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Schafft den Narren fort!

Von Ernst Schwarcz *

Wien, 7. Juni 2007

"Schafft den Narren fort!" - So lautet der Titel eines Theaterstücks von John B. Priestley, in dem er den Kampf der Kunst gegen eine von Wissenschaft und Industrie zwangsgeordnete Welt schildert. Die Handlung des Stückes zeigt, wie die menschliche Gesellschaft durch die Macht von Industrie und Forschung in ein riesiges Arbeitslager verwandelt wird, in dem Fortschritt, Konsum und Macht zu den einzig bestimmenden Faktoren des Zusammenlebens geworden sind.

Die gefährlichste Perversion des von Priestley geschilderten Machtstrebens ist aber heute nach meinem Verständnis nicht im Bereich von Industrie und Forschung zu suchen sondern in einem völlig anderen Bereich, nämlich in jenem der Weltpolitik. Und hier ist es erschreckend zu erkennen, dass Menschen fast mühelos an die Spitzen der Macht gelangen können, die dafür nicht die erforderliche fachliche und moralische Kompetenz besitzen. Dafür gibt es genügend viele Beispiele in unserer heutigen Welt, die man mühelos aufzählen könnte. Ich denke hier aber als Erstes an den derzeitigen Präsidenten der USA: George W. Bush.

Schauen wir uns einige der herausragendsten Entscheidungen und „Fehlleistungen“ des seit dem 20. Januar 2001 die Vereinigten Staaten regierenden amerikanischen Präsidenten an. Unter seiner Regentschaft kam es zu einem der furchtbarsten Terrorangriffe der Weltgeschichte, als am 11. September 2001 zwei von Terroristen gesteuerte Flugzeuge die Twin Towers in New York zer-störten und dreitausend Menschen in den Tod rissen. Dazu wäre zu sagen, dass die USA 250 Jahre lang noch nie von äußeren Feinden auf dem eigenen Territorium angegriffen worden sind. Deshalb befand sich das Land nach dem 11. September in einem unvorstellbaren Schockzustand. Dass Präsident Bush daraufhin mit Zustimmung der amerikanischen Bevölkerungsmehrheit den UN-Sicherheitsrat zum „Krieg gegen den Terror“ aufrief und die Vereinten Nationen zu einem gemeinsamen Militäreinsatz gegen die für schuldig befundenen Taliban in Afghanistan auffor-derte, war psychologisch durchaus verständlich. (Dazu ist allerdings zu sagen, dass die Begriffs-wahl „Krieg gegen den Terror“ an sich ein schwerer Missgriff ist, da sich Terror nicht mit Krieg bekämpfen lässt.) ― Nun stellte sich schon nach wenigen Kriegsjahren heraus, dass dieser UNO-Einsatz mehr Probleme aufgeworfen hat als er lösen konnte.

Zur ersten großen Fehlleistung des amerikanischen Präsidenten kam es im Jahr 2003, als er zur felsenfesten Überzeugung gelangte, Amerika müsse neben dem laufenden Krieg in Afghanistan auch gegen den aus seiner Sicht äußerst gefährlichen „Schurkenstaat“ Irak einen Krieg beginnen. Dazu folgender historischer Hintergrund: Unmittelbar nach dem Ende des zweiten Golfkrieges, der wegen der völkerrechtswidrigen Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen als „Aktion Wüstensturm“ von den USA mit britischer Unterstützung begonnen worden war, lagen keinerlei konkrete Anhaltspunkte bezüglich eines unerlaubten Besitzes von Massenvernichtungswaffen durch den Irak vor. Allerdings hatte sich der Top-Berater der US-Regierung im Weißen Haus, Lewis Libby, schon kurz nach dem New Yorker Anschlag für einen Militärschlag gegen Saddam Hussein ausgesprochen – obwohl keine Spur nach Bagdad führte! Libby war Stabschef des amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney. In dieser Funktion trug er völlig bewusst dazu bei, eine mit Fehlinformationen gespickte Rede des damaligen amerikanischen Außenministers Colin Powell zusammenzustellen, die dieser im Februar 2003 vor dem UNO-Sicherheitsrat im Auftrag des Weißen Hauses halten musste. In dieser Rede sollte der bereits minutiös geplante Irak-Krieg gerechtfertigt werden. Nachdem Colin Powell wenig später erkannte, dass er hier für die Kriegstreiber-Politik einiger weniger hoher Politiker inklusive des Präsidenten missbraucht worden war, erklärte er, diese Rede sei ein „Schandfleck“ in seinem Lebenslauf gewesen.

