Gleich nach der Landung der Air
Force One kam er mit polnischen und
US-Piloten von Jagdflugzeugen des
Typs F16 zusammen. »Die Sicherheit
unserer Bündnispartner ist die
Grundlage unserer eigenen Sicherheit
«, erklärte er.
Deutschland, Polen und Dänemark
wollen das Hauptquartier des
Multinationalen NATO-Korps Nordost
im polnischen Szczecin stärken.
Derzeit sind 180 Soldaten dort stationiert
– 60 deutsche und 120 aus Polen
und Dänemark. Das Korps soll in
die Lage versetzt werden, Landoperationen
und -übungen schneller zu
planen. Inwieweit die Zahl der Soldaten
erhöht wird, blieb unklar. Im
Gespräch ist eine Aufstockung bis zu
einer Verdoppelung.
** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. Juni 2014
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