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Obamas Lob für Indien mit Hintergedanken

Sicherheitsberater des US-Präsidenten sprach Klartext

Von Henri Rudolph, Delhi *

Während seines am frühen Dienstag (9. Nov.) beendeten dreitägigen Indien-Besuchs zog US-Präsident Barack Obama alle rhetorischen Register, den Gastgeber als »unverzichtbaren Partner« der USA zu porträtieren und ihn von einem aufrichtigen Bemühen Washingtons um bilaterale Beziehungen auf Augenhöhe zu überzeugen. In den indischen Medien fand das ein überwiegend positives Echo. Obamas Nationaler Sicherheitsberater Tom Donilon ließ allerdings vor Journalisten die Katze aus dem Sack, als er erklärte, dass »Indien Teil des erweiterten US-Fokus auf Asien ist«.

Mit seiner Rede am Montag (8. Nov.) vor dem indischen Parlament hatte der Gast den Schluss- und Höhepunkt seiner Visite gesetzt. Die Medien überschlugen sich mit der Meldung, die USA hätten Indien Unterstützung für ihr Streben nach einem permanenten Sitz in einem reformierten UN-Sicherheitsrat zugesichert. Obama hatte allerdings vorsichtig und mehrdeutig formuliert: »In den kommenden Jahren sehe ich einem reformierten UN-Sicherheitsrat entgegen, der Indien als ein ständiges Mitglied einbezieht.« Er verwendete das englische »look forward«, das Bedeutungen hat wie mit Erwartung einem Ereignis entgegensehen, auf etwas hoffen, sich auf etwas freuen. Viel Spielraum also für Interpretationen. Kommentatoren verwiesen zugleich auf den Unterschied, dass Obama von sich und nicht von den USA sprach und dass niemand wisse, ob er in den »kommenden Jahren« noch US-Präsident sein wird.

Ansonsten lobte er den Gastgeber über den grünen Klee. Indiens alte Zivilisation habe die Welt über Jahrtausende geformt, sei heute kein aufstrebendes Schwellenland mehr, sondern bereits eine Weltmacht. Die beiden größten Demokratien der Welt pflegten »außergewöhnliche zwischenmenschliche Kontakte« und sähen sich gemeinsam einem »gewissen Wertekodex« verpflichtet. Die Tage der Nord-Süd-Spaltung, in denen sich Indien und die USA oft an entgegengesetzten Polen befunden hätten, seien vorbei. Obama gab sich als Bewunderer Mahatma Gandhis zu erkennen, »dessen große Seele die Welt mit ihrer Botschaft des Friedens, der Toleranz und Liebe« verändert habe. Gandhis Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit ließ Obama interessanterweise unerwähnt.

Außenpolitisch bezog der US-Präsident endlich Stellung zu Pakistan. »Wir werden fortfahren, von den pakistanischen Führern zu verlangen, dass terroristische Schlupfwinkel auf ihrem Territorium nicht akzeptiert werden und dass die Terroristen hinter den Mumbai-Attacken bestraft werden müssen.« Das nahm man nicht nur im Parlament, sondern im ganzen Land mit Genugtuung auf. Zum Kaschmir-Problem wiederholte Obama, dass sich Indien und Pakistan um eine Lösung bemühen müssten. Wenn beide Nachbarn es wünschten, wäre Washington bereit, dabei eine Rolle zu spielen.

Bei seinen politischen Gesprächen und vor den Medien hatte Barack Obama wiederholt betont, dass er vor allem nach Indien gekommen sei, um Interessen US-amerikanischer Wirtschafts- und Finanzkreise zu vertreten. Diesem Ziel diente eine Reihe von Abkommen und Absichtserklärungen zu Geschäften im militärischen Bereich, bei der Entwicklung »sauberer Energietechnologien«, der Nutzung von Schieferöl sowie Investitionen im Infrastruktur-Sektor.

