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"Sie werden die Töchter und Söhne Amerikas in Kriegszeiten auf das Schlachtfeld führen"

Rede des US-Präsidenten George W. Bush anlässlich der Verleihung der Offizierspatente an der Militärakademie in West Point: Hommage an Truman - Kriegsdrohung gegen Iran und Syrien


Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des US-Präsidenten George W. Bush anlässlich der Verleihung der Offizierspatente an der Militärakademie in West Point am 27. Mai 2006 im Wortlaut. Wir verzichten lediglich auf die Floskeln und Jokes zu Beginn seiner Rede. Die Übersetzung stammt vom Amerika Dienst. Die Originalversion (mit einer Zusammenfassung und kurzen Kommentierung in Deutsch) befindet sich hier: The President's Address at the United States Military Academy at West Point.



Rede des Präsidenten

(...)
Diese Akademie hat Sie intellektuell und körperlich auf die Herausforderungen vorbereitet, die vor Ihnen liegen. Sie haben im Seminarraum und auf dem Übungsfeld hart gearbeitet, um sich auf die Härten des Kampfes vorzubereiten. Ein Kadett beschrieb die in West Point vorherrschende Einstellung wie folgt: "Erst werde ich die Marine und die Luftwaffe besiegen, dann werde ich die Feinde der Freiheit auf dem Schlachtfeld besiegen."

Ihr Abschluss und ihr Offizierspatent führen Sie auf das Schlachtfeld. Dies ist die erste Abschlussklasse, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nach West Point kam. Sie alle kamen in einer Zeit des Krieges hier her; sie waren sich der Risiken und Gefahren bewusst, die mit dem Tragen der Uniform unseres Landes einhergehen. Ich möchte Ihnen für Ihren Patriotismus, Ihr Pflichtbewusstsein, Ihre mutige Entscheidung für den Dienst danken. Die Vereinigten Staaten sind dankbar und stolz auf die Frauen und Männer von West Point.

Die Realität des Krieges hat Sie von Anbeginn Ihrer Zeit an dieser Akademie begleitet. Mehr als 50 der Kadetten hier in West Point haben bereits Kampfhandlungen in Afghanistan und im Irak erlebt. 34 Mal, seit Ihre Klasse hier eintraf, haben Sie in der Washington Hall eine Schweigeminute zu Ehren eines im Krieg gegen den Terror gefallenen ehemaligen Kadetten gehalten. Jeder Verlust ist herzzerreißend - und jeder Verlust hat Sie noch entschlossener gemacht, Ihren Kampf fortzuführen und den Sieg zu erringen. Wir werden das Andenken an diese mutigen Menschen in Ehren halten. Wir werden die Aufgabe, für die sie ihr Leben gelassen haben, zu Ende bringen. Wir werden die Mission abschließen.

West Point hat sich angepasst, um Sie auf den Krieg vorzubereiten, in den Sie nun eintreten werden. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat diese Akademie ein neues Terrorismusbekämpfungszentrum und das Nebenfach Terrorismusstudien mit neuen Kursen in der Bekämpfung von Aufständen, nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, innerer Sicherheit und Friedensschaffung eingeführt. West Point hat das arabische Sprachprogramm ausgebaut, neue Lehrkräfte mit Fachwissen in islamischem Recht und islamischer Kultur eingestellt und Angehörige der 101. und 82. Luftlandedivision hier hergebracht, um Sie auszubilden und ihre Erfahrungen an der Front im Irak und in Afghanistan mit Ihnen zu teilen. Jeder einzelne von Ihnen hat strapaziöse samstägliche Übungen durchlaufen, bei denen Sie lernten, improvisierte Sprengsätze zu identifizieren, Operation im Konvoi durchzuführen und Kontrollpunkte zu leiten. Indem West Point sich an die neuen Bedrohungen anpasste, hat die Akademie Ihnen die Fertigkeiten vermittelt, die Sie in Afghanistan und im Irak benötigen werden - ebenso wie für den langen Krieg gegen den islamischen Extremismus, der im Zentrum der militärischen Laufbahnen vieler hier stehen wird.

