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Wahlkampf mit Gott

Barack Obama nach Parteitag der US-Demokraten in Umfragen vorn

Von Max Bohnel, New York *

Der Parteitag der Demokraten hat Barack Obamas Wiederwahlchancen verbessert: Umfragen vom Wochenende zufolge hat der USA-Präsident trotz schlechter Arbeitsmarktdaten nun einen Vorsprung von vier Prozent vor Mitt Romney. Der Republikaner liegt einzig im Bereich Religion vorn, weil er laut »Gallup« als ein »Mann des Glaubens« gilt.

Barack Obama ist Protestant, sein Herausforderer Mitt Romney Mormone, und ihre Stellvertreter Joe Biden bzw. Paul Ryan sind Katholiken. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit in »Gods own country« wird in die Kameras gebetet und »God bless America« gerufen. Aber die religiösen Bekenntnisse der Kandidaten spielen in der direkten Auseinandersetzung kaum eine Rolle. Im Vordergrund steht die Wirtschaftskrise. Bei Wahlkampfveranstaltungen verweisen die Kandidaten auf ihre eigene Religionszugehörigkeit nur indirekt, auf die der Gegner gehen sie nicht ein. Selbst auf den Partei-Conventions ging es da verhalten zu.

Das ist erstaunlich. Denn noch vor ein paar Monaten attestierten die Medien Mitt Romney ein »Mormonenproblem«. Die amerikanische Öffentlichkeit könne sich einen Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft als Präsident nicht vorstellen. Meinungsumfragen sagen das Gegenteil aus. Das Washingtoner »Pew Center« ermittelte, dass die religiösen Bekenntnisse von Obama und Romney für die wenigsten Wähler eine Rolle bei der Wahlentscheidung spielen werden. Zwar empfinden es etwa zwei Drittel der Wähler »wichtig, dass ein Präsident starke religiöse Überzeugungen hat«. So wissen 60 Prozent, dass Romney Mormone ist. Für 81 Prozent ist das aber nicht wichtig. Parteimitglieder der Republikaner und weiße protestantische Evangelikale würden Romney unabhängig von ihrem Blick auf seinen Glauben stützen, Demokraten und Säkulare würden ihn hingegen ablehnen - ebenfalls unabhängig von der Glaubensfrage.

Auf der anderen Seite steht der Christ Barack Obama - was er aber nur für 49 Prozent der Wähler ist; 2008 waren es noch 55 Prozent. Hartnäckig hält sich bei 17 Prozent der Befragten der Glaube, er sei Muslim. Bei den Republikanern ist es sogar ein Drittel, doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. Schuld daran ist das Netzwerk ultrakonservativer Medien wie dem in den USA meistgesehenen Fernsehsender »Fox«, der seit vier Jahren eine Anti-Obama-Berichterstattung betreibt. Die »Experten«, die in dem Sender zu Wort kommen, betonen nicht nur Obamas Mittelnamen Hussein, sondern halten weiterhin das Gerücht am Leben, wonach der USA-Präsident kein Amerikaner sei.

Die religiöse Ausrichtung der Wähler beschäftigt dennoch ganze Stäbe von Wahlkampfstrategen. Paul Ryans Kandidatur etwa könnte Romneys Anziehungskraft bei den Millionen Katholiken in wahlwichtigen »Swing States« wie Ohio und Pennsylvania erhöhen. Katholiken in diesen Staaten gelten oft als die Zünglein an der Waage. Seit Jahrzehnten gilt die Regel, dass kein Kandidat das Weiße Haus erobern kann ohne eine Mehrheit der Katholiken. So war es auch vor vier Jahren bei Obama. Die katholische Kirche hat in diesem Wahlkampf bereits mitgemischt, indem sie sich mit Verve öffentlich gegen einen Absatz in der Gesundheitsreform (»Obamacare«) aussprach. Danach müssen Versicherungsgesellschaften Angestellten die Kosten für eine Empfängnisverhütung erstatten, auch jenen Angestellten, die in katholischen Universitäten und Krankenhäusern arbeiten. Die Demokraten rechtfertigten die Gesundheitsreform auch als Bollwerk gegen den von rechts betriebenen »Krieg gegen die Frauen«. Die Republikaner, die katholische Kirche im Rücken, konterten mit dem Vorwurf, Obama betreibe einen »Krieg gegen die Religion«. Was den katholischen Erzbischof Timothy Dolan aber nicht davon abhielt, Obama und seine Demokraten zum Abschluss ihres Parteitags vor laufenden Kameras zu segnen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. September 2012


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