Doch nun nahm die von den Spitzenpolitikern der USA eingeleitete Entwicklung – fast wie in einer griechischen Tragöde – zwangsmäßig ihren weiteren Verlauf. Trotz gegenteiliger Unter-suchungsberichte der Internationalen Atombehörde über den möglichen irakischen Besitz von Massenvernichtungswaffen blieb George W. Bush bei seiner Überzeugung, der Irak m ü s s e im Besitz von Massenvernichtungswaffen sein. Dieser Verdacht wurde damit begründet, dass der pakistanische Atomwissenschafter Abdul Qadeer Khan vor einigen Jahren versucht hatte, irakischen Wissenschaftern das technische Wissen über den Bau von Atomwaffen zu vermitteln. Dieser Anstoß wurde aber von der irakischen Führung nicht weiter verfolgt. Es gab in Wirklich-keit keinerlei konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein irakischer Anlagen zur Herstellung von Atomwaffen.

An diese „Reinwaschung des Regimes von Saddam Hussein von dem Verdacht des unerlaubten Besitzes von Massenvernichtungswaffen“ wollte US-Präsident George W. Bush nicht glauben. Denn beim Irak handelte es sich doch aus seiner Sicht um einen typischen „Schurkenstaat“, von dem alles erdenklich Böse erwartet werden muss. Nebenbei ging es für den regierenden ameri-kanischen Präsidenten auch darum, das unvollendete Vermächtnis seines Vaters (und Vorgän-gers) im Zusammenhang mit dem zweiten Irakkrieg 1991 fortzusetzen. Dabei spielte die Tat-sache, dass der Irak über riesige Erdölvorkommen verfügt, in Bushs Überlegungen gewiss keine geringe Rolle. Präsident Bush entsandte kurz darauf einen Beamten des State Department in den afrikanischen Staat Niger um nachzuforschen, ob dort irakische Stellen Uranerz aufgekauft hätten, um es in den Irak abzutransportieren. In diesem Fall wäre nämlich sein Verdacht erhärtet geworden, dass der Irak hochangereichertes Uran für den Bau von Atombomben herzustellen beabsichtigt. Zur Enttäuschung des Präsidenten war aber der Bericht des aus Niger zurückge-kehrten Beamten negativ. Irakische Aufkäufer von Uranerz hat es in Niger einfach nicht gegeben. Was auch der frühere US-Botschafter Joseph Wilson öffentlich bestätigte und womit er sich in direkter Folge die offene Feindschaft der US-Administration zuzog.

Öffentliche Kritik an Präsident Bush wegen des Irak-Krieges

In der Zwischenzeit hatte Hans Blix, der frühere Generaldirektor der Internationalen Atom-behörde (1981-1997), als Leiter der „Monitoring, Verification and Inspection Commission“ von den Vereinten Nationen den Auftrag bekommen, die Beschuldigung gegen den Irak, im Besitz von Massenvernichtungswaffen zu sein, gewissenhaft zu überprüfen. Er und seine Kommission konnten bis zum Ende der im Jahr 2002 begonnenen Suche keinerlei derartigen Hinweise finden. ― Fast gleichzeitig begann aber in Washington eine Hetzjagd gegen den erwähnten US-Bot-schafter Joseph Wilson wegen dessen öffentlicher Kritik an Präsident Bush, „mit Lügen den Irak-Krieg begründet zu haben“. Diese Kritik war im Juli 2003 in der New York Times abgedruckt worden.