Diese Akademie hat bereits vor 60 Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg, ähnliche Veränderungen vorgenommen. Einige der herausragendsten Absolventen von West Point - Männer wie Eisenhower und Bradley, Patton und MacArthur - hatten unsere Nation gerade in Europa und Japan zum Sieg geführt. Es tauchte jedoch sofort eine neue Bedrohung am Horizont auf - die Bedrohung durch den imperialen Kommunismus. West Point musste sich wie die Vereinigten Staaten auf den langen Kampf mit einem neuen Gegner vorbereiten, einem Gegner, der die Entschlossenheit mehrerer Generationen von Amerikanern erfordern würde.

In den Anfangsjahren dieses Kampfes war der Sieg der Freiheit weder offensichtlich noch sicher. 1947 bedrohten kommunistische Kräfte Griechenland und die Türkei, der Wiederaufbau Deutschlands stockte, in ganz Europa begannen die Menschen zu hungern. 1948 fiel die Tschechoslowakei an den Kommunismus; Frankreich und Italien schienen auf das gleiche Schicksal zuzusteuern und Berlin wurde auf Befehl von Josef Stalin von der Welt abgeschnitten. 1949 zündete die Sowjetunion eine Atomwaffe; damit war unserem neuen Feind die Fähigkeit gegeben, katastrophale Zerstörung in unser Heimatland zu bringen. Mehrere Wochen danach gewannen die kommunistischen Kräfte die Revolution in China und beanspruchten die meistbevölkerte Nation der Welt für den Kommunismus. Im Sommer 1950 strömten sieben nordkoreanische Divisionen über die Grenze nach Südkorea und begannen damit den ersten direkten militärischen Zusammenstoß des Kalten Kriegs. All dies geschah in den ersten fünf Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Glücklicherweise hatten wir einen Präsidenten namens Harry Truman, der die Bedrohung erkannte, kühne Maßnahmen ergriff, um ihr zu begegnen, und die Grundlagen für den Sieg der Freiheit im Kalten Krieg legte.

Präsident Truman gab eine klare Doktrin vor. In einer Rede im Kongress rief er zu militärischer und wirtschaftlicher Hilfe für Griechenland und die Türkei auf und kündigte eine neue Doktrin an, die die amerikanische Politik während des Kalten Krieges bestimmen sollte. Er sagte dem Kongress: "Es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freie Völker zu unterstützen, die sich der versuchten Unterdrückung durch bewaffnete Minderheiten oder durch Druck von außen erwehren." Mit dieser neuen Doktrin und den Mitteln, sie zu finanzieren, konnten Griechenland und die Türkei vor dem Kommunismus gerettet werden und der sowjetischen Expansion nach Südeuropa und in den Nahen Osten wurde Einhalt geboten.

Präsident Truman handelte mutig bei der Konfrontation neuer Gegner. Als Stalin die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten mit einer Blockade Berlins auf die Probe stellte, leitete Präsident Truman die Luftbrücke nach Berlin ein, mit der Vorräte in die belagerte Stadt geliefert, die Rote Armee zum Rückzug gezwungen und die Freiheit Westberlins gesichert wurde. Auch später reagierte Truman entschlossen auf kommunistische Aggression und trug einen schwierigen Krieg in Korea aus. Während des Koreakriegs gab es viele Rückschritte, Fehltritte und schreckliche Verluste. Mehr als 54.000 Amerikaner ließen in Korea ihr Leben. Dennoch wurden die kommunistische Kräfte letztendlich an den 38. Breitengrad zurückgedrängt und die Freiheit Südkoreas wurde gesichert.

Präsident Truman handelte mutig und machte alte Feinde zu demokratischen Verbündeten. In Asien führte seine Regierung die Bestrebungen an, Japan beim Wandel von einer Nation, die einen Überraschungsangriff auf die Vereinigten Staaten ausgeführt hatte, zu einer erfolgreichen Demokratie und einem starken Verbündeten zu unterstützen. In Europa setzte er den Marshallplan um, eine beispiellose Maßnahme, die Deutschland und andere Länder in Europa dabei behilflich sein sollte, sich vom Krieg zu erholen und starke Demokratien zu schaffen. Der Marshallplan kostete in heutigen Werteverhältnissen etwa 100 Milliarden Dollar. Er half uns, Westeuropa vor der sowjetischen Tyrannei zu retten und führte zur Entwicklung demokratischer Verbündeter, die bis heute für die Sache des Friedens unverzichtbar sind.