Aufschlussreich war, wie der Nationale Sicherheitsberater Tom Donilon die Asien-Reise seines Präsidenten vor Journalisten in den globalen Kontext einordnete. Er sprach laut einem Bericht der Zeitung »The Hindu« von einer »sehr hohen Priorität« der Beziehungen zu Indien. Das Weiße Haus schätze die Asien-Reise recht effektiv ein, um »den Einfluss, die Macht und Autorität der USA in der Welt« zu restaurieren, indem man Asien in den Fokus nimmt, nicht zuletzt wegen dessen lebhaften Handels und wirtschaftlicher Leistungskraft mit Wachstumraten um acht Prozent. Was blieb war der Eindruck, dass Obamas Asien-Reise – die nächsten Stationen sind Indonesien, Südkorea und Japan – eher den Versuch unternimmt, Chinas zunehmenden Einfluss in der Weltarena durch engere Beziehungen zu anderen asiatischen Ländern zu bremsen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. November 2010


"Ein Bruder, der zurückkehrt"

Von Daniel Kestenholz, Bangkok **

Nach dem Feelgood-Gipfel mit viel Lokalkolorit in Indien, wo US-Präsident Barack Obama und Gastgeber Premier Manmohan Singh auf eine »unersetzliche Partnerschaft« anstießen, ist Obama am Dienstag (9. Nov.) zu einem Kurzbesuch in seiner alten Heimat Indonesien eingetroffen, wo er im Alter von 6 bis 10 Jahren mit seiner Mutter und dem indonesischen Stiefvater lebte.

Indonesien feiert Obama wie einen verlorenen Sohn, der zurückkehrt. Das Land dürfte aber auch die Antwort auf die Frage sein, weshalb viele in den USA ihren Präsidenten mit dem zweiten Vornamen »Hussein« für einen Moslem halten. Obamas Stiefvater war Moslem, brachte ihm auch den Koran nahe und nahm ihn mit in die nahe Moschee.

Obama ist Christ, doch seine islamische »Vergangenheit« ist auf dieser Reise wieder Thema. Indische Medien wollten wissen, dass Obama den geplanten Besuch des höchsten Heiligtums der Sikh in Indien ablehnte, weil der Goldene Tempel in Amritsar nur mit bedecktem Haupt zu betreten ist – und er dann wie ein Moslem aussehe.

Obama verbringt weniger als 24 Stunden in der bevölkerungsreichsten muslimischen Nation der Welt, bevor er weiter nach Seoul und Japan zu den G 20- und Apec-Wirtschaftsgipfeln eilt. Obama sprach zur Begrüßung im Präsidentenpalast ein paar Worte Indonesisch: »Apa kabar?« – wie geht es Ihnen? »Es ist wunderbar, hier zu sein.«

Wie letztes Jahr in Kairo wird Obama auch in Jakarta eine Art Grundsatzrede zu den Beziehungen der USA zur islamischen Welt halten. Nicht Moslems, Terroristen sind die Feinde, so die Botschaft. Danach runden ein Besuch der Istqlal Moschee, der größten Moschee Südostasiens, sowie eine Kranzniederlegung auf Jakartas Heldenfriedhof den Kurzbesuch ab.

Auch Obamas dritter Anlauf, nach Jakarta zu reisen, dem treuen Partner im »Anti-Terror-Krieg, scheiterte beinahe. Die Aschewolken von Vulkan Merapi lähmten noch am Sonntag Jakartas Flugverkehr. Zuvor hatte der US-Präsident zwei Indonesien-Reisen wegen innenpolitischen Problemen in letzter Minute abgesagt, erst wegen der Gesundheitsreform, dann wegen der Ölpest im Golf von Mexiko.

Dank seinen indonesischen Wurzeln verfügt der US-Präsident über eine riesige Fan-Gemeinde im Land, die ihm in einem Park von Jakarta sogar eine kleine Statue errichtete. Nationalisten hingegen wollten einen indonesischen Helden auf dem Sockel.

Unter den Fans des Präsidenten wartete auch Katarina Fermina Sinaga, 61, auf »Barry«, wie sie den Jungen damals nannten. »Als ein Führer der Welt hat er wohl keine Zeit«, sagte sie Reportern. »Doch ich will ihn unbedingt treffen. Er darf uns auf keinen Fall vergessen.«

Als Obama erst im März und dann im Juni kommen wollte, war die Nation schon ganz nervös. Bücher und Filme über »unseren Obama« erschienen, allenthalben waren Feste und Ausstellungen geplant. Jetzt trübt Vulkan Merapi die Volksseele. Immerhin hoffen die Kinder der kleinen Schule, die er damals besuchte, auf eine Kurzvisite des einstigen Schülers, der im Garten zu Hause weiße Krokodile und einen Affen besaß. Schulkinder übten noch gestern früh ein Lied zu Ehren Obamas. Ein älterer Mann sagte: »Wir müssen ihn begrüßen wie einen Bruder, der zurückkehrt.«

** Aus: Neues Deutschland, 10. November 2010


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