Als Racheakt gegen Joseph Wilson und im Einvernehmen mit den Spitzen der Regierung des Landes hatte der konservative Publizist Robert Novak wenige Tage später eine „Enthüllung der Gattin Wilsons, Valerie Plame, als CIA-Agentin“ veröffentlicht. Für Frau Plame war damit die weitere Ausübung ihres Berufes unmöglich geworden, da mit der Aufdeckung eines Geheim-dienst-Agenten seine weitere Berufstätigkeit in den USA ausgeschlossen ist. ― In Anlehnung an den seinerzeitigen Watergate-Skandal, der mit der Absetzung Präsident Richard Nixons endete, wurde dieser neue Skandal in der amerikanischen Öffentlichkeit als „Plamegate-Skandal“ bezeichnet. ― Eine lange Zeit hatte es den Anschein, als ob die „Falken“ in Washington, allen voran der Regierungsberater Lewis Libby, gefolgt von Vizepräsident Dick Cheney und Verteidi-gungsminister Donald Rumsfeld, durch den „Plamegate-Skandal“ nicht den geringsten Schaden genommen hätten.

Hier trat im Jahr 2007 schlagartig eine erstaunliche Wendung ein, von der die angesehene englische Tageszeitung Guardian am 5. Juni 2007 unter der Schlagzeile „Das Weiße Haus ist von Libbys Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe völlig verstört“ berichtete. Demnach wurde Libby vom Richter Reggie Walton im Bezirksgericht Washington wegen „ Meineid, Falschaussage und Behinderung der Justiz in Bezug auf jene Ereignisse, die zum Irak-Krieg geführt haben“ zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren und einer Geldstrafe von 250.000 Dollar verurteilt. Der Guardian berichtete in diesem Zusammenhang auch über die rasch sinkenden Umfragewerte für die Bush-Administration, die in letzter Zeit einen extrem niedrigen Tiefstand erreicht haben.

Präsident Bush wollte wie gesagt die oben erwähnten Irak-Berichte der von Hans Blix geleiteten UNO-Kommission nicht wahrhaben. Er startete mit allen Mitteln moderner Massenpsychologie eine Kampagne gegen den Irak, mit der nachgewiesen werden sollte, dass der Irak wegen seines Besitzes von Massenvernichtungswaffen durch einen Krieg unschädlich gemacht werden müsse. Würden nämlich die im Besitz des Irak befindlichen Massenvernichtungswaffen nicht so bald wie möglich zerstört, so könnte das sowohl für die USA wie für die ganze Welt eine entsetzliche Gefahr bedeuten. Außerdem hatte ja schon der zweite Golfkrieg „Wüstensturm“ den Beweis erbracht, dass der irakische Präsident Saddam Hussein ein zu jeder Untat fähiger Diktator ist. In der Folge wurde der gewaltige diplomatische Apparat der USA eingesetzt, um für diesen Krieg Verbündete zu gewinnen. Die zwei einzigen mit den USA politisch eng verbündeten großen Staaten, die sich weigerten, bei diesem Krieg mitzumachen, waren Deutschland und Frankreich.

Der Irak-Krieg läuft mit desaströsem Erfolg nun schon vier Jahre lang. Jetzt kommt sogar in der Republikanischen Partei – der Partei des Präsidenten ― die Sorge auf, dieser Krieg wäre nicht mehr zu gewinnen. Die Opposition hat schon länger diese Meinung vertreten. So sagte der namhafte demokratische Senator und Mehrheitsführer Harry Reid am 19. April 2007 im Kongress: „ich glaube jetzt, dass der Krieg verloren ist…“ ― Es wäre nun nach den Regeln der logischen Vernunft für die Administration Bush wohl das Beste, wenn sie den Beschluss fassen würde, den aufwändigen Militäreinsatz gegen den Irak möglichst bald abzuschließen. Dann könn-ten nämlich die amerikanischen Truppen – zusammen mit den Truppen der Alliierten ― das Land bald verlassen. Außerdem sind ja, trotz akribischer Untersuchungen amerikanischer Experten, nirgends im Irak Massenvernichtungswaffen gefunden worden. Und die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen war doch als Hauptzweck des Krieges angegeben worden! Also hat der Krieg seinen Sinn verloren!

Nichts als Chaos im ganzen Irak Mittlerweile ist das Chaos des zivilen Lebens im ganzen Land nach diesen vier Kriegsjahren unerträglich geworden. Fast täglich gibt es trotz umfassender Sicherheitsmaßnahmen irakische Terroranschläge gegen amerikanische und alliierte Soldaten, an manchen Tagen mit mehr als einem Dutzend Toten. Aber noch ärger sind die täglichen Terroranschläge gegen Zivilisten durch fanatische Anhänger der beiden großen irakischen Religionsgruppen der Schiiten und Sunniten. Da sterben an manchen Tagen mehr als hundert Iraker durch Anschläge von Selbstmordatten-tätern. ― Überall herrscht Chaos!