Präsident Truman passte unsere Bündnisse neuen Gefahren an. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte er die Bestrebungen zur Gründung der Nordatlantikpakt-Organisation an, des ersten zu Friedenszeiten geschaffenen Bündnisses der amerikanischen Geschichte. Die NATO diente als Bollwerk gegen kommunistische Aggression und trug zu einem Europa bei, das jetzt geeint, frei und in Frieden lebt.

Präsident Truman positionierte die US-Streitkräfte gemäß der neuen Gefahren. Trotz enormen Drucks, unsere Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg abzuziehen, ließ er zur Abwehr sowjetischer Aggression amerikanische Soldaten in Deutschland und als Gegengewicht zu einem kommunistischen China in Japan. Gemeinsam mit der Stationierung von US-Truppen in Korea ist die militärische Präsenz, die Truman auf zwei Kontinenten etabliert hat, bis heute fast unverändert geblieben und diente als Fundament für Sicherheit in Europa und im Pazifik.

Präsident Truman leitete eine umfassende Umgestaltung der Bundesregierung ein, um sie auf einen neuen Kampf vorzubereiten. In Zusammenarbeit mit dem Kongress schuf er das Verteidigungsministerium, etablierte die Luftwaffe als separaten Militärdienst, rief den im Weißen Haus angesiedelten Nationalen Sicherheitsrat ins Leben und gründete die Central Intelligence Agency um zu gewährleisten, dass die Vereinigten Staaten über die besten nachrichtendienstlichen Erkenntnisse über sowjetische Bedrohungen verfügten.

Präsident Truman verdeutlichte, dass der Kalte Krieg ein ideologischer Kampf zwischen Tyrannei und Freiheit war. Zu einer Zeit, in der einige die sowjetische Bedrohung noch immer hinwegwünschten, brachte er Winston Churchill nach Missouri, wo er seine berühmte Rede über den "Eisernen Vorhang" hielt. Er gab eine Präsidialrichtlinie mit der Bezeichnung NSC-68 heraus, in der er erklärte, dass die Vereinigten Staaten sich einem Feind gegenüber sähen, der von "einer neuen fanatischen Überzeugung angetrieben" werde und entschlossen sei, seine Ideologie der gesamten Welt aufzuzwängen. Diese Richtlinie rief die Vereinigten Staaten auf, die Verantwortung einer Führungsrolle auf der Welt anzunehmen und die Sache der Freiheit und Demokratie zu verteidigen - und genau das taten die Vereinigten Staaten auch.

Durch die Maßnahmen, die er ergriff, die Institutionen, die er aufbaute, die Bündnisse, die er schmiedete, und die Doktrinen, die er aufstellte, legte Präsident Truman die Grundlagen für den Sieg der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg. Präsident Truman erklärte gegen Ende seiner Präsidentschaft: "Wenn die Geschichte erzählt, dass der Kalte Krieg während meiner Zeit im Amt seinen Anfang nahm, so wird sie auch berichten, dass wir in diesen acht Jahren den Kurs eingeschlagen haben, der zum Sieg führen wird." Seine Führungsstärke ebnete den Weg für noch folgende Präsidenten aus beiden politischen Parteien - Männer wie Eisenhower, Kennedy und Reagan - sich der sowjetischen Bedrohung zu stellen und sie letztlich zu besiegen.

