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Die US-Wirtschaft wird unruhig

Ökonomen schätzen die täglichen Kosten des Shutdowns auf 300 Millionen Dollar

Von John Dyer, Boston *

Die Wirtschaft hat die Schließung der Regierung zunächst gelassen hingenommen. Doch nun werden einzelne Branchen nervös. Die Einzelhändler fürch-ten schon jetzt um ihr Weihnachtsgeschäft. Alles hängt von der Dauer des Notstands ab.

Tim Doherty verliert bares Geld durch den Regierungsstillstand in Washington. Der Arzt, gerade aus einem Bauerndorf aus Massachusetts nach New Jersey gezogen, kann sein leerstehendes Haus dort nicht verkaufen. Denn der Käufer wollte eine Hypothek aufnehmen, die vom Landwirtschaftsministerium in einem Programm für Hauskäufer im ländlichen Raum abgesichert wird. Würde. Denn mit der Schließung, dem »Shutdown« der Regierung sind die Beamten in Zwangsurlaub, die Papiere ausfertigen müssen. »Soll ich warten, ob das rasch vorüber ist. Oder einen anderen Käufer suchen?« Tim Doherty ist so ratlos wie zahllose andere Amerikaner, die auf die eine oder andere Weise vom der Zwangspause der Bundesbehörden betroffen sind.

Die Börsen stecken den Stillstand noch weg, weil sie damit gerechnet hatten. Und man geht offenbar insgeheim davon aus, dass mit dem »kleinen Shutdown« um den Staatshaushalt der »Große« um die Anhebung der Schuldenobergrenze bis zum 17. Oktober eher unwahrscheinlich sei. Denn, wenn die Regierung nach diesem Datum keine neuen Schulden aufnehmen dürfte – über die 16,7 Billionen Dollar der heutigen Schulden hinaus – wären die USA weltweit zahlungsunfähig.

Die Amerikaner sorgen sich deshalb zunächst lieber um die »kleine« Schließung und wie sie die Folgen mindern können. Das wird nicht leicht. »Die Ausgaben der Regierung spielen in jeden Aspekt der Wirtschaft hinein, und jede Unterbrechung des Geldflusses droht das Vertrauen der Investoren und Geschäftsleute viel stärker zu gefährden, als die Sorge um den direkten Einkommensverlust der Staatsangestellten«, sagt der Investment-Stratege Guy LeBas .

Der amerikanische Einzelhandel macht sich jetzt schon Sorgen um das kommende Weihnachtsgeschäft. Man hofft, dass der Regierungsstillstand nicht all zu lang dauern werde. Denn jeder Tag des Stillstands bedeute für potenzielle Käufer in der Hochsaison des Verkaufs Einkommensverluste. Darauf hat der Präsident des Einzelhandelsverbandes Matthew Shay aufmerksam gemacht. »Wir versuchen, fortdauernde Unsicherheit in Washington auszubalancieren mit einer Wirtschaft, die seit Jahren nur zögernd wächst«, so Shay.

Die Wirtschaftsforscher von HIS in Massachusetts schätzen die Kosten des »Shutdowns« für die US-Wirtschaft deswegen auf täglich 300 Millionen Dollar (221,5 Millionen Euro). Eingeschlossen ist darin der Verdienstausfall für rund 800 000 in Zwangsurlaub ohne Bezüge geschickte Beamte und Staatsangestellte. »Wenn es nur um einen Tag geht, dann ist das wie Schneefall, bei drei Tagen ist es schon ein Blizzard«, sagte Politikwissenschaftler George Fuller von der George Mason University. »Dauert es noch länger, ist das ein Riesending.«

In so einem Umfeld werden geschäftliche Entscheidungen häufig verschoben. Darin wird auch die Veröffentlichung der ansonsten als Entscheidungshilfe willkommenen monatlichen Arbeitslosenzahlen nichts ändern. Die will das – nur zum Teil geschlossene – Arbeitsministerium am Freitag vorlegen. Und Großprojekte wie der Börsengang von Twitter liegen ohnehin erstmal auf Eis.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 4. Oktober 2013


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