Aber der „große Feldherr“ Bush hat entschieden, dass die eigenen und die alliierten Truppen keinesfalls zurückgezogen werden sollen. Er fasste im Gegenteil den Beschluss, dass weitere 21.500 amerikanische Soldaten im Irak eingesetzt werden müssen. Damit könnte, wie er meinte, im Irak wieder Frieden und Ordnung geschaffen werden. Er hatte diesen Entschluss trotz der eigentlich sehr deprimierenden Information gefasst, dass bis zum 10. April 2007 – also genau vier Jahre nach Kriegsbeginn – 3.280 amerikanische Soldaten gefallen waren. Die Zahl der verletzten Amerikaner war selbstverständlich um vieles höher. Was ihn aber überhaupt nicht interessierte war die Zahl der getöteten „Feinde“. In den vier Kriegsjahren haben nämlich 655.000 Iraker – in der großen Mehrzahl Zivilisten – den Tod gefunden. Diese hohen Verlustzahlen „der Feinde“ und die Tatsache, dass rund zwei Millionen Iraker im eigenen Land auf der Flucht sind, um den Schrecken des Krieges zu entkommen und dass weitere zwei Millionen Iraker in Nachbarländer geflohen sind, um ihr Leben zu retten, bedeuten für Bush und seinen Militärapparat nichts anderes als „Kollateralschäden“, mit denen man bei jedem Krieg rechnen muss.

Was bedeutet denn schon für einen „erfolgreichen Feldherrn“ die Zahl der getöteten oder vertriebenen Feinde? Schließlich hat es im Vietnamkrieg vor rund dreißig Jahren über drei Millionen getötete Vietnamesen und im Vergleich dazu „bloß“ 58.193 getötete amerikanische Soldaten gegeben. Bei diesem Krieg haben letzten Endes die Zahl der getöteten GI’s und die Proteste im eigenen Land den Ausschlag dafür gegeben, dass die USA nach zehn Jahren Krieg ― der übrigens als erster Krieg in der Geschichte von den Vereinigten Staaten verloren wurde ― im Jahr 1975 einen Friedensschluss mit der vietnamesischen Regierung suchen mussten. Wie kann aber jetzt dieser „wegen der gar nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen“ gegen den Irak begonnene Krieg zu einem „ehrenvollen Ende“ kommen? Wie könnten Präsident George W. Bush und seine Berater zur Überzeugung gebracht werden, dass dieser unglückliche Krieg so nicht weitergehen kann?

Noch hieß es bei einer Großveranstaltung der Republikanischen Partei Anfang Mai 2007, dass Amerika in diesem Krieg „auf jeden Fall siegen muss“. ― Wie das noch möglich werden soll, ohne dass der Irak zu einem gewaltigen Trümmerhaufen und einem riesigen Gräberfeld wird, ist eine offene Frage! Derzeit gibt es weder bei unabhängigen Beobachtern noch im Pentagon selbst irgendeine Gewissheit, was ein vollständiger Abzug der US-Truppen bedeuten würde. Dieser US-Krieg hat – so scheint es – eine schiitisch-sunnitisch-kurdische Pandorabüchse geöffnet. Sie wieder zu schließen wird die vereinten Kräfte aller Verantwortungsbewussten weltweit, und besonders im Irak, erfordern.

Das Dogma der unbedingten militärischen Überlegenheit und die schwere Verschuldung der Vereinigten Staaten von Amerika

Präsident George W. Bush ist übrigens auch zutiefst überzeugt davon, dass die militärische Überlegenheit der USA über die Militärpotenziale der ganzen übrigen Welt um jeden Preis aufrechterhalten bleiben muss. Bush vertraut – der Cowboy-Tradition in seiner Jugend folgend – viel mehr auf die Macht eines überlegenen Militärpotenzials der USA als auf irgendeine ihm suspekt erscheinende „Friedenspolitik“. Noch bezahlen die USA – aufgrund des Helms-Biden-Abkommens vom 10. Juni 1997 – 20 Prozent des regulären UN-Budgets und 25 Prozent der UN-Ausgaben für friedenserhaltende Maßnahmen. Sie sind also die größten Beitragszahler für die Vereinten Nationen. Trotzdem haben sie ein gestörtes Verhältnis zu allen sogenannten „vertrauensbildenden Maßnahmen“ sowie zu den Plänen für eine weltweite Abrüstung der atomaren und konventionellen Waffen.