Heute, zu Beginn eines neuen Jahrhunderts, befinden wir uns wieder in einem Krieg, der sich von allen anderen unterscheidet, die unsere Nation je geführt hat - und wie die Amerikaner zu Trumans Zeiten legen wir auch heute die Grundlagen für den Sieg. Die Feinde, denen wir uns heute gegenüber sehen, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von jenen, mit denen wir uns während des Kalten Krieges konfrontiert sahen. Im Kalten Krieg wehrten wir die sowjetische Aggression durch eine Politik der gegenseitig zugesicherten Zerstörung ab. Im Unterschied zur Sowjetunion damals verstecken sich die terroristischen Feinde, denen wir uns heute gegenübersehen, in Höhlen und im Schatten - und treten hervor, um freie Nationen von innen anzugreifen. Die Terroristen müssen keine Grenzen schützen und keine Hauptstadt verteidigen. Sie können nicht abgeschreckt werden - aber sie werden besiegt werden. Die Vereinigten Staaten werden die Terroristen an jeder Front bekämpfen, und wir werden nicht ruhen, bis diese Bedrohung für unser Land beseitigt wurde.

Zwar gibt es zwischen dem Krieg heute und dem Kalten Krieg viele Unterschiede, es gibt aber auch viele wichtige Gemeinsamkeiten. Wie im Kalten Krieg bekämpfen wir die Anhänger einer mörderischen Ideologie, die Freiheit verachtet, jeglichen Dissens unterdrückt und territoriale Ambitionen sowie totalitäre Ziele verfolgt. Wie im Kalten Krieg lehnt unser Gegner die Freiheit der Menschen ab und behauptet, in Freiheit lebende Frauen und Männer seien schwach und es fehle ihnen die Entschlossenheit, ihre Lebensweise zu verteidigen. Wie im Kalten Krieg glauben unsere Gegner, dass Unschuldige im Dienste einer politischen Vision ermordet werden dürfen. Und wie im Kalten Krieg streben sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen an, die es ihnen ermöglichen würden, in unserem Land verheerende Zerstörung anzurichten. Wenn unsere Feinde in den Besitz derartiger Waffen gelangen sollten, werden sie nicht zögern, sie einzusetzen, und das bedeutete, dass sie eine ebenso große Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen würden wie damals die Sowjetunion.

Auf einen solchen Feind gibt es nur eine wirksame Reaktion: Wir werden niemals klein beigeben, wir werden niemals aufgeben, und wir werden niemals etwas Geringeres als den vollständigen Sieg akzeptieren.

Wie bereits Generationen vor uns hat die Geschichte die Vereinigten Staaten wieder einmal zur Übernahme großer Verantwortung berufen, und wir beantworten diesen Ruf der Geschichte mit Zuversicht. Wir stellen uns neuen Gefahren mit neuer Entschlossenheit und legen die Grundlagen für den Sieg im Krieg gegen den Terror.

In diesem neuen Krieg haben wir eine klare Doktrin dargelegt. Nach den Angriffen vom 11. September erklärte ich vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses: Die Vereinigten Staaten unterscheiden nicht zwischen Terroristen und den Ländern, die ihnen Zuflucht gewähren. Wenn Sie einem Terroristen Zuflucht gewähren, sind Sie ebenso schuldig wie die Terroristen und damit ein Feind der Vereinigten Staaten von Amerika. In den folgenden Monaten habe ich auch die Prinzipien verdeutlicht, die uns in diesem neuen Krieg leiten werden: Die Vereinigten Staaten werden nicht warten, bis sie noch einmal angegriffen werden. Wir werden uns Gefahren stellen, bevor sie vollständig Gestalt annehmen. Wir bleiben gegen die Terroristen in der Offensive, indem wir sie im Ausland bekämpfen, damit wir uns ihnen nicht hier zu Hause stellen müssen.