Dazu die folgenden Zahlenangaben: Die Militärausgaben der USA betrugen im Jahr 2005 478 Milliarden Dollar gegenüber 523 Milliarden Dollar der ganzen übrigen Welt. Die ameri-kanischen Militärausgaben entsprachen damit 48 Prozent der Militärausgaben aller anderen Länder der Welt. Wegen der weltweit ständig wachsenden Rüstungsausgaben änderte sich an dieser Verhältniszahl bis zum Jahr 2007 überhaupt nichts, obwohl bis zum Ende dieses Jahres von den USA 582 Milliarden Dollar für militärische Zwecke ausgegeben werden sollen. In diesem Be-trag sind auch 235,1 Milliarden für die beiden Kriege in Afghanistan und im Irak enthalten. Das bedeutet für die USA – aber auch für die ganze übrige Welt ― in zwei Jahren eine Steigerung von 22 Prozent gegenüber 2005! Aber für das Jahr 2008 ist eine exorbitante Erhöhung des US-Militärbudgets auf 716,5 Milliarden Dollar geplant. Das wären in einem einzigen Jahr 23 Prozent (!). So hohe Militärausgaben sind auch für das reichste Land der Welt eine fast unerträgliche Belastung!

Zur Frage der hier genannten ständig steigenden Militärausgaben sei eine vielsagende „Nebenbemerkung“ gestattet: Präsident Bush hat für das Jahr 2008 eine Erhöhung des Haushaltsbudgets der USA um weitere drei Billionen (Englisch: Trillions) Dollar beantragt. Damit diese Erhöhung der Höchstgrenze des Budgets überhaupt aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen möglich gemacht werden kann, hat der US-Kongress am 16. März 2006 den Beschluss gefasst, dass der bisherige Plafond für die Verschuldung der USA um 781 Milliarden Dollar auf die neue Ober-grenze von 8,96 Billionen Dollar heraufgesetzt werden soll. Hier muss ausdrücklich betont werden, dass Präsident Bush bei seinem Amtsantritt im Januar 2001 von seinem Vorgänger Bill Clinton nicht nur ein ausgeglichenes Budget sondern sogar einen Überhang von 237 Milliarden Dollar übernommen hat. Es ist Präsident Bush demnach in nur sechs Jahren seiner Amtszeit gelungen, die Vereinigten Staaten mit über acht Billionen Dollar zu verschulden(!). Um diese Verschuldung des staatlichen Haushalts wenigstens teilweise zu kompensieren plant Präsident Bush, fünf Jahre lang bei den Gesundheitsprogrammen für Arme und Alte den Rotstift anzusetzen!

Hier ergibt sich ein wirklich schlagender Beweis für die fachliche Inkompetenz von George W. Bush als führender Staatsmann. Denn die extreme Verschuldung des mächtigsten Landes der Welt wurde nicht nur durch die obengenannten hohen Militärausgaben verursacht sondern auch durch etliche vom Präsidenten veranlasste und sehr fragwürdige innenpolitische Haushalts-entscheidungen. Dazu gehören unter anderem Steuerermäßigungen für die Reichen, wie sie schon Jahre früher von Präsident Reagan als „Mittel zur Belebung der Wirtschaft“ eingeführt worden waren. In der Folge ergibt sich die absurde Situation, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ― immerhin bisher eines der reichsten Länder der Welt ― zur Sicherung ihres Lebensstandards in vielen finanzstarken Märkten Staatsanleihen aufnehmen müssen, um den bisherigen Wohlstand aufrechterhalten zu können. Zu den Geldgebern zählten anfangs nur einige Mitgliedsländer der Europäischen Union und die reichen arabischen Golfstaaten. In den letzten Jahren sind Japan, Südkorea und China dazugekommen.

Neue Verteidigungssysteme und ein neuer Rüstungswettlauf werden geplant

Als gäbe es nicht schon genug Waffen im Besitz der US-Armee – und nebenbei auch im Besitz der mit den USA verbündeten Mitgliedsländer des NATO-Bündnisses – so sollen nach dem Willen von Präsident Bush und seiner militärischen Berater in Kürze auch neue NATO-Raketenverteidigungssysteme in Polen und in der Tschechischen Republik aufgestellt werden. Es heißt zwar offiziell, dass diese Systeme Schutz gegen mögliche Angriffe von Nordkorea und vom Iran bieten sollen. Wer aber die tatsächliche Bedrohung durch die beiden genannten Länder richtig einschätzen kann weiß, dass es auf viele Jahre hinaus eine solche Bedrohung unmöglich geben kann. Der Iran würde, wie früher erwähnt, noch viele Jahre brauchen, um Atombomben bzw. Atomraketen einsetzen zu können; so ferne nicht vorher die Atomanlagen des Landes durch amerikanische und israelische Bomben- oder Raketenangriffe ― wie öffentlich angedroht ― zerstört werden. Und die Bedrohung durch Nordkorea ist überhaupt indiskutabel.

Es ist also kein Wunder, wenn in dieser Situation Russland – gegen das die geplanten militäri-schen Anlagen in der Realität gerichtet wären – vehement gegen diese Absichten der USA (und der NATO) seine Stimme erhebt. So sagte der russische Präsident Wladimir Putin bei seiner Rede vor der Europäischen Sicherheitskonferenz in München am 12. Februar 2007 die bedeutungsvollen Sätze: „Uns beunruhigen auch die Pläne zum Aufbau von Elementen eines Raketenabwehrsystems in Europa. Wer braucht eine neue Runde eines in diesem Falle unaus-weichlichen Wettrüstens?“ – Hier stellt sich die Frage: Hat Präsident Bush und haben die NATO-Generäle die Konsequenzen einer offenen Provokation jenes Landes, das immerhin im Besitz des absolut größten Atomwaffen-Arsenals der Welt ist, wirklich ernsthaft durchdacht? Dazu die folgenden statistischen Angaben aus dem SIPRI-Yearbook 2006: Von den insgesamt 12.100 sofort einsatzbereiten Atomwaffen in der Welt besitzt Russland 5.682 und die USA 5.521 Stück. Dazu kommt aber noch, dass seit wenigen Jahren in vielen Staaten an sogenannten „Verbesserungen“ der Atomwaffenarsenale gearbeitet wird, nicht zuletzt in den USA selbst!

In dieser Angelegenheit kommt die fast unvorstellbare Sturheit von George W. Bush deutlich zum Ausdruck. Wenn der angebliche „Freund und lupenreine Demokrat“ Wladimir Putin nachdrücklich betont, aus seiner Sicht seien die geplanten amerikanischen „Verteidigungs- und Angriffsanlagen“ eine offene Herausforderung, so hält Bush unnachgiebig an seinem einmal gefassten Beschluss fest. Er ist einfach nicht fähig, sich in die Denkweise eines anderen zu versetzen. Und er begreift auch nicht, dass daraus entsetzliches Unheil – auch für das eigene Land – entstehen könnte. Sollte es zu einem Atomkrieg zwischen den USA und Russland kommen, so wäre das Schicksal der ganzen Menschheit besiegelt!

Die unvorstellbare Machtfülle des amerikanischen Präsidenten

Die für einen europäischen Demokraten fast unvorstellbare Machtposition von Präsident Bush würde es ihm ermöglichen, die Zerstörung unserer heutigen Welt durch einen dritten Weltkrieg mit neuen unüberlegten Schritten, ähnlich jenen wie er sie schon bisher infolge seiner politischen und moralischen Inkompetenz so zahlreich gemacht hat, zu verursachen. Bei den bisherigen „Feindländern“ der USA (Afghanistan und Irak) hat es sich eindeutig um militärisch weit unterlegene Staaten gehandelt. Wenn es aber zu einer „dummdreisten Provokation“ Russlands durch Bush kommen sollte ― und die bisherigen Anzeichen dafür sind sehr bedenklich ― so weiß kein Mensch, welches Unheil dabei herauskommen wird, weil ja in beiden potenziellen „Feindstaaten“ die atomare Rüstung einen Spitzenwert erreicht hat.