In diesem neuen Krieg haben wir bei der Konfrontation neuer Gegner mutig gehandelt. Als das Talibanregime in Afghanistan die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten auf die Probe stellte und sich unseren gerechtfertigten Forderungen widersetzte, die Terroristen, die Amerika angegriffen haben, zu überstellen, reagierten wir entschlossen. Koalitionsstreitkräfte entmachteten die Taliban, befreiten Afghanistan und brachten 25 Millionen Menschen die Freiheit. Im Irak entschied sich ein anderer Tyrann die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten auf die Probe zu stellen. Saddam Hussein war ein Diktator, der den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstrebte und sie einsetzte, Terroristen unterstützte, in Nachbarländer einmarschierte, sein Volk misshandelte, internationale Inspektoren täuschte und die Einhaltung von mehr als einem Dutzend UN-Resolutionen verweigerte. Als ihm der UN-Sicherheitsrat eine letzte Chance einräumte, seinen Waffenbesitz offen darzulegen und abzurüsten oder andernfalls ernste Konsequenzen tragen zu müssen, weigerte er sich, diese letzten Chance zu ergreifen. Also marschierten die Koalitionsstreitkräfte in den Irak ein und beseitigten dieses brutale Regime. Und heute steht der ehemalige Diktator für seine Verbrechen vor Gericht - und den Vereinigten Staaten sowie der Welt geht es besser, seit Saddam Hussein nicht mehr an der Macht ist.

In diesem neuen Krieg haben wir alte Gegner in demokratische Verbündete verwandelt. Genau wie eine frühere Generation Amerikaner dazu beigetragen hat, Deutschland und Japan von besiegten Feinden zu demokratischen Verbündeten zu machen, hilft eine neue Generation Amerikaner im Irak und Afghanistan heute, sich aus den Ruinen der Tyrannei zu erheben. In Afghanistan wurden die Terrorlager geschlossen, Frauen arbeiten, Mädchen und Jungen gehen zur Schule und die Afghanen haben in freien Wahlen einen Präsidenten und ein neues Parlament gewählt. Im Irak haben die Menschen den Terroristen die Stirn geboten und bei drei freien Wahlen im letzten Jahr ihre Stimmen abgegeben. Vorige Woche haben die Iraker Geschichte geschrieben, als sie die führenden Politiker einer neuen, von ihnen gewählten Regierung in ihr Amt einführten - gemäß einer Verfassung, die sie erarbeitet und gebilligt hatten. Mit der Bildung dieser geeinten Regierung hat die Welt den Beginn von etwas Neuem gesehen: eine konstitutionelle Demokratie im Herzen des Nahen Ostens. Sowohl in Afghanistan als auch im Irak gibt es weiterhin schwierige Herausforderungen. Aber die Vereinigten Staaten sind sicherer, und die Welt ist sicherer, weil diese beiden Länder nun Demokratien und Verbündete in der Sache der Freiheit und des Friedens sind.

In diesem neuen Krieg haben wir neue Bündnisse gebildet und alte im Hinblick auf die Herausforderungen eines neuen Jahrhunderts umgestaltet. Nachdem unser Land angegriffen wurde, bildeten wir für den Kampf im Krieg gegen den Terror die größte Koalition der Geschichte. Mehr als 90 Nationen arbeiten im Rahmen einer globalen Kampagne zusammen, um die Finanzquellen der Terroristen auszutrocknen, Terroristen ausfindig zu machen und ihre Anführer ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Und Länder wie Pakistan und Saudi-Arabien, die früher vor dem Terror die Augen verschlossen, nehmen heute am Kampf gegen ihn teil. Seit dem 11. September 2001 hat unsere Koalition führende Mitglieder und Gefolgsleute der Al Kaida in über zwei Dutzend Ländern gefangen genommen oder getötet und einige ernst zu nehmende Anschlagspläne der Al Kaida vereitelt, einschließlich einiger geplanter Anschläge auf Ziele innerhalb der Vereinigten Staaten. Unser Land ist heute sicherer, weil wir die Welt dazu gebracht haben, sich dieser Bedrohung der Zivilisation zu stellen.