Zu bedenken ist weiters auch, dass es weltweit mehr als tausend amerikanische Militärstützpunkte gibt, die den Zweck haben, amerikanische Interessen zu schützen. Viele von ihnen befinden sich in Regionen mit bedeutenden Erdöl- und Erdgas-Vorkommen. Und viele sogenannte „befreun-dete“ Regierungen werden durch die amerikanische Diplomatie nachdrücklich in ein für die USA vorteilhaftes Fahrwasser gelenkt. Hier sei an Japan erinnert, das sich seinerzeit – unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ― im Verfassungsartikel 9 zum absoluten Verzicht auf eine eigene Militärmacht verpflichtet hat, das aber diesen Artikel auf amerikanischen Druck hin annulliert hat und jetzt sechs Prozent der Staatsausgaben für militärische Zwecke einsetzt. Wobei erwähnt werden muss, dass 50.000 amerikanische Soldaten auf amerikanischen Militärbasen in Japan stationiert sind. – In diesem Zusammenhang sei auch die Frage erlaubt: Wie oft haben die USA nicht in den letzten Jahren gegen sehr vernünftige Beschlüsse der Vereinten Nationen oder ähnlicher Organe gestimmt oder sich der Stimme enthalten? Denken wir nur an den Internatio-nalen Strafgerichtshof, an das Kioto-Protokoll für den Klimaschutz oder an die Genfer Proto-kolle betreffend die Verbote von Anti-Personen-Minen und anderen grausamen Waffen!

Symptomatisch für die von diesem Präsidenten ausgehende Gefahr für die ganze Menschheit ist sein Umgang mit dem von ihm in Misskredit gebrachten angeblichen „Schurkenstaat“ Iran. Die Kontrollen der Internationalen Atombehörde, denen sich der Iran bisher weitgehend unterwor-fen hat, haben ergeben, dass das Land mit seinen derzeitigen technischen Anlagen nicht vor frühestens drei Jahren in den Besitz atomwaffenfähigen Urans kommen kann. Dann würde es noch weitere zwei bis drei Jahre dauern, bis der Bau der ersten irakischen Atombomben und Fernraketen vollendet sein könnte.

Der Umgang Amerikas mit angeblichen Schurkenstaaten

Die USA klagen den Iran vor der ganzen Weltöffentlichkeit an, mit dem geplanten Bau von Atomwaffen die umliegenden (vor allem die mit Amerika befreundeten) Staaten zu bedrohen und einen Krieg provozieren zu wollen. ― Hier muss allerdings einschränkend gesagt werden, dass viele öffentliche Reden des iranischen Präsidenten in der letzten Zeit als gezielte Provokationen verstanden werden können. Dazu gehören die Leugnung des Existenzrechts des Staates Israel und die Verneinung des Holocausts. ― Trotzdem handelt es sich um eine maßlose Übertreibung durch die amerikanische Propaganda, wenn der Iran als eine der größten Gefahren für die USA und für die ganze übrige Welt dargestellt wird. Wegen dieser angeblichen Gefahr sind zwei amerikanische Flugzeugträger schon seit mehr als einem Jahr als Drohpotenzial im persischen Golf stationiert.

Im Vergleich dazu ist der Umgang Amerikas mit Nordkorea, das ja ebenfalls in der Diktion der USA zu den „Schurkenstaaten“ gezählt werden muss, um vieles nachsichtiger. Amerika hat ― unter Mitarbeit von fünf weiteren Staaten ― geduldig mit der nicht unproblematischen und absolut diktatorischen Führung Nordkoreas Jahre hindurch verhandelt. Sogar auch dann noch, als Nordkorea entgegen früheren Vereinbarungen seine erste Atombombe gezündet hatte. Der zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen aktuelle Stand dieses Konflikts ist, dass Nordkorea – ein im Grunde genommen bitterarmes Land, das sich den Luxus eines überproportionierten Militärapparates leistet ― von den USA und von den anderen Teilnehmern der Sechs-Staaten-Konferenz verschiedene dringend notwendige Hilfslieferungen erhalten soll und im Gegenzug unter Kontrolle der Atombehörde seine Anlagen zur Erzeugung von Atomwaffen stilllegen wird.