Die größte Bedrohung, vor der wir stehen, ist die Gefahr von mit Massenvernichtungswaffen ausgestatteten Terroristen. Um dieser Gefahr zu begegnen, haben wir die Initiative zum Schutz vor der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation Security Initiative - PSI) ins Leben gerufen - eine Koalition aus mehr als 70 Ländern, die zusammenarbeiten, um dem Transport von Massenvernichtungswaffen über Land, See und Luft Einhalt zu gebieten und zu verhindern, dass sie in die Hände von Terroristen fallen. Aufbauend auf dem Vermächtnis von Harry Truman haben wir die dramatischste Umgestaltung des NATO-Bündnisses seit seiner Gründung 1949 in die Wege geleitet. Gemeinsam mit den Bündnispartnern haben wir die neue multinationale Eingreiftruppe der NATO (NATO Response Force) gegründet, die es der NATO ermöglichen wird, Reaktionskräfte kurzfristig in die ganze Welt zu entsenden. Gemeinsam haben wir die NATO von einem defensiven Bündnis, das sich auf den Schutz Europas vor einer Invasion sowjetischer Panzer konzentrierte, in ein dynamisches Bündnis verwandelt, das jetzt auf der ganzen Welt Aufgaben zur Unterstützung von Demokratie und Frieden unternimmt.

Fünfzig Jahre lang wurden NATO-Truppen nie außerhalb Europas eingesetzt. Heute führt die NATO Sicherheitseinsätze in Afghanistan durch, bildet irakische Sicherheitskräfte in Bagdad aus, leistet humanitäre Hilfe für Erdbebenopfer in Pakistan und bildet Friedenstruppen im Sudan aus. Ein Bündnis, von dem einige sagten, es habe nach dem Kalten Krieg seinen Sinn verloren, bewältigt nun die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

In diesem neuen Krieg positionieren wir unsere Truppen so, dass sie neue Bedrohungen bewältigen können. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang waren die amerikanischen Truppen im Wesentlichen an den Orten stationiert, an die Präsident Truman sie entsandt hatte. Vor etwa zwei Jahren kündigte ich die größte Umgestaltung unseres globalen Einsatzkonzepts seit dem Beginn des Kalten Kriegs an. Im Laufe der nächsten zehn Jahre werden wir US-Truppen aus den Garnisonen des Kalten Kriegs in Europa und Asien verlegen und sie so stationieren, dass sie rasch an Krisenherden in aller Welt eingesetzt werden können. Wir werden technologisch fortschrittliche militärische Fähigkeiten entsenden, die die Kampfmacht der Vereinigten Staaten auf der ganzen Welt verstärken werden, gleichzeitig allerdings zwischen 60.000 und 70.000 Truppen nach Hause bringen, die jetzt im Ausland stationiert sind. Indem wir diese Schritte unternehmen, werden wir die Belastungen der Familien von Militärangehörigen reduzieren, den Druck auf unsere Feinde erhöhen und sicherstellen, dass man für jede Bedrohung gewappnet ist, wenn man die Uniform der Armee der Vereinigten Staaten anzieht.

In diesem neuen Krieg haben wird die umfassendste Neuorganisation der Bundesregierung seit dem Beginn des Kalten Kriegs vorgenommen. Wir haben das Ministerium für innere Sicherheit geschaffen und 22 verschiedene Regierungsorganisationen in einem einzigen Ministerium zusammengeführt. Mit einem Ziel: die Vereinigten Staaten vor zukünftigen Anschlägen zu schützen. Wir haben den neuen Posten des Nationalen Nachrichtendienstbeauftragten geschaffen, was eine großangelegte Umstrukturierung der Nachrichtendienste unseres Landes und ihre Anpassung an die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts zur Folge hatte. Wir haben das FBI zu einer Organisation gemacht, deren oberste Priorität darin besteht, dem Terrorismus Einhalt zu gebieten. Zudem haben wir das Justizministerium neu strukturiert, damit es uns im Kampf gegen diese neuen Bedrohungen unterstützt. Wir haben das Patriot Act verabschiedet, das die Mauern eingerissen hat, die die Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste davon abgehalten haben, wichtige Informationen zu terroristischen Bedrohungen auszutauschen.

Im Verteidigungsministerium haben wir das neue Northern Command geschaffen, das zuständig für die innere Sicherheit ist, sowie das Strategic Command mit der Verantwortung, die Vereinigten Staaten gegen Langstreckenangriffe zu verteidigen. Wir haben das Special Operations Command umgestaltet, das ihm zur Verfügung stehende Budget mehr als verdoppelt, wir haben es um tausende neuer Soldaten erweitert und es zum wichtigsten Kommando im globalen Krieg gegen den Terror gemacht. Außerdem setzen wir in der Army die größten Veränderungen seit mehr als einhundert Jahren um. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts war die Armee um die von Napoleon entwickelte Divisionsstruktur herum organisiert. Heute ersetzen wir diese Divisionsstruktur durch eine Armee für das 21. Jahrhundert basierend auf "modularen" Gefechtsverbänden in Brigadegröße, die auswechselbar und unter jedem Divisionskommandanten einsetzbar sein werden. Diese Brigaden werden unsere Armee schneller und beweglicher, agiler und tödlicher machen - und es wird Ihre Effektivität bei der Verteidigung der Freiheit steigern.

Wir haben klar gesagt, dass der Krieg gegen den Terror ein ideologischer Kampf zwischen Tyrannei und Freiheit ist. Als Präsident Truman anlässlich des 150-jährigen Bestehens von West Point hier sprach, sagte er zum Abschlussjahrgang 1952: "Wir können keinen dauerhaften Frieden haben, wenn wir nicht aktiv und nachdrücklich darauf hinarbeiten, die Bedingungen für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt zu schaffen." Dasselbe Prinzip leitet uns auch im derzeitigen Krieg gegen den Terror. Unsere Strategie zum Schutz der Vereinigten Staaten basiert auf einer klaren Prämisse: Die Sicherheit unserer Nation hängt vom Erfolg der Freiheit in anderen Nationen ab. Am 11. September 2001 erlebten wir, dass Probleme in einem mehr als 11.000 Kilometer entfernten, gescheiterten und unterdrückerischen Staat Mord und Zerstörung über unser Land bringen können. Wir haben eine wichtige Lektion gelernt: Jahrzehnte der Entschuldigungen und Anpassung an die fehlende Freiheit im Nahen Osten haben nicht dazu beigetragen, uns sicherer zu machen. Solange der Nahe Osten ein Ort ist, an dem Freiheit nicht gedeiht, wird er auch ein Ort bleiben, an dem Terroristen Ressentiments schüren und die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen.

Daher verfolgen wir im Nahen Osten eine zukunftsorientierte Strategie der Freiheit. Ich denke, der Wunsch nach Freiheit hat universelle Gültigkeit - und indem wir demokratischen Reformern in einer krisengeschüttelten Region zur Seite stehen, werden wir Millionen von Menschen Freiheit ermöglichen, die sie bisher nicht kannten - und für kommende Generationen die Grundlage für Frieden legen.

Wir befinden uns in diesem Kampf um die Freiheit noch in der Anfangsphase. Wie auch in den ersten Jahren des Kalten Krieges hatten wir Rückschläge zu verzeichnen und sahen uns Herausforderungen und Tagen gegenüber, die unsere Entschlossenheit auf eine harte Probe stellten. Wir haben jedoch auch Tage des Sieges und der Hoffnung erlebt. Wir haben gesehen, wie die Menschen in Afghanistan für das erste demokratische Parlament seit einer Generation gestimmt haben. Wir haben jubelnde Iraker gesehen, die auf den Straßen tanzten, tintengefärbte Finger in die Luft hielten und ihre Freiheit feierten. Wir haben Menschen im Libanon gesehen, die Zedernflaggen schwenkten und die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes sicherten. Wir haben gesehen, wie die Menschen in Kirgisistan ein korruptes Regime entmachteten und für demokratischen Wandel stimmten. Allein während der vergangenen vier Jahre sind mehr als 110 Millionen Menschen in die Reihen der freien Menschen auf der Welt eingetreten - und das ist nur der Anfang. Von Damaskus bis Teheran hat sich die Botschaft verbreitet, dass die Zukunft der Freiheit gehört - und wir werden nicht ruhen, bis das Versprechen der Freiheit alle Menschen und alle Nationen erreicht hat.