Es stellt sich hier die Frage: Warum ist eine ähnliche verständigungsbereite Haltung, wie sie von den USA gegenüber Nordkorea gezeigt wird, nicht auch gegenüber dem Iran möglich? Die vor kurzem begonnenen und begrüßenswerten bilateralen Gespräche zwischen dem Iran und den USA zur Frage des Irak-Krieges sollten unbedingt um die atomare Dimension erweitert werden.

Die letzte Frage an Präsident Bush

Und als letzte Frage: Ist sich die europäische Öffentlichkeit der drohenden Gefahren einer zunehmend außer Kontrolle geratenden Politik des amerikanischen Präsidenten und seiner Administration wirklich bewusst? Wie leicht könnte es passieren, dass sich Präsident Bush in den Kopf setzt, schon morgen einen Krieg zuerst gegen den Iran und später gegen einige weitere verdächtige Staaten zu beginnen? Denn wenn es manche „Schurkenstaaten“ nicht schon heute gibt, so können sie jederzeit spielend leicht erfunden werden. Bush hat ja ähnlich wie sein Vor-gänger Ronald Reagan wiederholt davon gesprochen, dass „die Welt des Bösen“ vernichtet werden muss! Und zur Welt des Bösen können leicht beliebige neue Staaten unter irgendwelchen Vorwänden hinzugerechnet werden. „Kriegsgründe“ können bei einer geschickten Propaganda – siehe das Phantom „Massenvernichtungswaffen“ ― jederzeit spielend leicht gefunden werden!

Es wäre höchste Zeit, dass weltweit ein Proteststurm gegen diesen „für die ganze Menschheit lebensgefährlichen“ Präsidenten erhoben wird. Es wäre eine grobe Fahrlässigkeit, noch so lange zu warten, bis er nach den nächsten amerikanischen Präsidentenwahlen im Jahr 2008 von einem Nachfolger abgelöst wird. In den eineinhalb Jahren bis zum Ende seiner Amtszeit könnte er noch entsetzliches Unheil anrichten! Die weltweite Bewegung der Atomkriegsgegner, die zuletzt bei einer großen Konferenz der Vertragsstaaten des Atomsperrvertrages in Wien (in den ersten beiden Maiwochen 2007) in Erscheinung getreten ist, wäre zum Scheitern verurteilt, wenn es ihr nicht gelingt, den Fokus der Weltöffentlichkeit auf die Problematik der zutiefst stümperhaften und inkompetenten Politik des derzeitigen amerikanischen Präsidenten zu lenken.

Die Forderung der Atomkriegsgegner muss lauten, dass in den USA so bald wie möglich gegen Präsident Bush ein Absetzungsverfahren („Impeachment“) eingeleitet werden soll. Zu einem ersten Schritt könnte die demokratische Vorsitzende der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses, Nancy Pelosi, aufgefordert werden. Diese Forderung sollte nicht nur von den „Friedensbewegten“ in der ganzen Welt sondern auch von möglichst vielen prominenten Persönlichkeiten mitgetragen werden. – Das wäre keine „unstatthafte Einmischung“ in die Angelegenheiten eines anderen Staates sondern ein absolut notwendiger Schritt zur Rettung der Menschheit vor entsetzlichem Unheil!

Vor allem wir Europäer – in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union ― sollten uns dazu entschließen, einen möglichst starken öffentlichen Druck auszuüben, um das von dieser US-Administration und ihrem Präsidenten drohende Unheil für unser aller Leben abzuwenden! Wir sollten so laut wie möglich die energische Forderung erheben: „SCHAFFT DEN NARREN FORT“! So laut, dass sie auf der anderen Seite des Atlantik von vielen, vielen Millionen Amerikanern gehört wird!



Vom Verfasser dieses Artikels ist das Buch „ZEITENWENDE – Entweder es gelingt der Menschheit, alle Kriege abzuschaffen, oder es wird den Kriegen gelingen, die Menschheit abzuschaffen“, im Oktober 2005 im agenda Verlag, Münster, erschienen. Darin werden die Entstehung und der Verlauf einiger bedeutender Kriege in der Geschichte der Menschheit geschildert und wird vor der Gefahr für den Ausbruch eines Dritten Weltkrieges gewarnt.


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