Der Abschlussjahrgang 2006 wird jetzt in den großen Kampf eintreten - und das Endergebnis hängt von Ihrer Führungsstärke ab. Der Krieg begann, als ich der Wachhabende war - aber er wird beendet, wenn Sie die Wachhabenden sind. Ihre Generation wird uns im Krieg gegen den Terror den Sieg bringen. Meine Aufforderung an Sie ist folgende: Vertrauen Sie in die Kraft der Freiheit, und seien Sie bei ihrer Verteidigung kühn. Zeigen Sie Führungsstärke und Mut - nicht nur auf dem Schlachtfeld. Gehen Sie Risiken ein, versuchen Sie Neues, und hinterfragen Sie die herkömmliche Art und Weise, Dinge zu tun. Vertrauen Sie auf Ihre Überzeugungen, bleiben Sie sich selbst treu - und eines Tages wird die Welt Ihre Errungenschaften feiern.

Ich bin zuversichtlich bezüglich des Ausgangs dieses Kampfes, weil ich die Wesensart und Entschlossenheit der Frauen und Männer kenne, die heute vor mir stehen. Wir können diese Wesensart und Entschlossenheit in dem Kadetten Patrick Dowdell sehen. Es war Patricks Traum, West Point zu besuchen, und er bewarb sich gleich nach der High School. Leider wurde er bei seinem ersten Versuch nicht angenommen. Als er die Absage bekommen hatte, fragte er sich, ob er überhaupt das Zeug habe, die Akademie zu besuchen. Sein Vater, der New Yorker Feuerwehrmann Kevin Dowdell, ermutigte Patrick, sich erneut zu bewerben. Kevin schrieb seinem Kongressabgeordneten im Namen seines Sohnes Briefe. Er verbrachte viel Zeit damit, Patrick bei seiner Bewerbung zu helfen - bis zum 9. September 2001. Zwei Tage später raste Kevin Dowdell mit seiner Feuerwehreinheit über die Brooklyn Bridge in Richtung der brennenden Türme des World Trade Center - und kehrte nicht zurück.

Nach den Anschlägen grub und suchte Patrick monatelang am Ground Zero nach seinem Vater - und dachte über den Traum nach, den sie beide für seine Zukunft gehabt hatten. Er war entschlossen, diesen Traum wahr werden zu lassen. Im Sommer 2002 fing Patrick dann als neuer Kadett hier in West Point an - und heute wird er sein Abschlusszeugnis und Offizierspatent verliehen bekommen.

Vor ein paar Wochen ging seine Mutter RoseEllen zu einer anderen Abschlusszeremonie - an der New York City Fire Academy, wo ihr anderer Sohn James als einer der mutigsten New Yorker in die Fußstapfen seines Vaters trat. Heute ist RoseEllen bei uns, um dabei zu sein, wenn Patrick in die Reihen der mutigsten Amerikaner eintritt, als Offizier der United States Army.

Wir leben in Freiheit, weil junge Amerikaner wie Patrick und alle anderen heute hier anwesenden Kadetten sich freiwillig gemeldet haben, unserem Land zu dienen. Sie haben sich einen schwierigen und gefährlichen Beruf ausgewählt - und Amerika ist Ihnen für Ihre Entscheidung dankbar. Heute werden Sie eine heilige Verantwortung übernehmen: Sie werden die Töchter und Söhne Amerikas in Kriegszeiten auf das Schlachtfeld führen. Unsere Nation verlässt sich auf Sie wie auf keine andere Gruppe junger Menschen in unserem Land. Die vergangenen vier Jahre haben Sie auf die Probe gestellt, wie Sie es sich nie hätten vorstellen können - und Sie verlassen diesen Ort gut vorbereitet auf die Herausforderungen, denen Sie sich stellen werden.

In West Point hört man oft, dass ein Großteil der hier unterrichteten Geschichte von den Menschen geschrieben wurde, die diese Schule besuchten. Der Abschlussjahrgang 2006 wird jetzt in den Kampf ziehen - und Geschichte schreiben. Zögern Sie niemals, und geben Sie nicht auf. Machen Sie der Uniform Ehre und bringen Sie Ihrem Land Stolz. Möge Gott Sie und den Abschlussjahrgang 2006 segnen.

Originaltext: President Delivers Commencement Address at the United States Military Academy at West Point
siehe: www.whitehouse.gov



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